Zur Ausgabe
Artikel 74 / 91

Briefe

»Lobbyisten der Transzendenz«
aus DER SPIEGEL 45/1975

»Lobbyisten der Transzendenz«

(Nr. 42/1975, Bischöfe: Münsters Bischof Tenhumberg will dem Theologen und SPD-Wahlhelfer Professor Horst Herrmann die Lehrbefugnis entziehen. Herrmann weigert sich, seine Meinung zu widerrufen: so etwa, daß die Kirche beherrscht sei von »großinquisitorischen Denkfaulheiten und Kurzschlüssen« ihrer Wortführer)

Wenn unsere Oberhirten nicht erkennen, wie sie selbst die Kirche durch Fehlverhalten verunsichert haben, so sollten sie dankbar sein, wenn es noch Menschen gibt, die die Gnade haben, zu erkennen, was die gegenwärtige Kirchenverdrossenheit verursacht hat.

Köln WILHELM SCHON

Mit dem Märchen, daß römisch-katholische Funktionäre auch ehrliche Demokraten sein könnten, muß aufgeräumt werden.

Frankfurt OITO HÖNNINGER

Dieses von Bischof Tenhumberg zu verantwortende »Unrechtssystem« verwechselt offenbar Gewalt mit Recht und Kanzelterror mit Seelsorge. Ich verdanke dieser Einstellung vier Vernichtungspredigten seines Kaplan Wiegers in der Pfarrkirche St. Pankratius in Gescher/ Münsterland. Kirchenraum und Kanzel wurden dazu mißbraucht, zu verleumden und gegen mich zum Boykott aufzurufen. Der von »geheimen Predigtberatern« angeordnete Kanzelterror diente dem Zweck. mich als Redakteur von zwei Wochenzeitungen und unbequemen Kritiker auszuschalten. Der Kanzelterror wurde bis in die Schulen hineingetragen. Persönliche Bedrohungen gegen mich und meine Familienangehörigen und der geistige Terror gegen meine schulpflichtige Tochter führten zur Verlegung des Wohnsitzes nach Holland. Das ist die Praxis einer Kirchenlehre von heute im Machtbereich des Bischof Tenhumberg.

Winterswijk (Holland) HANS WITTICH

Wenn der katholische Priester Horst Herrmann glaubt. seinem Bischof den beschworenen Gehorsam verweigern zu sollen, wäre es in Anlehnung an den Tenor seines neuen Buches: »Tote Kirche, lebe wohl!« konsequent, wenn er sein Amt niederlegte. Noch einem »Toten« zu dienen ist doch widersinnig.

Köln WILHELM WILL

Für Bischof Tenhumberg wäre es ein leichtes gewesen, Professor Herrmanns Thesen durch die Tat zu widerlegen. Statt aber das »aufmüpfig gewordene Kind« als Partner zu akzeptieren. schlägt die »gekränkte narzißtische Mutter Kirche« unbarmherzig zurück, weil das Kind nicht erwachsen sein darf. Indirekt bestätigt er damit wieder, daß die Bischöfe eben doch »Lobbyisten der Transzendenz« sind.

Schorndorf (Bad.-Württ.) BERNHARD BÜCHLER

Vikar

Stuttgart RUDOLF REUTER

Kaplan

Das Dilemma ist nur dadurch zu lösen, daß die theologischen Fachbereiche im Rahmen der Universitäten in religionswissenschaftliche Fachbereiche umgewandelt werden und die Kirchen ihren Priesternachwuchs in eigenen Anstalten ausbilden. Dieser Forderung entgegenstehende Konkordatsbestimmungen sind verfassungswidrig. Auch durch Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche (Konkordate und Kirchenverträge) können Verfassungsbestimmungen, insbesondere solche allerhöchsten Ranges, nicht unterlaufen werden. Wenn Minister Rau sich verfassungstreu verhalten will und ein bißchen Mut hat, so richtet er für Professor Dr. Herrmann einen Lehrstuhl für religionswissenschaftliche Erforschung des Christentums ein. Nebenbei: Warum hat sich die FDP darum gedruckt, in ihr Kirchenpapier die Forderung nach Aufhebung der theologischen Fakultäten aufzunehmen?

Ulm (Bad.-Württ.) ERWIN FISCHER Rechtsanwalt

Zur Ausgabe
Artikel 74 / 91
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren