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BUNDESWEHR / WEHRBEAUFTRAGTER Leiser Tritt

aus DER SPIEGEL 25/1967

Planmäßige Frontverkürzung soll wenigstens die nackte Existenz einer ehedem stolzen Errungenschaft der deutschen Demokratie retten, die in zehn Jahren viel Feind, aber wenig Ehr« sammeln konnte: das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.

Offenkundig um milde Beurteilung bemüht, ließ Matthias Hoogen, dritter Inhaber des kränkelnden Amtes, Bonns Bundestagsabgeordneten am letzten Freitag seinen Tätigkeitsnachweis fürs verflossene Geschäftsjahr 1966 zustellen. Nun hofft er -- wider alle Erfahrung -- auf geneigte Aufmerksamkeit des Parlaments.

Bis heute haben nicht einmal Hoogens Jahresrapports für 1964 und 1965 dem Bundestag nennenswerte Beachtung, geschweige denn ausführliche Debatten abgenötigt. Der Bericht für 1966 droht jetzt auch noch das letzte Interesse am inneren Zustand der Bundeswehr einzuschläfern.

Dereinst mit dem Schwung des neuen Besens ans Werk gegangen (bogen bei Amtsantritt: »Vor allem möchte ich verhindern, was in 150 Jahren immer wieder der Vorgesetzte dem Untergebenen angetan hat: ihn innerlich zu zerbrechen, ihm die Menschenwürde zu nehmen"), hat der Wehrbeauftragte seither meist Rückzugsgefechte geführt.

Sein neuer Jahresbericht enthält keinerlei Kritik an Bundeswehr-Zuständen, die nicht durch dickes Lob abgepolstert ist. »Im Gegensatz zu den in früheren Jahresberichten getroffenen Feststellungen zeichnet sich eine

Bei seiner Vereidigung 1959 durch Bundestagspräsident Gerstenmaier.

erfreuliche Entwicklung ab«, konstatiert Hoogen.

Drei Absätze weiter und nach entsprechenden Entschuldigungen ("Ich würde meinem Auftrag nicht gerecht werden, wenn ...") weist der Wehrbeauftragte dann aber auf »eine bedenkliche Erscheinung« hin, die das Fortleben alter deutscher Kommiß-Tradition ahnen läßt: »Auffallend hoch« sei die Zahl der Eingaben, in denen »Soldaten aller Dienstgrade die Befürchtung aussprechen, wegen ihrer Beschwerde benachteiligt zu werden«.

Die bislang übliche Aufreihung kraß schikanöser Einzelfälle, die Hinterbänkler des Bundestags zuweilen anregte, den Bericht wenigstens zu lesen, unterblieb diesmal ganz.

Des Wehrbeauftragten leiser Tritt ist taktisch bedingt. Durch Nichtbeachtung hat ihn der Bundestag in den letzten Jahren spüren lassen, wie lästig dem Parlament das Produkt demokratischen Reformeifers aus dem Jahre 1957 inzwischen geworden ist.

Die Versuche des Wehrbeauftragten, sich kraft Amtes auch um Grundsatz- und Strukturfragen der Bundeswehr zu kümmern, hatten immer neue Reibereien mit der Bundeswehrführung erzeugt. Und das Parlament gab zumeist auf Kosten seines Beauftragten nach. Persönliche Eigenschaften der Amtsinhaber taten ein übriges, die Institution mit stets neuen Querelen zu beladen und ihr Ansehen zu mindern: Generalleutnant a. D. Helmuth von Grolmann, (erster) Wehrbeauftragter seit 1959, schied 1961 aus dem Amt, weil er sich in eine homosexuelle Affäre verstrickte; > Vizeadmiral a. D. Hellmuth Heye, Wehrbeauftragter seit 1961, versuchte durch Illustrierten-Artikel über die Bundeswehr ("Der Trend zum Staat im Staate ist unverkennbar") den seiner Meinung nach zu gleichgültigen Bundestag aufzurütteln und schied Ende 1964 mit Krach;

> Matthias Hoogen, Ende 1964 vom CDU-Abgeordneten zum Wehrbeauftragten aufgestiegen, hatte bald Differenzen mit mehreren Beamten seiner Dienststelle, was Versetzungsgesuche und Disziplinarverfahren nach sich zog, Vor acht Wochen endlich beschloß der Verteidigungsausschuß des Bundestages, den alten Streit um die Kompetenzen des Wehrbeauftragten durch Gesundschrumpfen zu beenden. Der einst durch Gesetz als »Kronanwalt des Parlaments und der deutschen Soldaten« (CSU-MdB Jaeger) installierte Parlamentsbeauftragte wurde zum weisungsbedürftigen Hilfsbeamten des Verteidigungsausschusses herunterinterpretiert.

Soweit nicht die Innere Führung oder der Schutz von Grundrechten in Frage stehen, darf der Wehrbeauftragte künftig Vorgänge in der Bundeswehr nur noch dann untersuchen, wenn er zuvor beim Verteidigungsausschuß um Genehmigung nachgesucht hat.

Hoogen, der ursprünglich einmal geglaubt hatte, er könne sogar bei der Auswahl von Waffensystemen ein Wort mitreden, fand sich mit dieser Einengung seiner Kompetenzen ab. weil »sie in jeder Weise meinen Vorstellungen entspricht«.

Die Frage freilich, ob mit solcher Fügsamkeit der Streit um das Amt des Wehrbeauftragten zu beenden sei, beurteilt der ehemalige Chefjurist der CDU/CSU-Bundestagsfraktion skeptisch: »Ich hoffe ja, ich fürchte nein.

Hoogen hat allen Grund zu solchen Befürchtungen: Im Disziplinarverfahren gegen den seit einem Jahr suspendierten Hoogen-Beamten Dr. Lochbrunner, der seinen Chef des Alkoholismus und der Dienstunfähigkeit bezichtigte, haben am letzten Mittwoch die Zeugenvernehmungen begonnen.

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