POLIZEI Mal was machen
Der Kaufmann Kurt Hereth, 44, wollte von Oberursel am Taunus nach Frankfurt ziehen. Im Anzeigenteil der »Frankfurter Rundschau« sagte ihm das Angebot einer Zweizimmerwohnung zu, möbliert, gute Lage. Ein Makler vermittelte, mit der Vermieterin war Hereth schnell einig -- für ihn »ein ganz normaler Umzug«.
Was folgte, war jedoch außergewöhnlich. Letzte Woche meldete sich die Kripo bei der Wohnungseigentümerin und wollte, so die Vermieterin, »im Rahmen der Terroristenfahndung einige Angaben von mir haben«. Die Dame, erschrocken wegen der Anfrage, nannte Alter und Arbeitsplatz des neuen Mieters, stellte aber einen guten Leumund aus: »Ich halte den Herrn für absolut lupenrein.«
Wegen des Wohnungswechsels hatten Fahnder, einige Tage vorher, auch bei dem Frankfurter Makler Karl Demel geforscht. Zwei Beamte sahen die Karteien, Anträge und Mietabschlüsse durch und »schrieben alles auf«, so Demel über die Aktion, »nicht nur über den einen Herrn; da sind alle überprüft worden«.
In der Tat kein Einzelfall: Wie Hereth werden in Frankfurt seit einigen Wochen, von den Betroffenen meist unbemerkt, Tausende neuer Mieter von der Kripo abgeklopft durch ein Verfahren, das für die Bekämpfung des Terrorismus neue Maßstäbe setzt, in der Methode aber fragwürdig und zudem wenig effektiv scheint.
Es geht darum, konspirative Wohnungen aufzuspüren. Zu diesem Zweck werden Vermittler und Vermieter systematisch über ihre Kundschaft ausgehorcht, für Mieter wie Kaufmann Hereth Anlaß, »rechtliche Schritte dagegen zu überlegen«.
Die Kripo geht gründlich vor. Zunächst wurde den Wohnungsanzeigen der Frankfurter Tageszeitungen von Anfang Januar bis Ende März, insgesamt etwa 15 000, »ein näheres Augenmerk gewidmet«, so die Polizeistrategie. Es blieben etwa 4000 Annoncen hängen, die dem groben Raster eines Terroristenunterschlupfs entsprechen: ausnahmslos 1- bis 3-Zimmer-Wohnungen.
Mit meterlangen Listen, auf denen Angaben über die Wohnungen und die Anbieter stehen, sind die Kripobeamten seit kurzem unterwegs. In den Büros der Makler oder auch telephonisch beim Vermieter holen sie die Daten der Bewohner ein, fragen, erklärt ein Fahnder des Bundeskriminalamtes (BKA), nach der »Art und Weise der Kontaktaufnahme« und vergleichen das mit den »im Grunde genommen immer wieder gleichen Ablaufmechanismen« der verdeckten Anmietung. Daten, die interessant sind, »werden an den Beständen des Computers vorbei. geführt«.
Der Anstoß zu der Aktion am Main kam vom Wiesbadener BKA. Die Bundesfahnder hatten Anhaltspunkte, »daß sich in diesem Raum ein logistisches Zentrum befindet«, da müsse man »mal was machen, so geht das ja nicht weiter«.
Zwar waren es bislang meistens Hinweise aus der Bevölkerung, die auf die Spur konspirativer Wohnungen führten. Aber die anderen, so rechtfertigt das BKA das Großraumunternehmen in Frankfurt, »fallen ja nicht wie reife Früchte vom Baum, das ist mühsamste Kleinarbeit«.
Die Rastermethode scheint nicht ohne Bedenken zu sein. Der Frankfurter Zivilrechtler Spiros Simitis, zugleich Datenschutzbeauftragter für das Land Hessen, rät, solche Mittel allenfalls »sehr vorsichtig zu handhaben«. Sollten die Fahnder mit den gesammelten Mieterdaten gar eine Kartei anlegen, dann könnte das, so Simitis, »kompliziert werden«.
Den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel sieht der Frankfurter Staatsrechtler Erhard Denninger nur gewahrt, wenn es sich bei der Aktion um »eine gezielte Suche« handelt und »nicht nur beliebig nach Terroristen geforscht wird« -- nicht schwer für die
Vor seiner neuen Frankfurter Wohnung
Fahnder, sich stets auf eine heiße Spur zu berufen.
Die auskunftsfreudigen Makler und Vermieter können sich schon leichter ins Unrecht setzen. Denn nicht ausschließen wollen Juristen wie Denninger, daß vertragliche Beziehungen verletzt werden, wenn etwa ein Mieter »Wert auf Diskretion legt und dies zur Bedingung gemacht wurde, was sich auch aus den Umständen ergeben kann«.
Frankfurter Vermittler, die den Fahndern freiwillig Einblick in ihre Geschäftsunterlagen gewährten und über die Wohnungsuchenden Auskunft gaben, glauben, sich der Ausforschung nicht entziehen zu können. Makler Demel, von den Beamten im unklaren über die Hintergründe der Anfragen gelassen, war »sicher, daß es sich gegen Terroristen richtet, da kann man dann nichts machen«. Und ein Kollege aus dem Stadtteil Bornheim entschuldigt sich: »Die hätten ja auch sagen können, sie wollen mal das Gewerbe abchecken.«
Da sind Autovermieter verschlossener. Als sich nach der Schleyer-Entführung Zivilfahnder um die fortlaufende Weitergabe von Mietverträgen bemühten, blitzten sie bei den Verleihern ab, da sonst, so argumentierte einer, »die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kunden gefährdet ist«.
Bei aller Hilfsbereitschaft der Wohnungsvermittler -- bei ihnen scheinen die Fahnder in Frankfurt dennoch an die falsche Adresse geraten zu sein. Der Makler werde längst von Terroristen, die auf Wohnungssuche sind, gemieden, weil er, so BKA-Chef Horst Herold, »verbucht und damit Beweisunterlagen schafft«. Gepflegt werde nur noch »der mehrstufig getarnte Privatkontakt«.