»MAN FASST SICH AN DEN KOPF...«
STUTTGARTER
ZEITUNG
Wer die Regierungsaktion in dieser Affäre jetzt zur Kenntnis nimmt, kann unmöglich zur Tagesordnung übergehen. Was hier an Bluff und Tricks, an Lüge und Täuschung, Naivität und Frechheit auf Kosten von Rechtsnormen inszeniert wurde, gestattet auch bei wohlwollendster Betrachtungsweise keine Rechtfertigung und bietet überdies einen schauerlichen Einblick in die Denk- und Verhaltensweise einiger Bonner Politiker und Beamter, denen im Vertrauen auf ihre demokratisch-rechtsstaatliche Gesinnung ein Stück Macht übertragen worden ist.
Das Mißtrauen und die Proteste der Öffentlichkeit und auch die drängenden Fragen im Parlament haben sich als allzu berechtigt erwiesen. Nur mit Kopfschütteln kann man sich daran erinnern, wie etliche CDU- und CSU-Abgeordnete seinerzeit aus falsch verstandener Parteitreue die täuschenden Beschönigungsversuche von der Regierungsbank mit tosendem Beifall quittierten.
FLENSBURGER TAGEBLATT
Nichts stimmte davon. Weder kam Strauß »soeben« vom Kanzler, noch war das Außenministerium informiert, nicht ein einziger Offizier war verhaftet, mit Kuba hatte die Fallex-Geschichte nichts zu tun, und Augstein war Fidel Castro noch genauso fern wie... in seiner Zelle. Man faßt sich an den Kopf; und weiß wirklich nicht, was abenteuerlicher ist: Strauß' souveräner Umgang mit der Wahrheit in der Nacht zum 27. Oktober - oder sein Versuch, sich jetzt, Anfang Februar, allen bösen Erfahrungen zum Trotz der gleichen Methode noch einmal zu bedienen.
(Merkwürdig übrigens, daß Bundesinnenminister Höcherl noch in der vergangenen Woche in seiner Antwort auf die 18 SPD-Fragen behauptete, Strauß seien vor seinem Gespräch mit Oster keine Rechtsauskünfte erteilt worden. Der SPIEGEL-Bericht beweist jetzt das Gegenteil.)
Mannheimer MORGEN
Mit dem Rücktritt eines Ministers ist die Sache aber um so weniger ausgestanden, als sich Franz-Josef Strauß ja mitnichten in die provinzielle Einsiedelei zurückgezogen hat, sondern als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn und als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach wie vor eine der wichtigsten politischen Schlüsselstellungen inne hat...
Frankfurter Allgemeine
So fällt... auf, daß der Bundeskanzler mehr an der Vorbereitung der Aktion beteiligt worden war, als man bisher angenommen hatte. Auch die Rolle des Staatssekretärs Hopf im Verteidigungsministerium scheint nach dem Bericht wesentlich aktiver gewesen zu sein, als man bisher wußte. Sein Verhalten ließ kein Zögern erkennen, als ihm unmißverständlich bedeutet wurde, daß eine Verhaftung von Ahlers in Spanien rechtlich nicht möglich sei, und als er und Strauß davor gewarnt wurden, irgendetwas zu tun, was als Auslieferungsbegehren gedeutet werden könne.
Der Bericht bestätigt in den Widersprüchen und Übereinstimmungen der vier beteiligten Ministerien, daß das Verteidigungsministerium von Anfang an die dominierende Rolle spielte - seit der Zeit, als die Bundesanwaltschaft, ohne den Bundesjustizminister auch nur zu unterrichten, dort um ein Gutachten gebeten hatte.
Für die Unordnung, die aus dem Verteidigungsministerium in die ganze Angelegenheit gebracht wurde, mußte der Verteidigungsminister Strauß mit dem Verlust seines Amtes zahlen. Glaubte die Bundesregierung, die Sache sei damit erledigt? Hatte sie gehofft, die prompte und vollständige Aufklärung aller dubiosen Umstände, wie sie das Parlament verlangt hatte, nun nicht mehr geben zu müssen?
Das Hinhalten und Vertuschen hatte aus der Affäre eine Regierungskrise gemacht. Inzwischen ist auch die Chance, durch geschwinde Publizität etwas von dem verlorenen Kredit schnell zurückzugewinnen, auf dieselbe Weise vertan worden.
Neue Zürcher Zeitung
Bei der Lektüre dieses umfangreichen Dokuments erhält man einen recht fragwürdigen Eindruck von der inneren Kohärenz der Bundesregierung. Bei der Darstellung ein und desselben Vorganges klaffen die Versionen der einzelnen Ministerien, besonders des Verteidigungsministeriums und des Auswärtigen Amtes, oft weit auseinander. Daran ist nicht nur die Unzulänglichkeit des menschlichen Erinnerungsvermögens schuld; offenkundig hat man es hier auch mit politischenSpannungen und persönlicher Rivalität innerhalb des Regierungsapparates zu tun.
Man hat es nun schwarz auf weiß, daß der frühere Verteidigungsminister Strauß es gewesen ist, der die Informierung des Justizministers, des eigentlich zuständigen Ressortleiters innerhalb der Regierung, über die bevorstehende Aktion gegen das »Nachrichten«-Magazin hintertrieben hat. Und ebenso hat sich Strauß, offenbar in leidenschaftlichem Drang, es dem SPIEGEL, seinem Peiniger, nun heimzuzahlen, in die Vorbereitung der Festnahme des SPIEGEL -Journalisten Ahlers auf spanischem Boden eingeschaltet.
Heidelberger Tageblatt
Der Ministerialrat Dr. Kleinknecht vom Bundesjustizministerium soll den Verteidigungs-Staatssekretär Hopf davor gewarnt haben, die Interpol-Organisation zu einem politischen Auslieferungsbegehren zu mißbrauchen und an die Spanier Ansinnen zu stellen, von denen in internationalen Abmachungen nicht die Rede ist. Welch ein Lichtblick: wenigstens ein hoher Ministerialbeamter, der in diesem Spiel das Recht nicht bloß als Werkzeug zu einem »von oben« verordneten Zweck betrachtete.
Frankfurter Rundschau
Bei allen Bemühungen, zu vertuschen, was zu vertuschen geht, läßt der SPIEGEL-Bericht eines klar erkennen: Mit dem Rücktritt von Strauß von seinem Ministeramt ist die leidige Angelegenheit keineswegs aus der Welt geschafft. Nach den Beiträgen, die das Bundesinnenministerium zum Bonner Gemeinschaftswerk geliefert hat, ist eines deutlich:
Auch der 'rehabilitiert' von der vorläufigen Beurlaubung zurückgekehrte Staatssekretär Hopf hat bei der Festnahme des stellvertretenden SPIEGEL -Chefredakteurs Conrad Ahlers in Spanien eine wenig rühmliche Rolle gespielt. Ob Hopf noch der richtige Mann am richtigen Platz ist, erscheint nach dem, was Minister Höcherl über dessen Verhalten zu sagen hatte, sehr fraglich. Von dem Militärattaché in der Spanischen Botschaft, Oberst Oster, ganz zu schweigen.
Doch vor allem erwarten wir vom Bundeskanzler Adenauer klipp und klar Auskunft darüber, ob Strauß sich bei dem spanischen Abenteuer zu Recht auf den Kanzler-Segen berufen konnte. Dieses Thema ist eine neue SPIEGEL -Debatte im Bundestag wert.
Kölnische Rundschau
Für uns junge Demokraten ist es ganz lehrreich, zu erfahren, wie ein Mann im entscheidenden Augenblick das Gesetz des Handelns an sich reißen und seine Ministerkollegen überspielen kann. Interessant auch, wie einem solchen Manne offensichtlich die »Sicherungen« durchbrennen und er behaupten konnte, die SPIEGEL-Affäre stehe im Zusammenhang mit der Kuba-Krise, und Augstein sei schon zu Fidel Castro geflohen.
... was ist das für ein Bild, das die Bundesregierung dabei bietet? Und wie steht es mit der Autorität des Bundeskanzlers, der doch eigentlich in der Lage sein müßte, durchzusetzen, daß die Wahrheit, die ganze Wahrheit ans Licht kommt? Er hatte, wie man hört, »keine Einwände« gegen die Veröffentlichung. Das ist etwas wenig, vor allem deshalb, weil doch jeder weiß, welche Rolle dieser Bericht noch einmal spielen wird bei der Beurteilung des letzten Jahres der Adenauerschen Regierungszeit.
CHRIST UND WELT
(Stuttgart)
Strauß und sein Staatssekretär Hopf hatten bei der ganzen Aktion alle Fäden in der Hand, sie waren die treibenden Kräfte, die ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Prinzipien oder demokratische Institutionentreue ihre Ziele verfolgten. Dabei offenbarten sie ein erschreckendes Maß autoritärer Geisteshaltung. Das gilt insbesondere für den Komplex der Verhaftung des Redakteurs Ahlers in Spanien.
Wer ihn kennt - und sowohl Strauß wie Hopf mußten ihn ja kennen -, der weiß, daß Ahlers angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe sicher ohne jedes Zögern freiwillig nach Deutschland zurückgekommen wäre, wenn man ihn dazu aufgefordert hätte.
Hannoversche Presse
... aus einem solchen Dokument wird eine Handhabung von Regierungsgeschäften erkennbar, die erschreckend ist in dem unbekümmerten, ja teilweise bedenkenlosen Einsatz der Regierungs - und Staatsautorität mit fragwürdigen Mitteln zu fragwürdigen Zwecken.
Wenn man immer hört, bei bedrohlichen Entwicklungen solle man den Anfängen wehren, dann ist zu sagen, daß man in dieser Sache auf dem Wege der Gefahrdung des Rechtsstaates schon ein gutes Stück vorangekommen war und daß es höchste Zeit wurde, etwas dagegen zu unternehmen. Trotzdem hat man auch jetzt noch nicht den Eindruck einer totalen Offenlegung der Zusammenhänge. Erleichtert kann man nach dieser Beichte nicht aufatmen.
Hamburger Abendblatt
Die Öffentlichkeit ist ihrer staatsbürgerlichen Pflicht, für Sauberkeit und Ordnung zu sorgen, wenn es den Politikern nicht gelingt, nachgekommen. Das ist das Erfreuliche. Das Volk kannte die demokratischen Spielregeln und hat sich darin bewährt. Bei diesem SPIEGEL -Bericht wäre es jetzt lediglich darauf angekommen, durch mutiges Bekennen der Fehler, durch Selbstkritik und Einsicht den schlechten Stil der vergangenen Monate zu korrigieren. Alles das ist leider nicht geschehen. In Bonn bleiben manche Westen grau.
Nordwest Zeitung
(Oldenburg)
Die Freunde von Strauß meinen, seine Leistung beim Aufbau der Bundeswehr wiege seine Rolle in der SPIEGEL-Affäre auf und entschuldige selbst die Rechtsverletzung oder Rechtsbeugung bei der Verhaftung des Redakteurs Ahlers in Spanien, der längst wieder seine Freiheit hat, obwohl er der Verfasser des Artikels ist. Nach der Veröffentlichung des SPIEGEL -Berichts gehört viel Treue dazu, um diesen Standpunkt weiter zu verfechten.
Franz-Josef Strauß hat in einer Weise versagt, sowohl bei Beginn des Falles als auch beim Versuch der Aufklärung, die erstaunlich ist bei einem Manne, dessen Klugheit ziemlich einmütig gerühmt worden ist. Vielleicht wurden ihm Informationen über Augstein und Kuba gegeben, die falsch waren, vielleicht aber war er auch nur von allen guten Geistern verlassen und hat Gespenster gesehen, die ihm etwas vorgegaukelt haben, was in keiner Phase der SPIEGEL-Affäre gedroht hat: eine Massenaktion von Landesverrätern, die sich anschickten, die Bundesrepublik in so etwas wie einen »Notstand« zu stürzen.
Deutsche Zeitung
(Köln)
Peinlich wirkten vor allem die Versuche verantwortlicher Politiker, ihre Mitwirkung zu verschleiern. Dabei sind Erklärungen abgegeben worden, die den Tatsachen nicht ganz entsprachen, wie durch die Einzelheiten des SPIEGEL-Berichts jetzt noch einmal bestätigt wird. Die Regierung hätte, statt unkorrekt zu berichten, lieber ganz schweigen sollen. Sie ist nicht verpflichtet, vielleicht nicht einmal berechtigt, über einzelne Tatsachen eines schwebenden Strafverfahrens im Parlament Auskunft zu erteilen. Wenn schon geredet wird, dann muß jedoch die Wahrheit gesagt werden.
Süddeutsche Zeitung
(München)
Soweit aus dem jetzt endlich veröffentlichten SPIEGEL-Bericht der vier Bundesministerien überhaupt so etwas wie Klarheit hervorgeht, ist es die ebenso plastische wie fatale Erkenntnis, in welchem Ausmaß in unserer Bundesregierung durcheinandergefuhrwerkt, quergeschossen und intrigiert wird, und wie wenig in diesem sogenannten Kabinett der Geist des gegenseitigen Vertrauens, der Konsultation und des Respekts vor den Kompetenzen des anderen zu Hause ist. Vom Geist der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit ganz zu schweigen...
Minister Schröder würde nicht so positiv erklärt haben, daß er nicht orientiert wurde, wohl aber zur betreffenden Stunde in Bonn war und hätte unterrichtet werden können (und müssen) - er würde nicht den früheren Ministerkollegen so klirrend desavouieren, wenn er seiner Sache nicht sicher wäre. Ganz zu schweigen davon, daß er in seinem Bericht die abenteuerlichen Dinge bestätigt, die Strauß am Telephon zu Oster gesagt haben soll: Von einem Zusammenhang der Affäre mit der karibischen Krise; von der Verhaftung zahlreicher Offiziere; von einer Flucht Augsteins nach Cuba. Bei einem solch vernichtenden »Du lügst« von Edelmann zu Edelmann hätte man sich früher geschlagen ...
Durfte man ihn (Strauß) wirklich so in Ehren und förmlich mit der Zusicherung baldigen neuen verantwortlichen Wirkens entlassen, wenn zutrifft, wie sehr er in Unwahrheit und halber Wahrheit, in »eigenem Draht« und Kompetenzanmaßung geschwelgt hat? Muß nicht dem Regierungschef, den er dermaßen kompromittiert hat und der ihn trotzdem wie einen Triumphator ziehen läßt, der Verdacht anhängen, er habe aus seinem Herzen eine arge Mördergrube gemacht? Wie überhaupt steht es mit jenem geraden Verhältnis zur Wahrheit, auf dem laut Dehler unsere Demokratie ruht?
DIE ZEIT
(Hamburg)
Man stelle sich einmal vor, wir hätten einen Notstand, einen wirklichen Notstand mit Nachrichtensperre! Was würde da Franz-Josef Strauß nicht nur einem kleinen Militärattaché in Madrid, sondern auch dem Parlament und seinen Kabinettskollegen wohl alles aufbinden, wo er es jetzt bereits in viel überschaubareren Verhältnissen mit Erfolg getan hat? Er hätte den »Draht«, und wir hätten das Nachsehen. Rechtzeitig - so wie es im SPIEGEL-Fall möglich war - könnten wir dann jedenfalls nicht mehr nachprüfen, wo in seinen Auskünften die Dichtung beginnt und die Wahrheit endet.
Westdeutsches Tageblatt
(Dortmund)
Erschütternd bleibt vor allem, nachlesen zu müssen, wie Minister und Staatssekretäre mit dem Recht umsprangen. Obwohl sowohl der ehemalige Verteidigungsminister Strauß wie auch sein Staatssekretär Hopf vorsorglich auf die Rechtslage hingewiesen worden waren, veranlaßten sie die Verhaftung von Ahlers in Spanien »etwas außerhalb der Legalität«, wie Bundesinnenminister Höcherl dies im Bundestag unlängst zu verniedlichen suchte. Was soll die Öffentlichkeit von Politikern halten, die eine solche Einstellung gegenüber Recht und Gesetz zeigten, wie dies in Bonn erkennbar wurde?
Heute steht fest, daß Strauß von Anfang an die Fäden beim Vorgehen gegen den SPIEGEL fest in der Hand hatte. Das ist für den früheren Verteidigungsminister um so peinlicher, als nun verstärkt der Verdacht auftauchen könnte, es habe sich lediglich um einen Racheakt gegen das Nachrichten-Magazin gehandelt, das die Praktiken von Strauß wiederholt im Fadenkreuz seiner Angriffe hatte.
Hamburger
ECHO
Wir haben die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, daß eines schönen Tages sowohl die Strafgerichte wie das Bundesverfassungsgericht die notwendigen Konsequenzen aus den im SPIEGEL -Komplex wirklich vorgekommenen staatsgefährdenden und verfassungsverräterischen Handlungen ziehen werden. Das wird sich dann allerdings nicht gegen den SPIEGEL und seine Redakteure, sondern gegen diejenigen richten, die es unternommen haben, mit der Aktion gegen den SPIEGEL die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Grundrechte aus den Angeln zu reißen.