ISRAEL / FRIEDENSGESPRÄCHE Lieber Pilze züchten
Bei der Einweihung einer Schule in dem Dorf Kfar Schmarjahu entdeckte Israels Verteidigungsminister Masche Dajan neue Luftschutzkeller. »Das ist Geldverschwendung«, tadelte er die Dorf-Honoratioren, »ihr solltet die Unterstände umbauen und dort lieber Pilze züchten.«
Der Auftritt war berechnet: Dajan wollte militärischen Optimismus demonstrieren. Denn nur wenige Tage später, am Samstag vorletzter Woche, empfahl er öffentlich, Israel solle sich wieder an den Nahost-Friedensgesprächen des Uno-Vermittlers Jarring beteiligen. Israels bisherige Bedingung, den Abbau der ägyptischen Raketenstellungen am Suezkanal, erwähnte der General nicht.
Vor zweieinhalb Monaten noch hatte Dajan erklärt: »Es ist mir egal, auf welche Weise die Raketen am Suezkanal entfernt werden, aber wir können nicht mit dieser Gefahr leben.« Israel blieb fortan den Jarring-Gesprächen fern.
Jetzt verwandelte sich der Falke Dajan über Nacht in eine Taube: »Ich bin sehr für unsere Teilnahme an den Jarring-Gesprächen«, sagte er, »trotz der Tatsache, daß dies einen Sprung ins kalte Wasser bedeutet.«
Dajans Vorpreschen war nicht im israelischen Kabinett abgesprochen -- und brachte die Regierungschef in Golda Meïr in Verlegenheit: Während der letzten Wochen hatte sie in Washington, Ottawa und London stereotyp einen Abbau der ägyptischen Raketenstellungen als Vorbedingung für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche gefordert.
Dennoch sind die Chancen, daß Da-Jan sich wieder einmal durchsetzt, groß. Schon bestätigte Israels Uno-Botschafter Rabin: »Eine Rückkehr zu den Verhandlungen in ein oder zwei Monaten ist durchaus wahrscheinlich.«
Die militärische wie die politische Logik spricht tatsächlich dafür. Denn es scheint sicher, daß die Ägypter ihre Raketenstellungen am Kanal keinesfalls wieder abbauen, sondern vielmehr nach dem Ablauf der um 90 Tage verlängerten Feuerpause den Verschleißkrieg am Kanal wiederaufnehmen werden, sofern das New Yorker Friedenspalaver nicht fortgesetzt wird.
An einem neuerlichen Waffengang aber kann Israel gegenwärtig weniger denn je gelegen sein: Rüstungskäufe im Ausland schraubten Israels Handelsbilanzdefizit in diesem Jahr auf fast fünf Milliarden Mark -- gegenüber 2,5 Milliarden im Vorjahr.
Unter den Israelis wächst zudem die Unzufriedenheit über die kriegsbedingten Einschränkungen: Vorige Woche streikten die Mittelschullehrer, Bodenpersonal der Fluggesellschaft El Al und sogar die Meteorologen.
Wichtiger noch als innenpolitische Erwägungen dürfte jedoch für Dajans Kalkül eine außenpolitische Überlegung sein: Mit seinem Lamento über das zuungunsten Israels verschobene Gleichgewicht am Suezkanal. hatte er im September erreicht, daß die USA Israel mit modernstem Kriegsgerät belieferten und überdies eines 500-Millionen-Dollar-Kredit gewährten.
Jetzt aber würde die fortgesetzte Weigerung, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, den Israelis in Washington nur schaden -- mehr Waffen und Kredite könnten sie mit einer solchen Taktik nicht heraushandeln.
»Israels standhafte Haltung im September und Oktober«, interpretierte die israelische Morgenzeitung »Haaretz« den General, »hat ihre Früchte getragen, darf aber nicht in Starrsinn ausarten.«
Eine Kabinettsentscheidung über eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche wird wahrscheinlich nicht vor dem 15. Dezember fallen -- nach Abschluß der Delegierten-Wahlen für den Parteitag der regierenden Arbeiterpartei.
Um die Israelis, die noch durch Raketen-Alarmmeldungen verschreckt sind, unterdes schonend auf die Rückkehr Israels in die Jarring-Runde vorzubereiten, übt sich Dajan gegenwärtig in militärischer Kraftprotzerei:
»Wir müßten Mitleid mit den Ägyptern haben«, sagte er vorletzte Woche, »wenn sie versuchen sollten, den Kanal zu überqueren.« Denn: Die Zerstörungen im Junikrieg von 1967 »wären ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was ihnen in einem neuen Krieg blühen würde«.