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Briefe

»Männern - werft ab Eure Ketten!«
aus DER SPIEGEL 1/1975

»Männern - werft ab Eure Ketten!«

(Nr. 50/1974, Scheidungsrecht; Nr. 51/ 1974, Gesellschaft: Bonn will Unterhaltszahlungen dynamisieren)

Die Ausbeutung des Mannes, das ist der vaterrechtliche Bumerang im Scheiß-Spätpatriarchat! Es ist ungerecht, geschiedene Hausmuttchen und kleine Kinder mit ein paar Mark abzuspeisen. Es ist aber ebenso ungerecht. von einem Mann, dem die Frau davongelaufen ist. Zwangs-Unterhalt und Zwangs-Alimente einzutreiben. Für was muß der Mann zahlen, wenn er keinen Nutzen mehr von der Frau hat? Ist die geschiedene Frau auch verpflichtet, ihrem Exmann als Gegenleistung weiterhin die Socken zu waschen und Kaffee zu kochen? ... Der Individualausgleich innerhalb der Kleinstfamilie gemäß der archaischen Sippenordnung ist heute in mobilen Industriegesellschaften ungerecht. Kinder sind heute eine Produktionsleistung für die Gesamtgesellschaft und kein »Geschenk für den Vater«. Brutpflege und Aufzucht müssen deshalb sozialisiert und von der Gesamtgesellschaft finanziert werden. Nur dann ist das individuelle Familien-Unrecht im Spätpatriarchat zu beseitigen. Männer! Wacht aus Euren vaterrechtlichen Vergangenheitsträumen auf! Eure alten Rechte werden Euch heute zu einseitigen Pflichten und Lasten. Ihr betreibt in patriarchaler Beschränktheit Selbstausbeutung! Die Zeit des Vaterrechtes ist schon längst vorbei. Eure alten Privilegien sind heute Eure Ketten. Werft sie ab!

Stuttgart JOACHIM WINKLER

... Ist nicht nur wieder einmal der Mann benachteiligt, sondern auch die Frau, die Frau der zweiten Ehe und daraus hervorgehende Kinder?

Iserlohn (Nrdrh.-Westf,) WINFRIED TRAWYN

Wie ungeheuer kinder- und frauenfeindlich sind doch die SPIEGEL-Herren: Vom Straßenkehrer zum Minister -- alle haben dynamisierte Einkommen, aber die Scheidungswaisen können jedes Jahr sechs Prozent weniger essen, sechs Prozent weniger anziehen, obwohl die Kinder größer werden und mehr brauchen!!! Solches ist die Logik des Patriarchats! An diesem· Skandal soll ein wenig gebessert werden, endlich! Und schon jammert ein Herrenblatt um die Herren Väter, die aus schierer Rache die geschiedenen Frauen und Kinder am liebsten verhungern lassen möchten. Keine Sorge, die Herren Väter geben fUr ihre Autos mehr aus als für Ihre Kinder! Sie haben fast dreimal so hohes Einkommen wie die geschiedenen Frauen. Mein Geschiedener hat 5000 Mark im Monat für sich allein -- ich habe auf Unterhalt verzichtet -- und weigert sich, seinem Kind einen Pfennig mehr zu zahlen!!! Keine Sorge, solange die Herren Gesetze machen und Frauen und Kinder einer Herrenjustiz unterstehen, wird's den Herren wohlgehen!

Göttingen HANNELORE BRÜSCHKE

... Heute sind Frauen und Kinder gezwungen, Anwälte und Gerichte in Anspruch zu nehmen, um der Entwertung der Unterhaltsrenten zu begegnen. Hier steht ihnen das geltende Prozeßrecht im Wege. Da das Unterhaltsrecht kompliziert ist, ist fast jede Unterhaltsklage mit einem erheblichen Kostenrisiko (Streitwert: Jahresbetrag der strittigen Unterhaltsrente) verbunden. Es ist also völlig richtig, wenn durch die beabsichtigte neue Regelung Frauen und Kinder davor bewahrt werden, das gefährliche Land des Unterhaltsprozesses zu betreten, und daß es Sache der unterhaltspflichtigen Männer wird, im Einzelfall unbillige Regelungen durch Erhebung der Abänderungsklage richtigzustellen. Es gibt keine größere Verantwortung für den Menschen, als Frauen zu Müttern zu machen. Wozu also für die armen Väter Krokodilstränen vergießen?

Berlin WILHELM HAEGERT Rechtsanwalt und Notar

Durch die Einführung des »Zerrüttungsprinzips« statt des »Schuldprinzips« fehlt jeder Anknüpfungspunkt für die Scheidungsfolgen. Es ist durchaus möglich, daß in vielen Fällen derjenige, der die Ehe mutwillig zerstört hat. auch derjenige ist, der die Kinder behält und Familienwohnung, Unterhalt und Rente verlangen kann. Niemand kann künftig -- selbst bei absolutem Wohlverhalten noch seiner Ehe sicher sein

Bonn KURT THUERK Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Unterausschuß für Ehe- und Familienrechtsreform

Katholiken geht es nicht um das Wohl der Bürger, sondern um die Durchsetzung ihres Glaubens, sie sind daher imfrei im Verstand

Berlin FRANZ SIEGLER

Die Ehe ist ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag. Wenn es nach dem geplanten Eherecht so einfach wird, ihn einseitig zu kündigen, so werde ich das Gefühl nicht los, als seien unter den Gesetzesmachern eine große Zahl schmucker Mittfünfziger, bei denen der Johannistrieb nur so wuchert. Wollen sie vielleicht ihre nicht mehr ganz junge Ehefrau gegen eine knusprige Zwanzigerin tauschen? ...

Bonn -- Bad Godesberg

ANNA MARIA EICK-KERSSENBROCK

Wenn man aber neuerlich auch Schwerkriminellen eine Hoffnung gibt, nach 10 oder 15 Jahren wieder aussteigen zu dürfen, so sollte man es diesen armen irrigen Eheopfern auch baldigst zugestehen

Mayen Rhld.-Pf.) HORST KOCH

Major außer Dienst

Soweit Sie Absichten von Bundesminister Dr. Vogel erörtern, bewegen Sie sich weitgehend im Bereich der Spekulation. Richtig ist, daß die sozialliberale Koalition und Dr. Vogel alle Anstrengungen unternehmen, die Reform noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluß zu bringen. Dazu gehört gerade hei einem Gesetzgebungsvorhaben dieser Tragweite auch das Gespräch mit der Opposition und den relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen. das heißt aber insbesondere auch den Kirchen. Keineswegs hat Dr. Vogel »bereits Nachgiebigkeit« hinsichtlich der sogenannten materiellen Härteklausel oder bezüglich einer Billigkeitsklausel im Unterhaltsrecht »angedeutet«. Im übrigen geht es nicht darum, gegenüber irgend jemand »Willfährigkeit« zu zeigen, sondern eine lange überfällige Regelung endlich in vernünftiger Weise unter Dach und Fach zu bringen.

Bonn -- Rad Godesberg DR. STREMPEL Bundesjustizministerium

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