LUCIUS DUBIGNON CLAY
Lucius DUBIGNON CLAY
ist der berühmteste lebende Berliner. Als Bauherr der Luftbrücke rettete er 1948 die Stadt vor der Aushungerung durch die sowjetische Blockade. Clay damals: Die Russen können uns durch keine Aktion aus Berlin vertreiben, außer durch einen Krieg.« Er hielt sein Wort. Nachdem dreizehn Jahre später auch SED-Statthalter Ulbricht in Berlin als Bauherr aufgetreten war und die Mauer mitten durch die Stadt gezogen hatte, kehrte der amerikanische Vier-Sterne-General im Ruhestand an die Spree zurück. Der Sonderbeauftragte Präsident Kennedys wartzugleich Garant und Symbol des amerikanischen Willens, Westberlin notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen.
Eine Woche nach dem Mauerbau war Lucius D. Clay an der Seite des US Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson in die belagerte Festung Berlin eingerückt. Mit Tränen in den Augen blickte er auf die Menge vor dem Schöneberger Rathaus, die von ihm eine zweite Rettung erwartete. Immer wieder demonstrierte er von nun an der Welt Sowjets und DDR-Funktionären das US-Recht auf Präsenz im Sowjetsektor und auf freien Zugang über die Autobahn. Und als die Vopo schließlich das Zugangsrecht der Alliierten,in den Sowjetsektor einschränken wollte, um weitere Clay-Erfolge zu verhindern, ließ der General an der Friedrichstraße Panzer auffahren.
Zwar wurden die Panzer einige Tage später auf Befehl Washingtons zurückgezogen, weil das State Department fürchtete, Clays militärischer Druck könnte eine diplomatische Entspannung der Berlin-Krise unmöglich machen. Aber zu diesem Zeitpunkt war die eigentliche Aufgabe des Sonderbeauftragten auch schon bewältigt. Die Furcht war von der Stadt gewichen; die Berliner hatten das Vertrauen zu sich selbst und zu ihren Schutzmächten zurückgewonnen. Zufrieden mit dem Erreichten, verärgert über Washingtons Eingriffe, teilte Berlins Ehrenbürger und Ehrendoktor Clay nach sieben Monaten Krisen-Einsatz im April letzten Jahres seinem Präsidenten mit: »Mission erfüllt«.
Durch sein Berlin-Kommando hatte sich Lucius D. Clay endgültig als Mitglied des »American Establishment« qualifiziert, jener Führungselite der US-Gesellschaft, die von keinem »Almanach de Gotha« oder »Social Register« erfaßt wird, deren Kräfte jedoch das Schicksal der Vereinigten Staaten zumindest so weitgehend entscheiden, wie einst Europas Hochadel die Geschichte der Alten Welt.
Vorbedingung für die Mitgliedschaft im »American Establishment« ist die
Bewährung in der privaten und der öffentlichen Sphäre, in Beruf und Amt. Kennzeichnend ist die Unabhängigkeit von der regierenden Partei. Und wesentliches »Establishment«-Merkmal ist schließlich die Austauschbarkeit der Mitglieder in den unterschiedlichsten politischen, militärischen und. wirtschaftlichen Schlüsselpositionen sowie ihre persönliche Bekanntschaft untereinander.
Lucius D. Clay vereinigt in sich alle »Establishment«-Eigenschaften. Als General und Generaldirektor war er in Armee und Industrie gleichermaßen erfolgreich. Als politischer Sonderbeauftragter diente er nicht nur dem demokratischen Präsidenten Kennedy, sondern auch dessen republikanischem Vorgänger Eisenhower. Sein Wesen trägt die aristokratischen Züge eines (in Georgia) geborenen Südstaatlers. Schon von seiner Familie her war Clay für das »Establishment« prädestiniert. Sein Urgroßonkel, der den Henry -Clay-Zigarren seinen Namen lieh, war US-Senator und Außenminister, dessen diplomatisches Geschick den Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs zwischen Nord- und Südstaaten um rund ein Jahrzehnt hinausschob.
Der Urgroßneffe, der in Weltkrieg I die Militärakademie West Point absolvierte, wurde einer der großen Organisatoren des Weltkriegs II. Zwischen den Kriegen war Clay als Pionier -Offizier in der Panamakanalzone stationiert gewesen (1930/31); er vertrat die USA auf der Internationalen Schiffahrtskonferenz in Brüssel (1934) und gehörte dem Stab von General MacArthur auf den Philippinen an (1937/38). In der Armee aber wurde der General erst 1944 nach der Invasion durch das »Wunder von Cherbourg« bekannt: In 48 Stunden verdoppelte er die Umschlagskapazität des zerstörten Hafens; Invasionschef Eisenhower hatte dafür 20 Tage veranschlagt.
Das gleiche Organisationstalent bewies Clay als erster US-Militärgouverneur bei der Errichtung des westdeutschen Staates, bei der Luftbrücken-Rettung Berlins und nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst als Vorstandsvorsitzer des Konserven-Konzerns »Continental Can Corp.": Von 1950 bis 1962 verdreifachte er den Umsatz (von etwas unter 400 Millionen Dollar auf etwas über 1,1 Milliarden Dollar). Heute sitzt er im Aufsichtsrat von zehn großen Unternehmen, darunter General Motors und die Chase Manhattan Bank des ungekrönten »Establishment« - Königs John J. McCloy. Nach seinem Sonderauftrag Berlin trat Clay. 65jährig als Seniorpartner in das New Yorker Investitions-Bankhaus »Lehman Brothers« ein.