DROGEN Legaler Smoke
Wer mal eben aus dem Alltag flippen will, braucht nicht mehr nach verbotenen Früchten zu greifen, nach Mohn oder Cannabis -- Stoff für süße Träume gibt es auch im Gemüseladen und auf der grünen Wiese: Feldsalat nebst Katzenminze.
Aus den Extrakten dieser gemeinen Pflanzen, dazu noch ein bißchen Wurzelsaft aus Mexiko, damit"s nicht auf die Potenz schlägt, richtet jedenfalls eine amerikanische Spezialfirma für Naturprodukte wie Ginseng oder Chrysanthementee ein Präparat an, das Lettucene geschrieben, Lettußen gesprochen und nun auch hierzulande mit dem Drogenjargon vertrieben wird: »Das törnt an.«
In Europa ist »der moderne Rauchgenuß« in drei Versionen -- leicht, kräftig, stark -- zum »unverbindlichen Richtpreis« von fünf bis knapp sieben Mark das Gramm bei »Naschpo« in Hamburg zu beziehen, Kürzel für Naturstoffhandelsgesellschaft Schaefer und Potratz, zwei ehemalige Studenten.
Ähnlich wie Beate Uhse mit Sexualklimbim, so denken sich die beiden, wollen Jack Schaefer und sein Kompagnon das Land systematisch mit allerlei aus der Natur eindecken, mit tabaklosem Zigarettenkraut, Zutaten für makrobiotische Menüs, zunächst aber eben mit Lettucene, dem »legalen Smoke« (Schaefer), und »zum Teekochen und Backen« ist es auch geeignet.
Daß es sich bei dem gemischten Salat um ein »reines Naturprodukt anstelle von verbotener Droge« handelt, wie Naschpo wirbt, stieß behördlicherseits zunächst auf Skepsis. Als Schaefer im Februar dieses Jahres in Hamburg-Fuhlsbüttel einschwebte und beim Zollamt seine 150 vorausgeschickten Probepäckchen abholen wollte, waren die Beamten perplex.
Auf den Lettucene-Beuteln lasen sie, wenn auch in Anführungszeichen, »Opium«, »Hashish«, »Hash Oil«. Und da der Inhalt solchem Teufelszeug verdächtig ähnlich sah, verbrachten sie die Päckchen in das Labor der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt.
Die Chemiker dort konnten in der neuen Natur-Droge allerdings weder rauscherzeugende Alkaloide noch andere unerlaubte Ingredienzen ausmachen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Der ganze Salat erhielt eine vorläufige Zolltarifnummer und wurde freigegeben.
Für die Chefs vom »Naschpo-Land«. wie das Unternehmen auch firmiert. war das keine Überraschung, denn, so Schaefer: »In Amerika wird Lettucene in fast jedem Tabakladen angeboten.« Dies, obwohl die USA die Kontrolle womöglich gesundheitsschädlicher Präparate strenger handhaben als die Bundesrepublik, wo, wie Günter Lewandowski, Justitiar heim Bundesgesundheitamt, weiß, »erst einmal alles als erlaubt gilt, was nicht verboten ist«.
Zwar ist das Wiesbadener Bundeskriminalamt der Droge, von der noch niemand weiß, was sie anrichtet, bereits auf der Spur. Aber das Bundesgesundheitsamt, das mit einem Lettucene-Gutachten das entscheidende Wort zu sprechen hätte, hat das Kraut noch gar nicht zu Gesicht bekommen.
Kein Wunder, daß die Polizei auf Lettucene ganz unterschiedlich reagiert: In Hamburg etwa ist der Stoff nach amtlicher Auskunft »nicht von polizeilichem Interesse«, in Hannover dagegen wird er »erst einmal konfisziert, wo wir ihn finden«, so ein leitender Beamter.
Unterschiedlich ist die Reaktion freilich auch bei den Konsumenten. Die einen finden: »Das schmeckt wie angebrannter Keks und törnt gleich null«, so hannoversche Testraucher. Anderen kehrt es den Magen um: »Meinem Sohn ist so übel, was soll ich machen?« rief eine Mutter bei der Drogenberatung in Hannover an. Manche wiederum hätten sich »angenehm relaxed« gefühlt, wie Importeur Schaefer behauptet, der davon oft selber nascht.
Ob der Stoff zu Lust oder vielleicht doch zu Leid verhilft, ob er tatsächlich oder, per Placebo-Effekt, nur vermeintlich törnt und also wie eine Leertablette wirkt, steht dahin. Auf jeden Fall möchte Peter Schönhofer, Pharmakologe an der Medizinischen Hochschule Hannover, vom Genuß des Krautes nur »dringend abraten«.
»Bei Haschisch«, gibt der Wissenschaftler zu bedenken, »weiß man wenigstens, was man riskiert.« Bei Lettucene nicht.