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SPANIEN Leicht ausfallend

aus DER SPIEGEL 48/1966

Lutz Schildberg, khaki-uniformierter Bediensteter der hannoverschen Ferienfabrik Scharnow, führte Protokoll. Am vorletzten Sonnabend um 17 Uhr notierte er auf dem Flughafen von Palmade Mallorca: »Gäste leicht ausfallend.« Um 18.10 Uhr: »Laut und bösartig.« Und um 18.15 Uhr fügte er das Wort »Tumulte« hinzu.

Am Rand der Rollbahn lärmten 187 Pauschal-Touristen, die endlich wieder zurück nach Deutschland wollten, aber nicht konnten. Die vier Maschinen, mit denen die Lufthansa-Tochter Condor Flugdienst GmbH die Balearen-Besucher am Sonnabendmorgen heimfliegen wollte, mußten fast leer zum Rückflug starten, Scharnows Kunden aber 26 Stunden lang Pause in Palma machen; erst am Sonntagmittag durften sie in Maschinen der spanischen Fluggesellschaft Spantax abreisen. Scharnow: »Eine grobe Unverschämtheit.«

In Wirklichkeit waren die Spanier, sehr streng genommen, im Recht. Für den Charterverkehr gilt eine Abmachung mit Madrids Luftfahrtministerium, nach der Touristen mit derselben Fluggesellschaft ein- wie ausfliegen müssen. Die Klausel soll spanischen Flugunternehmen ihren ohnehin geringen Anteil am deutschen Touristengeschäft erhalten.

Scharnows Kunden waren mit Miet-Maschinen der spanischen Spantax und des deutschen Spantax-Partners Südflug gekommen, sollten aber nach Scharnows Plan mit der Condor ausfliegen. Denn die Reisefirma wechselt alljährlich zu Beginn der Wintersaison die Fluggesellschaften.

Schon im Oktober war in Madrid beantragt worden, die letzten Sommergäste bei ihrem Rückflug mit Condor-Maschinen transportieren zu dürfen. Madrids Luftfahrt-Beamte sagten am 3. November nein. Aber Scharnow baute darauf, daß die Spanier wie in den letzten Jahren die Ausnahmeregelung schließlich doch zulassen würden.

Selbst als am 11. November um 17.40 Uhr, dem Tag vor dem geplanten Abflug, in Hannover ein Fernschreiben mit der Nachricht einlief, Spanien bestehe auf der Absage, blieben die Scharnow-Leute noch zuversichtlich. Sie versuchten, mit nächtlichen Telephonaten die Spanier doch noch zum Nachgeben zu bewegen.

Am nächsten Morgen blieben die Touristen »wie Apfelsinenkisten in Palma stehen« (so das Bonner Verkehrsministerium).

Erst am Nachmittag, nachdem die Condor-Maschinen abgeflogen waren, setzte ein Scharnow-Vertreter seine Unterschrift unter einen eilig aufgesetzten Chartervertrag mit der spanischen Gesellschaft Transeuropa. Deren Maschine, aus Madrid herbeigerufen, traf drei Stunden später mit qualmendem rechten Außenmotor in Palma ein. Als sich die Fluggäste weigerten, den reparaturbedürftigen Flieger zu besteigen, besorgte Scharnow Nachtquartiere und mietete für 40 000 Mark zwei Spantax-Maschinen, die dann endlich am Sonntag nach Deutschland abflogen.

In Hannover beschwerten sich die Reise-Unternehmer, die in diesem Jahr mit ihrem Partner Touropa 27 000 Kunden für fünf Millionen Mark in spanischen Maschinen beförderten, über die »unverständliche Behinderung des Touristenverkehrs« und orakelten: »Bevollmächtigte Persönlichkeiten in spanischen Behörden bekleiden zugleich leitende Posten bei spanischen Luftverkehrsgesellschaften.« Die defekte Transeuropa-Maschine habe gezeigt, daß man bei Verträgen mit iberischen Fluggesellschaften »künftig noch vorsichtiger« sein müsse.

Der Scharnow-Kanonade und einer Intervention des Bonner Verkehrsministeriums beugten sich die Spanier: Einer zweiten Heimkehrergruppe am vergangenen Wochenende erlaubten sie den Rückflug in Condor-Maschinen.

Deutsche Condor-Passagiere in Mallorca. Urlauber blieben wie Kisten stehen

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