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Minister Leere Hülse

Günther Krause, der Vorzeige-Minister der Ost-CDU in Bonn, wird für die Regierung Kohl zur Last.
aus DER SPIEGEL 51/1991

Es war eine gelungene Generalprobe für das Stück vom inneren Frieden, das Helmut Kohls Christenunion in diesen Tagen auf ihrem Parteitag in Dresden aufführen will.

Bei der Weihnachtsfeier der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion im Bonner Hotel »Maritim« lobte der neue Vorsitzende Wolfgang Schäuble den abgehalfterten stellvertretenden Parteichef Lothar de Maiziere: »Es ist gut, daß Sie da sind. Es gab viel Bitterkeit, aber der Anteil, den Sie an einer bestimmten historischen Phase der deutschen Geschichte haben, der wird bleiben.«

Großer Beifall. Große Heuchelei.

Der Mann im Rollstuhl hatte als Innenminister die Stasi-Verstrickungen des DDR-Rechtsanwaltes de Maiziere alias »Czerni« anhand der Akten zu überprüfen und dann maßgeblich zu dessen Sturz beigetragen.

Danach begab sich ein anderer Ossi ans Klavier im »Maritim«. Der bekannte _(* Mit Frau Heidrun (im Hintergrund), ) _(Schwiegereltern Jochen und Waltraud ) _(Boldt und einem Nachbarn (hinten ) _(rechts). ) Wirtshauspianist Günther Krause schlug ein Potpourri aus altdeutschen Weisen, Weihnachtsliedern und Beatles-Songs an. Parteifreunde sangen mit. Riesenbeifall.

Schäuble schmolz dahin: »Nach einigen Akkorden habe ich gemerkt, wer so spielt, der würde nie wie ein Betrunkener aufs Klavier hämmern.« Schäuble will vergessen machen, daß sich Krause vor einer Aussage im Schalck-Untersuchungsausschuß drücken wollte, nachdem er sich feucht-fröhlich in einem Bonner Restaurant mit Klavierbegleitung krank gefeiert hatte.

Der Affären-Minister im Verkehrsressort steht unter dem besonderen Schutz Schäubles. Der Neue will sich als großer Integrator empfehlen und damit von CDU-Generalsekretär Volker Rühe absetzen, der wenig übrig hat für die aus DDR-Zeiten übernommenen CDU-Blockflöten.

Von den 318 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion in Bonn sind 64, lange vor der Wende, treue Mitglieder der Ost-CDU gewesen, einer festen Stütze des menschenverachtenden SED-Regimes. Schäuble sieht die Regierungsfähigkeit in Gefahr, wenn sich die Union in gute und schlechte Mitglieder aufspalten ließe und Blockflöten ausgegrenzt würden. Deshalb ist er jetzt lieb zu ihnen.

Die Vorsitzenden der ostdeutschen CDU-Landesverbände haben schon gedroht, sie stünden wie ein Mann hinter Krause, sollten sich die Bonner an ihm vergreifen.

Bei Schäuble, der seit langem einen Schlußstrich unter die DDR-Vergangenheit ziehen will, fanden die Parteifreunde Gehör. Die Stasi-Akten hätte der neue Fraktionschef am liebsten allesamt weggeschlossen, eine Amnestie für Spione wäre ihm recht gewesen. Vom großen Eifer eines Volker Rühe beim Bewältigen der real-sozialistischen CDU-Vergangenheit hält er nicht viel.

Es gebe nur wenige, die ein so hohes Maß an Schutz erfahren müßten wie Günther Krause, so Schäuble am vorigen Dienstag im Fraktionsvorstand.

Er weiß, wie unbeliebt sein zum Minister aufgestiegener, zur Arroganz neigender früherer Verhandlungspartner bei den Unionsabgeordneten ist.

Die Liste der Verfehlungen ist lang: Verwicklung in Schiebereien bei der Vergabe von Autobahnraststätten in der Ex-DDR, Eigenmächtigkeiten bei Aufträgen an eine dubiose Bremer Firma bei Autobahnplanungen, schließlich ein eigenartiges Engagement für Freizeitprojekte (Krause: »Yachthafen, Golfplatz und so") in seinem Heimatdorf Börgerende, wo Krauses Schwiegereltern reichlich Baugrund besitzen (siehe Kasten).

Zu dem Ruch von Affären kommen Schübe von Verfolgungswahn. Krause sieht sich von übelwollenden Wessis umstellt - im eigenen Ministerium, in der CDU-Parteizentrale, selbst im Kanzleramt. Er sei Opfer einer »Kampagne«. Und: »Mir geht''s wie den anderen Ossis hier. Es soll nur nachgewiesen werden, daß wir alle zu dämlich sind.«

Nach Öffnung der Stasi-Akten Anfang des kommenden Jahres für Betroffene dürfte sich eine intensive Diskussion über die Verstrickungen von CDU-Funktionären in das DDR-Unrechtssystem ergeben. Krause war jemand in der Ost-CDU, der er seit 1975 angehört. Im April 1987 brachte er es - selbstverständlich ohne Gegenkandidaten - zum CDU-Kreisvorsitzenden in Bad Doberan.

Der Zeitgeschichtler Christian von Ditfurth schreibt in seinem neuen Buch »Blockflöten": Die CDU der DDR sei keine Partei von »Mitläufern«, sie habe sich nicht bloß in ihrer Satzung »zur Mitverantwortung für den realen Sozialismus« bekannt und das Willkürsystem unterstützt.

Ditfurth: »Niemand konnte Kreissekretär oder Kreisvorsitzender der CDU werden, ohne bewiesen zu haben, daß er mit fester Überzeugung die Politik seiner Partei vertrat.« Ein »erstaunliches Phänomen« hat der Autor festgehalten: Viele Kreissekretäre und -vorsitzende aus alten Tagen seien heute noch in Amt und Würden. Sie hätten sich als außerordentlich »wendig« erwiesen.

Der wendige Kreisvorsitzende Krause weiß Heldenhaftes zu berichten. Er habe »als Mann vor Ort häufig in Widerstand gemacht«, ja, sich und seine Familie, seine Karriere »in Gefahr« gebracht. Sogar »in Bautzen, im Zuchthaus«, hätte er landen können.

Daß er Handwerkern bei Existenzgründungen geholfen, Kindern aus christlichen Elternhäusern zur Zulassung verholfen habe, erwähnt Widerständler Krause nur am Rande. Heroischer schon sein Einsatz gegen die Ineffizienz der DDR-Wirtschaft.

Gemeinsam mit anderen Computerfreaks formulierte der gelernte Informatiker Krause um die Jahreswende 1986/87 eine Expertise für den CDU-Hauptvorstand. Natürlich »streng geheim« (Krause) wurden Mängel der Computerschmiede Robotron in ihren Hardware- und Software-Konzepten angesprochen, wurde die Ausbildung von Computerfachleuten auch in der englischen Sprache empfohlen. Ingenieuren sollte erlaubt werden, als Selbständige zu arbeiten, weil sich so flexibler auf die Bedürfnisse der DDR-Großbetriebe reagieren ließe.

Krause würdigt heute das Papier als ein »Manifest des Widerstandes« gegen das mächtige Robotron-Kombinat. Er hätte sich »viel Ärger« einhandeln können. »Mein Rektor an der Hochschule Wismar hätte mich zu sich rufen und mich, das war''s dann, als Lehrkraft absetzen können.«

Irgendwo muß da ein großes Mißverständnis vorliegen. So wurde Krause am 8. Oktober 1987 im CDU-Organ Demokrat ausdrücklich lobend erwähnt, weil er seine Berufserfahrungen beim Hauptvorstand einbringe und »die Einführung der Computer durch eine geeignete Vorschlagstätigkeit« unterstütze. Durch Krauses Initiative seien 64 Vorschläge zum beschleunigten Einsatz von Computertechnik »entsprechend der Direktive zum Fünf-Jahres-Plan 1986-1990 durch den Vorsitzenden unserer Partei, Gerald Götting, dem Ministerpräsidenten Willi Stoph übergeben worden. Die Resonanz war positiv«.

1988 eine weitere Heldentat. Krause stellte sich bei Bad Doberan zusammen mit den örtlichen Vertretern von SED, FDJ und evangelischer Kirche in einem Jugendklub den anonym eingereichten Fragen von 80 Jugendlichen. Nach dem Schießbefehl sei gefragt worden und was die DDR jungen Menschen zu bieten habe.

Krause, so sagt er jetzt, hat zum Dableiben ermuntert. Ein Christ versuche dort, wo er geboren sei, »zu gestalten und zu verändern«.

Bündig urteilt der Ex-Kreisvorsitzende über seine damalige Rolle: Die Führungsfunktionen des Zentralismus habe er angezweifelt, »damit war der Umsturz programmiert«. Nach dem Abgang Erich Honeckers, während der Amtszeit von Egon Krenz, formulierte der CDU-Mann gemeinsam mit de Maiziere ein neues Grundwertepapier der Partei, dessen erster Satz lautete: »Der Sozialismus ist eine leere Hülse.«

Krause: »Das war verfassungsfeindlich. Das MfS war noch voll in Funktion. Wir waren damals hoch gefährdet.« Doch wieder nahmen die Schergen der Stasi keine Notiz von ihm.

Krause ist, mit Schäuble als Verbündetem, weiter zum Kampf entschlossen. Er will auf dem Dresdner CDU-Parteitag, das hat er sich vorige Woche fest vorgenommen, den CDU-General »voll annehmen«. Die ganze Vergangenheitsdiskussion in der CDU sei »peinlich und unsensibel«. Wie Rühe mit altgedienten CDU-Mitgliedern in der Ex-DDR umspringe, dies sei »einfach unerträglich«.

* Mit Frau Heidrun (im Hintergrund), Schwiegereltern Jochen undWaltraud Boldt und einem Nachbarn (hinten rechts).

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