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AUSWÄRTIGES AMT Leben zu zweit

aus DER SPIEGEL 40/1967

Die Arbeit der Frau des Botschafters, so schrieb die Frau des Botschafters, sollte vom Staat endlich bezahlt werden.

Bezahlt werden sollte die Anstrengung, die mit den vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen einer Diplomaten-Gattin im Ausland einhergehe; bezahlt werden sollte die Arbeit, die sie als ihre eigene Sekretärin, Blumenarrangeurin und Dolmetscherin tagtäglich verrichten müsse.

Die Honorarforderung stellte Daisy Schlitter, Gattin des Bonner Botschafters in Athen, Oskar Schlitter, in einem Brief, der laut Anrede zwar an ihre Tochter Marion gerichtet, in Wahrheit aber einer breiteren Öffentlichkeit zugedacht war.

Zunächst freilich, in der vorletzten Woche, las das Schreiben der Staatssekretär im Bonner Auswärtigen Amt, Klaus Schütz, und er nahm Anstoß.

Es war nicht das erste Mal, daß in der Zentrale der bundesdeutschen Außenpolitik Anstoß an Daisy Schlitter genommen wurde. Vor zwölf Jahren -- damals war ihr Mann noch Botschaftsrat in London -- hatte sie in einer Weihnachtsansprache an das Botschaftspersonal appelliert, sich allzeit der Tatsache bewußt zu bleiben, »daß wir in Feindesland stehen«.

Diese Weihnachtsgeschichte hatte ein Nachspiel. Der damalige AA-Personalchef, Josef Löns, kam persönlich an die Themse, um den Vorfall zu klären. Als er wieder gegangen war, beschwerte sich Daisy Schlitter beim damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer, Herr Löns habe ihr während der Fahrt in einem Londoner Taxi ungehörige Vorschläge zur Bereinigung der leidigen Angelegenheit gemacht.

Daß Daisy Schlitter, geborene Baronesse von Freyberg, die in früheren Jahren als Filmschaffende ("Die Büchse der Pandora") tätig und 1931 Miß Germany war, neuen Ärger mit dem AA bekam, verdankte sie ihrer Bereitschaft, aus dem anekdotenreichen Leben einer Diplomaten-Gattin zu berichten, und zwar für das neueste, noch gar nicht erschienene Springer-Journal »Jasmin -- Zeitschrift für das Leben zu zweit«.

Karl-Heinz Hagen, der Boß der Journalisten-Crew, die das Springer-Blatt in München unter dem Decknamen »Orion« vorbereitet hat, war auf die Idee gekommen, Daisy Schlitter, die er »seit geraumer Zeit« kennt, um einen solchen Erlebnisbericht für sein neues Blatt zu bitten.

Botschafter Oskar Schlitter -- durch Erfahrung gewitzigt -- fragte daraufhin bei der AA-Personalabteilung an, ob seine Frau dem Wunsch des Herrn Hagen willfahren dürfe. Die Antwort ließ auf sich warten. Erst ein mündliches Monitum entlockte der Personalabteilung die Weisung, Frau Schlitter möge den Artikel schreiben, aber erst nach Vorlage beim AA veröffentlichen.

Daisy Schlitter schrieb ihre Erlebnisse -- wie Swetlana Allilujewa -- in Form eines fiktiven Briefes nieder. Darin erinnert sie ihre Tochter Marion zum Beispiel an ein Abendessen bei einem befreundeten Botschafter in Bonn, währenddessen der Gastgeber beinahe eingeschlafen sei. Zu seiner Entschuldigung habe der Botschafter, so Daisy Schlitter, damals vorgebracht, er habe aus Geld- und Personalmangel am Tag zuvor die Repräsentationsräume der Botschaft selber herrichten müssen. Bis tief in die Nacht habe er dann zusammen mit seiner Frau die Gardinen aufgehängt. Das Essen und das Personal für den Empfang habe er ja von einem Hotel beziehen können; nun aber graue ihm schon vor dem Abwasch.

Den wahren Empfängern des fiktiven Briefes, den Herren in der Münchner »Jasmin«-Redaktion, gefielen die Geschichten der Botschafter-Gattin. Nach eigener Aussage raffte Karl-Heinz Hagen das Manuskript nur ein wenig und ließ den Text dann vereinbarungsgemäß dem Bonner Auswärtigen Amt zukommen, und zwar der Pressestelle. Die Presseleute des AA reichten es mit spitzen Fingern und gerunzelter Stirn ihrem Vorgesetzten, dem Staatssekretär Schütz, weiter.

Schütz hielt es zwar keineswegs für opportun, den künftigen »Jasmin«-Lesern in Daisy Schlitters Worten Kenntnis von den Sorgen befreundeter Botschafter in Bonn zu verschaffen; aber zensieren wollte er den Artikel dennoch nicht. In einem Telephongespräch mit dem ihm befreundeten Hagen-Kollegen Horst Fust in München mochte sich Schütz weder zu einem klaren Ja noch zu einem klaren Nein bequemen: Die Redaktion solle tun, was sie für richtig halte; sie solle dabei aber auch die möglichen Folgen für Botschafter Schlitter bedenken.

Dem Botschafter Schlitter gegenüber wurde Schütz deutlicher. Er gab seinen Beamten Order, den deutschen Missionschef in Athen anzuschreiben und zu bitten, er möge das Manuskript seiner Gattin unter Verschluß halten. Begründung: Die von Daisy Schlitten zu Papier gebrachten Geschichten seien »der allgemeinen Einschätzung unseres Dienstes abträglich«.

Anfang letzter Woche erhielt das AA Antwort aus Athen. Oskar Schlitter ließ wissen, der Artikel werde ohnehin nicht erscheinen, weil er von der Münchner Redaktion »redaktionell überarbeitet« worden sei und in dieser Form von seiner Frau nicht mehr gebilligt werde.

In der »Jasmin«-Fassung tituliert sich die Autorin mehrfach als »Frau Botschafterin«. Daisy Schlitter zum SPIEGEL: »Aber so einen Quatsch schreibe ich doch nicht.«

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