Archäologie Malz und Datteln
Barry Kemp, 50, britischer Ausgrabungsleiter in Achet-Aton, der Hauptstadt des altägyptischen Königs Echnaton, glaubte sich am Ziel seiner Wünsche: Der fein behauene blauschwarze Basalt, den seine Mitarbeiter gerade freigelegt hatten, schien darauf hinzudeuten, daß die Archäologen einen Annex der Palastbibliothek gefunden hatten.
Seit Jahren forscht der Ägyptologe aus Cambridge in der einstigen Pharaonenmetropole nach Zeugnissen über das Leben am Hof des rätselhaften Pharao, der den Kult des Reichsgottes Amun verbot und seinem Volk die Verehrung des Sonnengottes Aton befahl. »Uns war zumute«, erinnert sich Adil Hussein, Vertreter der ägyptischen Altertumsbehörde im Regierungsbezirk El-Minja, »als hätten wir einen neuen Goldschatz gefunden.«
Was die Forscher in Wirklichkeit ausgegraben hatten, entdeckten sie, als in den anschließend freigelegten Räumen die ersten Gefäße und Gerätschaften auftauchten. Zum Vorschein kam die etwa 3300 Jahre alte königliche Brauerei. Sie hatte den Pharao, seine berühmte Frau Nofretete und das Heer seiner Sonnenpriester und Hofschranzen mit »henket« versorgt, dem Lieblingsgetränk der Ägypter.
Die unter einer nur 50 Zentimeter dünnen Sandschicht entdeckten vier Räume des antiken Brauhauses sind erstaunlich gut erhalten - weit besser als alle vergleichbaren Anlagen. Sogar die Tongefäße zum Abfüllen des Gerstensuds und die für den komplizierten Produktionsprozeß unerläßlichen Trockenöfen kamen unversehrt ans Tageslicht.
Reste der vom Sand und von Ägyptens trockener Hitze konservierten Zutaten wie Malz, Getreide und Datteln überdauerten in den Gärbottichen und * Altägyptisches Relief um 2000 v. Chr. Vorratskammern die Jahrtausende. Der Fund liefert einen weiteren Beleg für die Theorie vieler Historiker, daß nach dem - wahrscheinlich gewaltsamen - Tod des »Ketzer«-Pharaos, der das Volk und die traditionelle Priesterschaft vergebens zum Glauben an einen »einzigen Gott« zu bewegen versucht hatte, die Residenz binnen kürzester Zeit aufgegeben wurde. Die Bierbrauer - angesehene Staatsbeamte - fanden keine Zeit mehr, die Geräte zu reinigen und die Zutaten abzutransportieren.
»Wir wissen jetzt sogar, welches Bier der Pharao getrunken hat«, freut sich Barry Kemp. »Man könnte die alten Apparate direkt wieder in Betrieb nehmen.«
Das Uraltbier soll in der Tat wieder nachgebraut werden - in Schottland. Die Scottish & Newcastle Breweries, Sponsor der Ausgrabungen in Achet-Aton, will noch vor Jahresende mit Malz und Gerste, Weizen und Johannisbrot vier Biersorten brauen - nach Rezepten, die von Ägyptologen inzwischen entschlüsselt wurden. Durch die Zugabe von Dattel- und Obstessenzen sowie magenfreundlichen Ölen sollen die Geschmacksrichtungen und der Alkoholgehalt variiert werden.
Zumindest der Export des Pharaonengebräus wird dank moderner Kühltechnik einfacher. Die Biere Altägyptens, die bis nach Syrien und Mesopotamien exportiert wurden, hatten die Brauer einst mit Dattelzucker und höherer Alkoholkonzentration haltbar gemacht.
Eine Gruppe experimentierfreudiger Ägyptologen bezweifelt allerdings, daß die antiken Rezepte ohne Konzessionen an den modernen Geschmack angeboten werden können. Sie haben Echnatons Henket nachgebraut und probiert. »Das Zeug schmeckte scheußlich«, berichtet Rainer Stadelmann, Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo.
Ortsansässige Ägypter werden den Biergenuß ihrer Vorfahren ohnehin nicht nachvollziehen können. Nachdem islamische Eiferer Spirituosenläden angezündet und Hotels bedroht hatten, ist der Regierungsbezirk rund um die Ausgrabungsstätte »trocken«, der Verkauf alkoholischer Getränke an Ägypter unter Strafandrohung verboten. f