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RECHT Leiche nachgereicht

Parteispenden, entschied der Bundesfinanzhof, sind keine Betriebsausgaben. Doch den Spendern bleiben Hintertürchen. *
aus DER SPIEGEL 19/1986

Der Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), Franz Klein, hatte schon immer Angst, daß seine Kollegen von der Strafjustiz sich blamieren. Bevor sie Parteispender wegen Steuerhinterziehung verurteilen, so forderte er immer wieder, sollten die Strafrichter abwarten, ob die Finanzgerichte die Spendenwaschpraktiken nicht als korrekt einstufen.

Strafrichtern, so der CDU-Mann Klein, die seinen Rat in den Wind schlagen, könne es ergehen wie in einem Mordprozeß ohne Leiche, nach dessen Abschluß erst die Frage geklärt werde, »ob der angeblich Ermordete noch lebt oder nicht mehr lebt«.

Eine Leiche gibt es jetzt. Am Mittwoch vergangener Woche gab Kleins Bundesfinanzhof bekannt, daß auch die Steuerrichter verdeckte Zuwendungen an politische Parteien »im allgemeinen« nicht als steuerbegünstigt ansehen.

Viele Spendenjongleure in den Vorstandsetagen der Wirtschaft hätten ihre Millionen-Zuwendungen an die großen Parteien - so folgt aus dem Grundsatzurteil - versteuern müssen. Die Umwegfinanzierung kann also weiter als Steuerhinterziehung von der Strafjustiz verfolgt werden. Kleins Kollege, der Bundesfinanzrichter Klaus Offerhaus: »Wenn ich Strafrichter wäre, würde ich mich jetzt eher ermutigt fühlen weiterzuverhandeln.

Ermutigung schafften die Richter des Achten Senats mit eindeutigen Aussagen über steuergünstige Scheingeschäfte mit Gutachten. Sie hatten dabei über einen Bagatellfall zu entscheiden. 5500 Mark hatte das Hamburger Speditionsunternehmen Rohde & Liesenfeld bei der CDU-nahen »Hansa Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit und Marktforschung« für ein Gutachten bezahlt. Thema: »Situation und Entwicklung der norddeutschen Wirtschaftsregion«.

Ein Scheingeschäft, mutmaßte das Hamburger Finanzamt: Das Geld für das wertlose Gutachten sei in Wahrheit für die Union bestimmt, die Zuwendung also nicht als »Betriebsausgabe« steuerlich abzugsfähig gewesen.

Die obersten Finanzrichter in München bestätigten die rechtliche Sicht der Hamburger Steuerprüfer. Wenn das Gutachten »gänzlich unbrauchbar« gewesen sei oder »sein Wert weit unter dem Kaufpreis« lag, und wenn das Unternehmen »dies gewußt oder ernstlich für möglich gehalten« habe, dann sei der Kaufpreis eine verdeckte, aber steuerpflichtige Parteienfinanzierung.

Den Streit um die 5500 Mark nahm das Gericht zum Anlaß, sehr grundsätzlich zu werden: Weder direkte noch indirekte Zuwendlungen an Parteien dürften als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Wer Parteien unterstütze, mache keine Ausgaben für seinen Betrieb. Diese Zahlungen seien zumindest auch Ausdruck »politischer Gesinnung«. Die politische Gesinnung aber sei »dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen«, dem Privatbereich also.

Das Münchner Gericht beauftragte die Hamburger Finanzrichter, erneut zu prüfen, ob die Firma wußte, daß das Hansa-Gutachten wirklich wertlos war. In ähnlichen Fällen, die vor den Strafgerichten als Steuerhinterziehung verhandelt wurden, war das kaum zweifelhaft.

So mußte sich das Hamburger Landgericht im Prozeß wegen Spendentransaktionen mehrerer Reemtsma-Manager (SPIEGEL 11/1986) mit Gutachten beschäftigen, die eine Liechtensteiner Briefkastenfirma dem Konzern geliefert hatte. Eines davon, 29 Seiten dünn und 45000 Mark teuer, behandelte die Frage: »Einfluß des Zigarettenrauchens auf die Gesundheit«. Nicht billiger wurde ein von einer FDP-nahen Firma erbrachtes Gutachten über »Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen« gehandelt. Der Text war abgeschrieben; aus der 21 Jahre alten Doktorarbeit eines Jungakademikers der Uni Göttingen.

Das Verdikt der Finanzrichter trifft auch den Versuch, mittels parteinaher Vereine wie etwa der »Staatsbürgerlichen Vereinigung« Spendenmillionen am Finanzamt vorbei in die Parteikassen zu schleusen. Daß solche Zahlungen als Betriebsausgaben angesehen werden müßten, hatten spendierfreundliche Steuerjuristen wie der Kölner Anwalt Günther Felix entdeckt, um die Klientel vor der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu bewahren.

Mit der Deklaration von Spenden als Betriebsausgaben wäre der Millionenschwindel mit zu Unrecht erteilten steuergünstigen Spendenquittungen vom Tisch gewesen. Kein Staatsanwalt hätte mehr Anklage erheben können.

Nun zieht die Argumentation von Großspendern wie der Deutschen Bank nicht mehr, die ihre Parteizuwendungen mit der Verantwortung für »staatspolitische Zwecke« rechtfertigte. Solch ein Verantwortungsbewußtsein, so der Finanzhof, sei ja wohl nicht »betrieblich veranlaßt«, könne also nicht steuerbegünstigt sein.

Entschieden ist der Streit um die verdeckte Parteienfinanzierung mit dem Münchner Urteil dennoch nicht. Die Richter des Achten Senats, die mehrere Monate brauchten, Einigkeit über ihr Votum und den Urteilstext zu finden, öffneten den Spendern ein paar Hintertüren.

»Offenlassen« wollte der Senat ausdrücklich die Entscheidung über solche Parteispenden, denen sich Wirtschaftsmanager »nicht entziehen konnten«. Es werden sich wohl demnächst Finanzrichter finden, die diese Lücke schließen und Umwegfinanzierungen billigen, bei denen ein Unternehmer geltend macht, er sei von Spendenakquisiteuren einer Partei bedrängt worden - eine Ausrede, die immer möglich ist.

Und ganz nebenbei enthält das Urteil, sogar einen Tip für gefahrlose wie steuergünstige Spenden an Parteien. Die seit Jahren geübte Umwegfinanzierung über Berufsverbände der Wirtschaft die hohe Mitgliederbeiträge ihrer Klientel an Parteien ihrer Wahl weiterleiteten, ist so illegal, wie es immer schien, nach Ansicht der Münchner Richter nun doch nicht.

Dieser Finanzierungsweg galt Steuerwie Strafjuristen bislang stets mit Verweis auf ein Gutachten des Bundesfinanzhofs als unzulässig. Dieses Gutachten hatte die Weitergabe von Spenden, die als Verbandsbeiträge getarnt sind, streng begrenzt.

Erstmals distanzierte sich ein Urteil des Bundesfinanzhofs von diesem Gutachten. Beiträge an einen Industrieverband etwa, so befanden die Steuerrichter, seien auch dann als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn der Verhand »allgemeinpolitische Aufgaben verfolgt« - zum Beispiel die Beitragsgelder den Parteien zuschiebt.

Schon gibt es einen, der auf die juristisch möglichen Umweise verweist: Der

Kölner Steueranwalt Günther Felix verbreitete am Freitag vergangener Woche unter Kollegen und Klientel seine erste Einschätzung des Münchner Spruchs. »Offenbar«, so Felix, »hat die Parteienfinanzierung qua Berufsverbände doch überlebt.«

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