Majorsecke
Es ist wirklich reizend, mit welchem Fleiß und Eifer Sie von Herrn Kempner studiert und angeschrieben werden (Ihre Nr. 9/1950, Briefe: »Gratuliere"). »Canaris-Verherrlicher« - 90 Prozent unserer Politikaster saugen ja aus dem 20. Juli 1944 ihre offizielle Daseinsberechtigung - erfahren jetzt von Kempner: Canaris war ein Mörder, oder gibt es eine noch treffendere Bezeichnung für ihn, da er »durch den ganzen Krieg hindurch junge Deutsche in aussichtslose Todesmissionen geschickt hat«?
Kempner kann wiederum von seinem emigrantischen Standpunkt her mit Recht über Canaris' in Nordamerika gelungene Sabotageeinsätze böse sein. Nun entgehen jedoch Kempner und seinen Freunden drinnen und draußen zwei weitere entscheidende Faktoren: 1. Bis zum bittern Ende (Gisevius) bestand der »Führerbefehl": Die Wehrmacht ist für den SD tabu, worauf streng geachtet wurde, 2. Anfang 1944 wurde Canaris nach »Foreign Affairs« (Veröffentlichung des amerikanischen State Department) eindringlichst aufgefordert, jede weitere Konspiration zu unterlassen.
Das Fazit: Canaris erreichte den Gipfel seiner Intrigen und Mordlust, als er, trotz der über ein Jahrzehnt gegebenen Chancen, die 44er Konspiration so überaus primitiv angelegt starten ließ, daß sie spätestens an der bekannten Majorsecke scheitern mußte.
Hamburg
Dr. KURT KLUGE