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WAFFENHANDEL Leicht zu beschaffen

Mit gefälschten Papieren wurden Sowjet-Waffen aus Ungarn nach Somalia verfrachtet. Dann zerstritten sich die Waffenhändler untereinander.
aus DER SPIEGEL 20/1978

Wütend fuhr Verkaufschef Hlavay vom ungarischen Außenhandelsunternehmen Technika K. V. den Österreicher Franz Eggeling an: »Haben Sie mit dem Geschäft GTT-1/76 etwas zu tun?« Die Antwort Eggelings, eines einstigen Waffen-SS-Mannes und Christbaumschmuckfabrikanten« kam prompt: »Ja, natürlich. Das wissen Sie doch.« Aber Hlavay wollte mehr wissen: »In welcher Funktion?«

Da mochte Eggeling, den Ungarn seit Jahren als Lieferant »heißer Elektronik« bekannt, nicht allein antworten: »Herr Bischof kann Ihnen das viel besser sagen.«

Martin Bischof, Schweizer Kaufmann mit langer Ost-Erfahrung, hatte keine Hemmungen: »Herr Eggeling«, erklärte er, »ist für die Endverbraucher-Zertifikate verantwortlich.«

»Das heißt also«, wandte sich Hlavay schroff an Eggeling, »Sie können bestätigen, daß unsere Waffen auch wirklich nach Lagos gehen?« Eggeling: »Ja, nach Lagos.«

Das war die Unwahrheit. Die Waffen wurden nicht in die nigerianische Hauptstadt Lagos, sondern nach Mogadischu in Somalia geschafft.

Die westlichen Teilnehmer der Zusammenkunft am grünen Konferenztisch des Technika-Hauses an der Budapester Salgotarjani-Straße 20 hatten die Ungarn über diesen Umstand nicht aufgeklärt. Die magyarischen Waffenhändler waren vermutlich nur an der Bezahlung interessiert -- nicht daran, wer ihr Kriegsgerät, mit Sowjet-Lizenz im Lande hergestellt, erhalten sollte.

Fast drei Monate lang hatte die ungarisch -- schweizerisch -- österreichische Waffenhändler-Allianz funktioniert. Die Herren hatten dafür gesorgt, daß drei von der Lufthansa ausgemusterte Boeing 707 der amerikanischen »Air Trans«-Chartergesellschaft mit Tausenden offiziell für Lagos abgefertigten Kisten nach Mogadischu in Somalia geflogen wurden.

Die Aufgaben waren gut verteilt: Hlavay und sein Mitarbeiter, der in Ungarn lebende Österreicher Günther Waldrich (Pseudonym: W. Günther), sorgten für Nachschub, Eggeling und der bei der Budapester Zusammenkunft abwesende Ernst Werner Glatt besorgten Einkauf und Transport, Martin Bischof kümmerte sich im Auftrag seines Partners Othmar Waldmeier um die finanziellen Transaktionen zwischen Afrika und Ungarn.

Die Kisten wurden in Mogadischu dringend gebraucht: Sie enthielten 20 000 automatische Kalaschnikow-AK-47-Gewehre und rund 100 Mörser vom Kaliber 82 mm, dazu etwa zwölf Millionen 7,62-mm-Patronen und rund 50 000 Granaten: Nachschub für den Krieg im Ogaden.

Glaubt man den Magyaren, dann waren sie als letzte dahintergekommen, daß Eggeling sie mit einem falschen Endverbraucher-Zertifikat hereingelegt hatte. Folgt man hingegen westlichen Branchenkennern, dann war die Empörung der devisenhungrigen Ungarn bloß gut gespielt -- Selbstschutz vor dem möglichen Zorn der Sowjets, die eben aus Somalia vertrieben worden waren.

Denn der Trick mit getürkten Endverbraucherzertifikaten gehört in das Standard-Repertoire internationaler Waffenhändler. »Für drei bis zehn Prozent der Kaufsumme«, so weiß ein Insider, »sind die Papiere in Italien oder Jugoslawien leicht zu beschaffen.«

Der Preis ist Marktgesetzen unterworfen: Teuer sind die Dokumente, wenn sie Nachprüfungen an hoher oder höchster Stelle standhalten sollen. Billiger sind sie zu kaufen, wenn der Waffenverkäufer sich damit begnügt, sie beim Unterzeichner nachzuprüfen.

Eggeling. immer auf der Suche nach schnellem Profit, bekam die Zertifikate zu einem Spottpreis: Insgesamt bloß 3500 Dollar ließ er dem Stuttgarter Makler Dumee für die »Eintrittskarte ins Waffengeschäft« in München übergeben.

Auf den Papieren bestätigte der Zweite Sekretär der Nigerianischen Botschaft in London, E. O. Uloh, unter verschiedenen Daten im Spätsommer und Herbst des vergangenen Jahres, daß seine Regierung die angegebenen »Maschinenteile« für die eigenen Streitkräfte benötige und sie weder verkaufen noch verschenken werde, und daß Eggeling der Empfänger der -- nun detailliert aufgezählten -- Waffen sei.

Eggelings Papiere trugen reichen Gewinn -- allerdings erst nach vielen Rückschlägen und Enttäuschungen: Denn seit 1975 hatte er, Besitzer einer protzigen Villa in Seewalchen am Attersee, Eigner von Zweitwohnungen in Wien und Zürich, versucht, ins Waffengeschäft einzusteigen. Zwar wußte er, wie man »end-user« (Branchen-Kürzel für Endverbraucher-Bestätigungen) beschafft, in den Sparten Kredit und Transport fehlten ihm aber die nötigen Kenntnisse.

* Mit sowjetischen Kalaschnikow-Gewehren.

Aus diesem Grund verfiel er darauf, für seine Wiener Waffenhandels-Firma Armtrade G.m.b.H. (offizielle Allein-Inhaberin: Eggelings Gattin Monika) von befreundeten Spediteuren detaillierte Offerten ausarbeiten zu lassen, die alle nötigen Einzelheiten enthielten.

1976 unterzeichnete er sogar als »Vertreter« einer ahnungslosen Schweizer Transport-Firma und als »Bevollmächtigter der nigerianischen Regierung« in Budapest einen Vertrag über Waffenlieferungen -- ohne einen Käufer für die Ware zu haben.

Weil er dies den devisenhungrigen Verkäufern von Ungarns Technika aber nicht sagen konnte, gab es bei diesem Kontrakt (Aktenzeichen: GTT -- 1/76) auch bald Pannen. Wie aus Rechnungen der Technika hervorgeht. mußte Eggeling mindestens zweimal bereits zum Flughafen gekarrte Waffenkisten wieder zurückschicken, weil ein -- wohl in der Not frei erfundener Kunde -- nicht zahlen wollte.

Ein Schweizer half Eggeling schließlich aus der Klemme: Der auf Nachtsichtgeräte spezialisierte Vizepräsident der in Schaan/Liechtenstein eingetragenen »ICW-Systems«, Othmar Waldmeier, suchte im Auftrag seines somalischen Geschäftsfreundes Oberst Mohammed Aden dringend einen Waffenlieferanten.

Die beiden teilten sich den Auftrag. Waldmeier, so wurde vereinbart, sollte sich um den Geldtransfer kümmern, Eggeling würde für die Endverbraucher-Zertifikate -- und damit für die Waffen -- sorgen. Und für den Transport-Auftrag heuerte der Österreicher den aus Lörrach stammenden Ernst Werner Glatt an.

Nach den ersten Schwierigkeiten mit einer Schweizer Bank, die sich weigerte, ein Akkreditiv für das Waffengeschäft zu eröffnen, kam der Deal im September endlich ins Rollen: Die Filiale St. Gallen des Schweizerischen Bankvereins war bereit, zugunsten der Ungarischen Nationalbank einen Kreditbrief zu eröffnen -- für ein Geschäft mit »Lastwagen-Bestandteilen«.

Waldmeier hatte mit Eggeling ausgemacht, den erwarteten Profit von rund 240 000 Dollar zu teilen. Schon beim zweiten Flug ergaben sich aber Schwierigkeiten. Glatt, der nicht müde wurde, seine Erfahrungen als Speditions-Fachmann und seine guten Beziehungen zum amerikanischen Geheimdienst CIA zu rühmen, erhöhte plötzlich die Flugpreise.

Da nicht bloß neun, sondern zehn Flüge vonnöten seien, argumentierte er. sei auch das Risiko größer. Statt 60 000 Dollar pro Flug verlange er für die zehn Transporte je 72 000 Dollar. Überdies ließ er sich von Eggeling noch eine Sonderentschädigung von 100 000 Dollar bewilligen.

Auch Eggeling meldete plötzlich Sonderwünsche an: Nach drei Flügen teilte er seinem Schweizer Partner mit, die ungarische Regierung habe weitere Teilzahlungen auf ihr »Urea«-Konto reklamiert.

Unter dem Kennwort »Urea« (Harnstoff) hatte Eggeling Zahlungen von 591 000 Dollar ins Budget aufgenommen. Der lediglich im Nahen und Fernen Osten erfahrene Waldmeier, der den Waffen-Deal als Freundschaftsdienst für seine somalischen Geschäftsfreunde verstand, hatte nichts dagegen einzuwenden.

Erst seinem Partner Martin Bischof, der jahrelang Kompensationsgeschäfte mit sozialistischen Staaten getätigt hatte, kamen Zweifel. Eine Überschlagsrechnung zeigte zudem, daß das Geschäft auf diese Weise direkt in die Pleite führen müßte.

Ohne große Schwierigkeiten fand Glatt in Budapest heraus, daß Eggeling mit den Urea-Dollars ein eigenes Privatkonto füttern wollte. Es kam zum Krach: Glatt, Waldmeier und Bischof, die sich zu einem Pool zusammentaten, kamen am 29. September überein, Eggeling kaltzustellen.

Doch auch das neue Trio geriet bald in Streit. Glatt, so stellte sich heraus, der jetzt für Einkauf und Transport verantwortlich war, wirtschaftete ebenfalls in die eigene Tasche. Er berechnete für die Flüge mehr, als sie wirklich kosteten. Überdies gab er vor, mit der Technika ständig direkt in Kontakt zu stehen -- dabei hatte er dort Hausverbot.

Als dann der erzürnte Eggeling bei der Technika in einem Brief ankündigte, er werde sein End-user-Zertifikat zurückziehen, wurden die Ungarn hellhörig: Ihr Botschafter in London erhielt den Auftrag, Erkundigungen über den nigerianischen Diplomaten Uloh anzustellen.

Ergebnis: Uloh war schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr im diplomatischen Dienst. Die von ihm unterzeichneten Dokumente waren entweder gefälscht oder als Blanko-Papiere unterschrieben worden. Daraufhin wurde den Ungarn die Sache zu heiß. Sie stoppten das Geschäft GTT-1/76 sofort.

Auf Eggeling machte das wenig Eindruck. Er versuchte, sofort einen neuen Weg zu gehen, um doch Ungarn-Waffen nach Somalia zu schleusen. Für 808 750 Dollar bestellte er aufgrund von Endverbraucher-Zertifikaten des Sultanats Oman (Unterschrift: Ahmed Suwaidan Al-Balushi, Director, Palace Office, Datum: 21. August 1977) 5000 Kalaschnikow-Gewehre und 2,5 Millionen Schuß Munition. Das Geschäft kam nicht zustande.

Rundum zufrieden mit dem Somalia-Deal ist wohl nur Ernst Werner Glatt. Sein Ziel bei dem Somalia-Handel war nicht nur, möglichst viel Geld zu verdienen, vielmehr war er von Anfang an darauf aus, dem unbequemen Außenseiter Waldmeier das Waffengeschäft zu verleiden.

Denn der Lörracher Glatt, der in Österreich. England, der Schweiz und in Monaco lebt, ist nicht bloß Speditionsfachmann und früherer Waffenhändler, wie er seine Partner glauben machte, sondern Vize-Chef in Samuel Cummings« Kriegsgeräte-Imperium Interarmco, der größten privaten Waffenhandelsfirma der Welt.

Branchen-Insider sind überzeugt, daß Glatt und Cummings größtes Interesse daran haben, die Schweizer Amateure auszuschalten. Dazu überließ beispielsweise Glatt dem Londoner Journalisten H. G. Alexander Dokumente, die Waldmeiers Firma ICW-Systems schwer belasten.

Die Wirkung dieser negativen Publicity-Arbeit, die auch in Österreich und in der Schweiz betrieben wurde, blieb nicht aus: Waldmeiers Firma ICW-Systems wurde in Liechtenstein von Amts wegen gelöscht, weil sie »dem Ansehen des Fürstentums geschadet hat«.

Nichts mehr zu löschen gab es, als vor einigen Wochen das Auto von Martin Bischof in Flammen aufging: Der fabrikneue Citroen CX 2400 erlitt Totalschaden. Schweizer Polizisten ermitteln seither wegen Brandstiftung und telephonischer Morddrohungen -- gegen Unbekannt.

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