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GEHEIMDIENSTE Liebesgrüße aus Belgrad

»Das hat Tito getan.« So jedenfalls kommentierte der antikommunistische Exil-Kroate Dr. Branimir Jelic gegenüber dem SPIEGEL das auf ihn verübte Bomben-Attentat.
aus DER SPIEGEL 21/1971

Vor Zimmer 125 der chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Berlin-WilmersdOrf wachen Tag und Nacht zwei Polizisten. Nur wenige Besucher werden eingelassen: zu Dr. med. Branimir ("Branko") Jelic, 66, Vorsitzender des »Kroatischen Nationalkomitees« in der Bundesrepublik.

Der Führer der Exilkroaten, die ein von Jugoslawien abgetrenntes selbständiges Kroatien propagieren, weist auf dick eingebundene Bein- und Gesäßverletzungen. Dann erklärt er dem SPIEGEL: »Das ist eindeutig von Tito. Ich weiß zuverlässig, daß er gesagt hat: Bis zum Parteitag muß Jelic tot sein.

Die von Jelic gemeinte Konferenz des jugoslawischen KP-Präsidiums Ende April, bei der Staatschef Tito rivalisierende und rebellierende Partei- und Regierungsfunktionäre der Teilrepubliken -- wie Serbien oder Kroatien -- auf gemeinsamen Kurs einschwor, ist vorüber. Jelic ist nicht tot, aber er lebt gefährlich.

Als er am vorletzten Mittwoch das Haus Uhlandstraße 141 in West-Berlin betreten wollte, wo er seine Praxis ausübt, explodierte unter ihm eine ferngezündete Trinitrotoluol-Bombe. Im Gehweg war ein Krater, umherfliegende Steinbrocken beschädigten Autos und Fenster. Jelic und seine deutsche Sekretärin Waltraud Gorski, 31, zugleich Lebensgefährtin, brachen, aus vielen Splitterverletzungen blutend, zusammen.

Die Polizei fand zwar ein 146,5 Meter langes Zündkabel, das über Keller und Dachrinnen in die Bodenluke eines Hinterhauses führte, aber keine Spur von den Tätern, die sich offensichtlich per Funk über die Sprengsekunde verständigt hatten.

Schon am 10. September letzten Jahres war wenige Meter von Jelic, nahe seiner Wohnung in der Nassauischen Straße 11/12, eine Trottoir-Bombe explodiert, die -- gleichfalls von einem Nachbarhaus über Kabel -- zu früh gezündet worden war. Jelic, vom Luftdruck umgerissen, blieb unverletzt, der Anschlag unaufgeklärt.

Der deutsche Staatsbürger (seit 1953) kroatischer Abstammung, Ehrennadel-Träger der CDU und Mitgründer der »CSU-Freundeskreise« (SPIEGEL 8/1970) ist nicht nur für die Abteilung I der Berliner Polizei ("Straftaten mit politischem Einschlag"), die eine zehnköpfige Sonderkommission mit Beratern vom Bundeskriminalamt formiert hat, zum Problem geworden.

Jelic, in den dreißiger Jahren Mitglied der Organisation »Ustascha« (Aufständische) des Kroatenführers Ante Pavelic, die damals gegen den jugoslawischen Einheitsstaat kämpfte, hat zumindest das ideologische Erbe dieser Los-von-Belgrad-Bewegung angetreten. In einer von ihm herausgegebenen und verlegten Zeitung mit dem anmaßenden Titel »Hrvatska Drzava« ("Der kroatische Staat") -- Druckauflage: zweimal monatlich II 500; Leser, laut Jelic: an die 300 000 -- attackiert er Partei- und Staatsführung in Belgrad, wobei der radikale Antikommunist neuerdings sogar für sowjetische Intervention zur Abtrennung Kroatiens plädiert.

Kein Zweifel, daß die jugoslawische Regierung in dem Deutsch-Kroaten« der von der Bundesrepublik aus ungehindert agieren darf, einen gefährlichen Staatsfeind sieht: Jelic beeinflußt die 436 000 jugoslawischen Gastarbeiter, von denen -- so behauptet er -- 85 Prozent Kroaten seien.

Agitation und Gewalt gehen seit Jahren Hand in Hand. Innenminister Genscher summierte die blutige Auseinandersetzung zwischen Exilkroaten« gleichfalls abtrünnigen Serben und -- wie Ermittlungen der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ergaben -- reisenden Rächern der jugoslawischen Geheimpolizei:

* Zwischen Juni 1965 und September 1970 wurden elfmal auf serbische und kroatische Emigranten Mordanschläge verübt. Bilanz: acht Todesopfer.

* Sechsmal wurden -- seit 1962 -- »Mordanschläge und Terroraktionen jugoslawischer Emigranten registriert. Bilanz: zwei Tote, drei Schwerverletzte.

Prominente Opfer der Kroaten-Mafia auf deutschem Boden:

* der jugoslawische Konsul Klaric, der im Juni 1965 in Meersburg auf offener Straße von dem Kroaten Stanko Kardum angeschossen wurde;

* der jugoslawische Konsulatsangestellte Milovanovic, der 1966 im Stuttgarter Hofbräukeller von dem Kroaten Franjo Goreta erschossen wurde, und

* der Chef der jugoslawischen Militärmission in Berlin, Dr. Kolendic, der im Juni 1969 von dem Kroaten Drago Dolo durch Schüsse schwer verletzt wurde. Die Attentäter von Stuttgart, Meersburg und Berlin waren als Gastarbeiter in die Bundesrepublik gekommen.

Ähnliche Aktionen werden im Ausland registriert: Im April dieses Jahres erschossen zwei kroatische Nationalisten Jugoslawiens Botschafter in Stockholm, Vladimir Rolovic. Die acht Geschwister des Diplomaten schworen im Belgrader Blatt »Politika« den Ustaschi »Ausrottung«.

Die Gegenrechnung sieht so aus; Im Oktober 1968 wurden im Münchner Büro des »Bundes der vereinigten Kroaten drei führende kroatische Emigranten erschossen. Im Juni 1969 wurde Nahid Kulenovic, Sohn eines ehemaligen kroatischen Ministers, in seiner Münchner Wohnung erschlagen.

Im April 1969 war der Exilkroaten-Funktionär Mirko Curic bei der Explosion eines Sprengstoff-Päckchens getötet worden, das vor der Tür seines Restaurants in München angebracht war. Die zum Teil namentlich bekannten Täter setzten sich ins. Ausland ab, eine Interpol-Fahndung unterblieb »wegen des politischen Charakters dieser Straftaten« (Genscher).

Branko Jelic distanziert sich von allen Gewaltakten der exilkroatischen Seite. Bundeskriminalamt und Berliner Polizei vermochten auch aus den dünnen Fäden bis jetzt kein Netz der Mitwisserschaft zu spinnen. Jelic: »Wir Nationalkroaten sind demokratisch, ich habe nie etwas mit einer Terrororganisation zu tun gehabt.« An weiteren Anschlägen auf sein Leben zweifelt Jelic hingegen nicht: »Die Regierung in Belgrad kann in Kroatien nicht säubern, solange ich lebe und berichte.«

Der Besitzer des Hauses Uhlandstraße 141, Fleischermeister Gerhard Arndt, ahnt ebenfalls Schlimmes und mag seine Mieter -- Familien mit Kindern -- und Kunden nicht weiteren Explosionen aussetzen: Er hat Dr. Jelic die Praxisräume fristlos gekündigt.

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