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"Das kann doch nicht alles gewesen sein" »... mache ich noch mal was anderes«

aus DER SPIEGEL 30/1976

Dr. Manfred Köhnlechner, 50, hört mit 45 Jahren als Generalmanager bei Bertelsmann (Jahresgehalt: eine Million Mark) auf, um eine spektakuläre, breit publizierte Karriere als Akupunkteur und Neuraltherapeut zu beginnen. Den Entschluß dazu will er mit 43 Jahren gefaßt haben. Resignation als Motiv bestreitet er, »Amtsmüdigkeit« räumt er ein, auch das Fehlen eines »besonderen Engagements«. Es habe für ihn zum Zeitpunkt seines Abgangs bei Bertelsmann »echt nichts mehr zu tun« gegeben. Der nächste Wechsel ist schon programmiert: »Wenn ich das, was ich im Moment hier mache, stehen habe. mache ich noch mal was anderes.«

John DeLorean, 51, ist mit 40 Jahren der jüngste Generalmanager in der Geschichte der Autofirma Chevrolet gewesen und, nach einer hektischen Karriere (in deren Verlauf er sein gesamtes Privatleben umkrempelte), auch der Mann mit den besten Chancen, Boß von General Motors zu werden. Mit 48 Jahren hängt er seinen Job (500 000 Dollar Jahresgehalt) an den Nagel, kümmert sich ein Jahr lang ohne Bezahlung besonders um Arbeitsplätze für Minoritäten, und danach möchte er »eine wichtige Rolle bei der Lösung des Energieproblems« spielen: »Ich will den Rest meines Lebens in Bereichen arbeiten, die für dieses Land wichtig sind.« DeLoreans jüngstes Vorhaben: der Bau eines technisch perfekten Sicherheitsautos in eigener Regie. Friedrich Gulda 46, nach Meinung mancher Kritiker und nach seiner eigenen Einschätzung »der größte Pianist der Welt« und vor allem als Beethoven-Interpret berühmt geworden, zieht sich mit 45 Jahren von allen Verpflichtungen als Konzertpianist in drei gemietete Zimmer nach Weißenbach am Attersee und »auf den stillen Arschleckstandpunkt« zurück. Er macht zusammen mit seiner jugendlichen Freundin Ursula Anders nur noch »restlos improvisierte, freie Musik« und ergibt sich im übrigen dem einfachen Leben. »Ich hab' zum ersten Mal die Füße auf den Boden gekriegt.«

Ernest K. Gann, 65, quittiert mit 42 Jahren seinen Job als angestellter Pilot einer amerikanischen Luftverkehrsgesellschaft und wird freier Schriftsteller ("The High and the Mighty"). »Es ist die Angst, die uns alt macht. In einer neuen Karriere weiß man noch nicht, wovor man sich fürchten muß. Man ist wieder jung.«

Lorenz Tomerius, 39, studierter Jurist und 10 Jahre als Wirtschaftsanwalt unter anderem in Hamburg beschäftigt, gibt mit 39 Jahren seiner alten Leidenschaft fürs Theater nach, kündigt seinen Job beim Esso-Konzern und nimmt -- für 3000 Mark Monatsgehalt weniger -- als »ein Stück Selbstverwirklichung« eine Stellung als Dramaturg beim Bremer Theater am Goetheplatz an. »Ich hatte keine Lust mehr, noch 28 Jahre an meinem Schreibtisch zu kleben; ich bin ein Mensch für Menschen und nicht für Schriftsätze. Ein Mann muß sich seinen Traum verwirklichen können.«

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