RECHT / EHESCHLIESSUNG Liebe Menschen
Ihre Lieblingsfächer waren Handarbeit und Turnen, und in Betragen hatte sie immer »gut« oder »sehr gut«. Seine Liebe gehörte dem Kirchenchor.
Die Liebenden fanden sich am Rande der Flugplatzpisten zu Wiesbaden: Das brave Schulkind Barbara Schöke, 13, trieb es im Mai zum frommen GI Joseph English, 22. Letzten Monat schritt das blonde Kind -- rote Nelken und weiße Freesien im, den US-Soldaten am Arm -- zum Standesamt. Barbara ist Deutschlands jüngste Ehefrau.
Die Heirat der Jung-Frau, die im April ein Kind erwartet, war der bislang heikelste Fall im bundesdeutschen Frühehen-Boom (1964 heirateten 102 Mädchen unter 16 Jahren, 1965 bereits 151).
Diesem Schwall von Kinds-Bräuten kann nach geltendem Recht nur der Vormundschaftsrichter Einhalt gebieten oder freien Lauf lassen. Sein Spruch ist in jedem Fall ein Blanko-Scheck auf eine ungewisse Zukunft. Denn allein durch seinen Gewissensentscheid muß der Richter darüber befinden, ob ein ehelustiger Mann unter 21 oder ein heiratswilliges Mädchen unter 16 »ehemündig« ist.
Doch während der richterlichen Prognose bei männlichen Ehe-Aspiranten gesetzliche Grenzen gezogen sind (kein Mann unter 18 darf für ehemündig erklärt werden), schreibt das Ehegesetz für Bräute kein Mindestalter vor. Kleinen Mädchen kann der Vormundschaftsrichter den Weg von der Schulbank zum Standesamt freigeben, wenn er nur davon überzeugt ist, daß sie geistig und sittlich reif für die Ehe sind und im heiligen Stand nicht werden darben müssen.
Nach dieser rechtlichen Richtschnur nahm nun auch Oberamtsrichter Heinrich Berg, 46, in Wiesbaden die blonde Barbara ins Ehegebet. Er »horchte das Mädchen tagelang aus«, und »nach einer Beweisaufnahme, bei der alle Beteiligten persönlich gehört wurden«, stand für ihn fest, daß er »nicht anders würde entscheiden können«. Er erteilte den Ehesegen.
Sein Ja-Wort gab Heinrich Berg nach dem Besuch einer alten Dame. Barbaras Oma Elisabeth Schäfer, 61, die das Sorgerecht über ihre Enkelin ausübt, hatte beim Richter das Ehefähigkeitsverfahren beantragt und ihre großmütterliche Fürsorge ("Das sind doch zwei so liebe Menschen") mit einem guten Zeugnis dargetan: »Kreuzworträtsel lösen, waschen, bügeln, Plätzchen backen und Baby hüten« mache Barbara, die inzwischen »mit einem aufmunternden Brief des Lehrers« von der Schulpflicht befreit worden ist, einen Riesenspaß.
Und schon entwickelt auch Chorsänger Joseph praktische Hausmannstalente. In Großmutters Wohnung, in einem Prunkbau aus der Gründerzeit, tapezierte er gleich nach der Hochzeit das Ehegemach.
Tapetenwechsel ist für Joseph ein Problem. Denn in seinem Heimatstaat Alabama darf ein Neger nicht mit seiner weißen Frau zusammenleben.