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FRANKREICH Lohnt die Reise

Bei Les-Baux-de-Provence, einem der berühmtesten und beliebtesten Ausflugsorte Südfrankreichs, schürft der Aluminium-Konzern Pechiney Bauxit.
aus DER SPIEGEL 53/1971

Es ist schrecklich«, klagte »Paris-Jour«, »daß sich ein Schweizer und kein Franzose in den Kopf gesetzt hat, eine unserer schönsten Landschaften zu retten.«

Retter ist der deutsch-schweizerische Journalist Franz Weber, der im Sommer die Bodenspekulanten und Baufirmen aus dem stillen Engadin-Tal Silvaplana vertrieben hatte (SPIEGEL 30/1971). Jetzt will er den Franzosen eines ihrer Kleinodien erhalten: Les-Baux-de-Provence,

Der »Guide Michelin« gibt der mittelalterlichen, längst verfallenen Bergfestung Les Baux mit den bizarren Kalkfelsen der Bergkette Les Alpilles im Hintergrund höchstes Lob drei Sterne. Das heißt: lohnt die Reise. Im 13. Jahrhundert tagte hier ein »Cour d'Amour«, ein Tribunal aus Edeldamen, das den besten Troubadour mit einer Krone aus Pfauenfedern kränzte. Heute schlängeln sich Busse und Autos zwischen den weißen Steinriffs, in denen Cocteau seinen »Orphée« drehte, und dem Ort Saint-Rémy, wo van Gogh malte.

Auf den alten Burgwällen von Les Baux berauschen sich die Touristen am Anblick einer grandiosen Landschaft -- Guide Michelin: »Ein unvergeßlicher Eindruck.« Wer Geld hat, stärkt sich in der Drei-Sterne-Herberge »Baumanière«.

Dieser Landschaft droht jetzt Böses -- vom Aluminium-Konzern Pechiney. Der durchwühlt gleich neben Les Baux die weißen Felsen nach rotem Bauxit. Zwei Kilometer östlich von Les Baux haben Bagger ein 500 mal 100 Meter breites Loch gegraben. Sprengladungen knallen, alle zwei Minuten brummen 30-Tonnen-Lastwagen und ziehen rote Staubwolken hinter sich her.

Das Schlimmste steht noch aus -- die Abfallberge. Denn auf eine Gesamtausbeute von 35 Millionen Tonnen Bauxit entfallen 70 Millionen Tonnen totes Gestein -- Schutt. Bis 1974 plant der Konzern 600 000 Tonnen Jahresausbeute. 40 Kilometer südlich von Les Baux, im neuen Industriezentrum Fossur-Mer, will Pechiney das Bauxit verarbeiten. Wohnsiedlungen könnten sich dann bis Les Baux hinziehen, die Kilowattstunden über 70 Meter hohe Pylonen fließen. Sie würden die Silhouette der Alpilles bis hin nach Saint-R~my zerhacken.

Als die Bauxit-Buddler um die Konzession baten, versprachen sie mündlich, die Schönheit der Landschaft zu wahren oder später -- durch Anpflanzung von neuen Mandelbäumchen -- wieder herzustellen. Sie wollen ihre Laster mit Wasser besprengen, damit kein roter Staub aufweht, und später gar Unterirdische Transportbähnchen anlegen.

Dennoch waren die Einwohner von Les Baux geschockt, unter ihnen viele reiche Pariser, die dort ihre Landsitze haben. Sie scharten sich zu einer »Liga zur Verteidigung der Alpilles« zusammen und requirierten den Engadin-Retter Franz Weber.

Dessen Erfolgs-Methode: Krach machen, Geld sammeln, um strategisch wichtiges Terrain zu kaufen, die Spekulation zu blockieren und die Bauxit-Schürfer zu verjagen. Weber: »Les Baux ist ein Kulturgut für alle!«

Das reiche Tout-Paris sollte Geld stiften für einen Fonds, der rund um Les Baux Land erwerben will. Ein Gala-Komitee, bestückt mit der Parfüm-Königin Hélène Rochas, Senatoren, drei Akademie-Mitgliedern und dem Fürst von Monaco, der auch Marquis von Les Baux ist, lud für 375 Franc Eintrittspreis zur Gala ins verstaubte Pariser Hotel George-V.

Doch zur Rettungs-Fete kamen nur 80 Spender, meist ältliche Damen und Herren. Bitter klagte Mode-Macher Courrèges: »Wir reden viel in Frankreich. Wir essen viel. Aber wenn"s drauf ankommt, tun wir nichts.«

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