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»Lösegeld und süßer Tee«

Fernsehreporter Christoph Maria Fröhder über einen Zusammenstoß mit Kidnappern im Nordirak
aus DER SPIEGEL 49/2005

Das Vereinshaus von Mossul wirkt wie ein Golfclub. Hier tagen die Clanchefs der irakischen Nordregion. Der Club ist auch eine Nachrichten- und Kontaktbörse. Vor allem für Journalisten. Man trinkt süßen Tee, schimpft ein bisschen auf die Amerikaner, knüpft Verbindungen.

Deutsche Presse- und Fernsehleute sind hier privilegiert. Die Clanchefs wissen, dass die Regierung in Berlin sich wegen des Irak mit George W. Bush überworfen hat. Deshalb steht sie hier in hohem Ansehen. Die Deutschen gelten als gute Ausländer. Wer gut Freund mit den Clanchefs ist, hat bei Rebel-len und auch bei gewöhnlichen Straßenräubern meist bessere Karten. Ich trug auf Reisen im Irak immer eine ganze Kollektion von Scheich-Porträts bei mir, um meine guten Beziehungen zu dokumentieren.

Es gab aber auch Situationen, in denen die Fotos nichts halfen. Wie bei jenem Zwischenfall im letzten Frühjahr auf der Straße zwischen Mossul und Bagdad. Auf dem Weg nach Norden passierten wir einen Checkpoint. Er war von Uniformierten besetzt, die ich für Polizisten hielt. Ich stieg aus dem Wagen und ging auf sie zu. Sie warteten, bis auch meine Crew ausgestiegen war. Dann griffen sie zu. Es waren keine Polizisten, sondern Straßenräuber.

Sie schrien uns an, wir sollten uns hinlegen. Aber wir weigerten uns. Wer vor einem Bewaffneten im Staub liegt, ist gedemütigt und so gut wie erledigt. Er kann nicht mehr auf Augenhöhe verhandeln. Es setzte Fußtritte und Gewehrkolbenstöße, aber es gelang uns, aufrecht zu bleiben.

Die Taktik war richtig. Der Ton wurde schnell ziviler. Ich zeigte auf die Maschinenpistole des Kidnappers, der mir am nächsten stand, und sagte: »Was ist denn das? Rost, du musst sie mal wieder sauber machen.«

Der Mann antwortete irgendwas auf Arabisch, was ich nicht verstand. Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und nahm ihm einfach die MP aus der Hand. »Wenn du mit so einer gammeligen Knarre bei der Bundeswehr erwischt würdest, wäre eine Woche Bau fällig.« Die anderen Iraker lachten.

Dann kamen sie auf Geld zu sprechen. Ich sagte, sie sollten sich schämen, sie wüssten doch, dass die Deutschen Freunde der Iraker seien. Das blieb nicht ohne Eindruck. Trotzdem mussten wir natürlich zahlen. Zum Schluss war es nur noch die Hälfte der Summe, die sie gefordert hatten. Aber mir fehlten 3000 Euro.

Es war eine knisternde Situation. Ich wusste, dass es lange dauern könnte, wenn sie uns jetzt verschleppen würden. Aber der Anführer war kompromisswillig. Er schlug vor, uns am nächsten Tag in Bagdad zu treffen. Wir sollten ihm dann die restlichen 3000 Euro übergeben.

Selbstverständlich nahmen wir den Vorschlag an. Bevor wir losfahren konnten, lieferten wir unsere Computer, Armbanduhren und Schuhe als Pfand ab. Dann stellte ich dem Bandenchef auf der Rückseite eines Porträtfotos von Gerhard Schröder einen Schuldschein aus. Bloß keine Tricks, sagte er. Sie hätten Scharfschützen in Bagdad, denen würden wir nicht entkommen.

Die Banditen waren pünktlich. Ich übergab den Restbetrag und ließ mir die Zahlung auf dem Schröder-Foto quittieren. Weil er das Original als Andenken behalten wollte, ließ der Anführer in einem Copyshop eine Fotokopie für meine Spesenabrechnung machen. Dann holte einer seiner Begleiter süßen Tee. Sie wollten unbedingt mit uns auf den Deal anstoßen.

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