Am 20. Oktober 1983 schlug die Zentrale des US-Geheimdienstes CIA Alarm: Im Libanon, so die Warnung, plane eine pro-iranische Fraktion einen Anschlag gegen eine amerikanische Einrichtung. Genaueres konnten Amerikas Agenten allerdings nicht in Erfahrung bringen.
Drei Tage später raste ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen ins Hauptquartier der in Beirut stationierten Marineinfanteristen. 241 Soldaten starben durch die Explosion des Höllenmobils.
Gut, aber nicht gut genug, so lautet auch heute noch das Urteil über die Arbeit der rund 18 000 CIA-Geheimdienstler. Ihr Hauptquartier liegt in Langley, nahe Washington: Aufgabe der CIA (Central Intelligence Agency) ist vor allem Auslandsaufklärung, also Spionage und Datenanalyse. Die rege Sammlertätigkeit der Beamten unter dem Direktor William Casey, 71, wird überschattet von spektakulären Auslandseinsätzen:
Die »Firma« subventioniert - nach einer langen, seit Vietnam verordneten Abstinenz - jene fernen Aufstände, die Präsident Ronald Reagan zwar politisch unterstützt, aber nicht offiziell fördern kann.
Mit bisher 73 Millionen Dollar half der Dienst den antisandinistischen Rebellen in Honduras und Nicaragua. Er koordinierte Training und Transport der Contras, versorgte die Rebellen mit der notwendigen Kommunikationstechnik. Die CIA plante ihre Angriffe auf den Flughafen von Managua und die Öl-Löschanlagen in Puerto Sandino. Außerdem lieferte sie Menschen und Material für die Verminung der nicaraguanischen Häfen.
Der schmutzige Krieg in Mittelamerika ist auch intern nicht unumstritten. Vergebens versuchte die CIA vergangenes Jahr, die Verantwortung für die Contra-Operation an das Pentagon abzugeben. Sowohl Verteidigungsminister Caspar Weinberger als auch die US-Stabschefs lehnten die Aufgabe strikt ab.
Noch intensiver als in Nicaragua will die CIA in Afghanistan mitmischen. Für jährlich mehr als 75 Millionen Dollar liefert sie Waffen und Munition. Das sei gleichwohl zu wenig, behaupten in überraschender Einmütigkeit afghanische Widerstandskämpfer und oppositionelle, liberale Demokraten in Washington.
Die Zahl solcher »verdeckten Operationen« ist unter Reagan kräftig angestiegen: Zur Zeit sollen über 50 Sabotage-Kampagnen im Ausland laufen. Das ist ein deutlicher Aufwärtstrend im Vergleich zur Amtsperiode des CIA-Direktors Stansfield Turner, der mit Jimmy Carters Hilfestellung 800 Agenten feuerte.
Reagan hat neue Pläne für seine Agenten. Sie sollen an vorderster Front weltweit den Terrorismus bekämpfen. Dafür sind bereits Spezialeinheiten aufgestellt worden, die jederzeit und überall eingesetzt werden können: Dies erfuhren die überraschten US-Kongreßmitglieder kürzlich aus ihren Morgenzeitungen.
Angeblich hat die CIA auf dem Gebiet der Terrorbekämpfung den Eifer einiger Beamter der Reagan-Administration sogar dämpfen müssen. Den Antrag, Killerkommandos aufzubauen, die erkannte Terroristen notfalls präventiv erschießen sollten, habe die CIA mit dem Hinweis auf ihre gesetzlichen Grundlagen abgelehnt.
Kooperativer zeigte sich der Geheimdienst bei den anderen Aufgaben, die Reagan ihm zugedacht hat: Verhinderung des Technologie-Transfers in die Sowjet-Union und internationale Drogenbekämpfung.
1981 richtete die CIA eine Abteilung ein, die zu analysieren versucht, an welchen
Computern der Kreml interessiert ist und wie er sie beschaffen kann. CIA-Mitglieder behaupten stolz, daß die vermehrte Ausweisung sowjetischer Diplomaten aus westlichen Ländern - allein 1983 sind 135 Kreml-Diplomaten ausgewiesen worden oder in westliche Länder übergelaufen - auch auf ihre Arbeit zurückzuführen sei.
Auch die internationale Drogenindustrie, jährlicher Umsatz etwa 80 Milliarden Dollar, wird zum Gegner für Caseys Agenten. CIA-Beamte arbeiten in den Zentren der Banken-Paradiese auf den Bahamas, den Cayman-Inseln und in Hongkong, in denen das Drogen-Geld gewaschen wird. Spionage-Satelliten versuchen vom Weltraum aus, den Umfang der jährlichen Ernten in den Zentren des Rauschgiftanbaus abzuschätzen.
Neben optischer und elektronischer Aufklärung aus dem Weltraum setzt Washington auch wieder menschliche Spione ein. Mit viel Geld heuern die Beamten von Langley vor allem Wirtschaftsexperten, Wissenschaftler und Diplomaten aus Ostblock-Ländern an.
Die Sowjetabteilung der CIA hat indes, so zutreffend ihre Analysen wirtschaftlicher und militärischer Entwicklungen auch sein mögen, bei der Vorhersage aktueller politischer Ereignisse kein Glück. Die Wahl Tschernenkos zum Andropow-Nachfolger überraschte die CIA ebenso wie Moskaus Boykott der Olympischen Spiele von Los Angeles.