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Briefe

LANDSER-FILM
aus DER SPIEGEL 23/1955

LANDSER-FILM

(Nr. 13/1955, Film, und Nr. 15/1955, Briefe)

Was liegt näher als in dieser Zeit ... den deutschen Landser wieder einmal auszugraben? Da es einigermaßen schwierig ist, einen Spielfilm nachzudrehen, wird auf das Material der Propaganda-Kompanien und der Wochenschauen zurückgegriffen ... Aus dem Riesenvorrat wird dann ein munterer Streifen zusammengeschnitten, der den an Überheblichkeit nicht zu überbietenden Titel bekommt: »So war der deutsche Landser.« Dazu ein weiterer Plakattext: »Der Dokumentar-Film des zweiten Weltkrieges mit bisher nie gezeigten Frontberichten von allen Kriegsschauplätzen.«

Die Geschichte dieses Plakatbildes ist ein Kuriosum in vielfacher Hinsicht. Die Aufnahme, die dem Plakat zugrunde liegt, wurde im Juli 1941 von dem damaligen PK-Bildberichter, Obergefreiten Reinhold Lessmann, PK-612 ("Eichkater"), im Raume von Smolensk gemacht. Der Mann im Graben ist ein Obergefreiter und gerade im Begriff, eine Handgranate zu werfen. Auf dem Plakat ist die Handgranate weggelassen worden. Das Bild wurde in einer vollkommen ruhigen Stellung aufgenommen, wo vom Feinde weit und breit nichts zu sehen war.

Es durchlief dann den üblichen Dienstweg und wurde eines der am meisten abgedruckten. Es erschien zum Beispiel als Titelbild in der »Stuttgarter Illustrierten«, auf »Köhlers Heeres-Kalender«, weiter in der Zeitschrift »Wochenschau«, in der »Woche«, in der »Berliner Illustrierten«, in der »Münchner Illustrierten« und in zahlreichen Tageszeitungen. Die Unterschriften wechselten laufend. In der »Berliner Illustrierten« wurde die Szene mit drei gänzlich fremden Photos zusammengestellt, die dann unbedenklich als Phasen ein und desselben »Stoßtruppunternehmens in der Kesselschlacht« von Smolensk bezeichnet wurden.

Das Oberkommando des Heeres fand die Aufnahme so gut, daß es sie zur Vorlage für eine Werbepostkarte nahm. Und zwar bekam sie nun den Text »Unteroffizier im Kampf« und sollte die deutsche Jugend für den Beruf des Unteroffiziers begeistern. Zu diesem Zweck wurde der Handgranaten werfende Obergefreite durch einige flotte Retuschen in einen Unteroffizier verwandelt.

Jetzt ist er also wieder aufgetaucht, und zwar auf dem Plakat für den Film »So war der deutsche Landser«. Und wiederum hat der Obergefreite eine Wandlung über sich ergehen lassen müssen. Er ist - allerdings aus Farbeffektgründen mit dem EK II ausgezeichnet - zum Schützen A ... degradiert, die Wurfhand ist leer ...

Man spürt bei solchen filmischen Unternehmungen, daß hier Gloriolen neu auflackiert werden sollen, die in der heutigen Zeit keinen Bestand mehr haben ... Die berühmten Mannestugenden sind im Zeitalter der Atombombe völlig sinnlos geworden. Diese Tugenden aus alten Berichten noch einmal heraufzubeschwören, läßt vor allen Dingen für die Jugend ganz schiefe Bilder entstehen. Um so mehr als - wie das Beispiel zeigt - sie in der überwiegenden Zahl weder authentisch noch dokumentarisch sind ...

Hannover

REINHOLD LESSMANN

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