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VISUMPFLICHT »Mehr Druck aus der Gesellschaft nötig«

aus DER SPIEGEL 12/1997

Der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir, 31, zur Visumpflicht für Ausländerkinder und zur doppelten Staatsbürgerschaft

SPIEGEL: Die Verordnung des Bundesinnenministers zur Visumpflicht für Ausländerkinder wurde letzte Woche von Bundestag und Bundesrat in einem wichtigen Punkt entschärft: Ein Großteil der hier aufgewachsenen Kinder muß eine Aufenthaltsgenehmigung nicht beantragen, sondern bekommt diese von deutschen Ämtern automatisch erteilt. Sind damit Ihre wichtigsten Bedenken ausgeräumt?

ÖZDEMIR: Nein, wir haben jetzt die Visumpflicht light. Die SPD-Länder hätten die Regelung zu Fall bringen müssen, statt Herrn Kanther aus der Patsche zu helfen. Der integrationsfeindliche Charakter der Verordnung ist gar nicht aus der Welt zu kriegen. Das Papier, das für die Kinder aus den ehemaligen Anwerbeländern angemessen wäre, ist nicht eine Aufenthaltsgenehmigung, sondern ein deutscher Paß.

SPIEGEL: Überlegungen, das Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren, gibt es auch bei jungen CDU-Bundestagsabgeordneten. Sehen Sie Chancen für parteiübergreifende Initiativen?

ÖZDEMIR: Der Spielraum der sogenannten Jungen Wilden in der CDU ist sehr eng. Das hat die Diskussion um die Visumregelung gezeigt. Aber wir müssen dennoch auf einen interfraktionellen Antrag hinarbeiten.

SPIEGEL: Wie könnte ein All-Parteien-Kompromiß aussehen?

ÖZDEMIR: Die Grünen und Teile der Linken müßten sich von der Ideologie verabschieden, daß die doppelte Staatsbürgerschaft die Lösung aller Menschheitsprobleme ist. Die ist kein Selbstzweck. Für die Gastarbeitergeneration sollten wir die doppelte Staatsbürgerschaft großzügig anerkennen. Die folgenden Generationen sollten die doppelte Staatsbürgerschaft nur bis zum 21. Lebensjahr bekommen, danach müssen sie sich für die eine oder die andere Staatsbürgerschaft entscheiden.

SPIEGEL: Warum hat es nicht bisher schon überparteilich geklappt?

ÖZDEMIR: Möglicherweise sind wir nicht kräftig genug. Da ist mehr Druck aus der Gesellschaft nötig. Vielleicht müßte sich auch der Bundespräsident einschalten, um uns weiterzuhelfen.

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