»Mein Junge, ob das so richtig ist«
Conny Ahlers, des Kanzlers kesse Lippe, fand als erster die Sprache wieder: »Da jagen die Staatsanwälte hinter hundert Journalisten her, und die eigenen Leute hängen mittendrin.«
Mittendrin hingen die Parlamentarischen Staatssekretäre der Bundesregierung Wolfram Dorn (FDP) aus dem Innen- und Joachim Raffert (SPD) aus dem Wissenschaftsministerium. Ihre Namen standen unter zwei Dokumenten, die Bonns Staatsanwaltschaft bei den Hausdurchsuchungen in den Räumen der Oppositionszeitschrift »Quick« und des Heinrich-Bauer-Verlages sichergestellt hatte.
Doch erst aus dem SPIEGEL erfuhren die Fahnder, welchen Fang sie gemacht hatten. Die beiden Oberstaatsanwälte Werner Pfromm und Bruno Schwellnus konnten sich lediglich an die Meldung eines Sachbearbeiters nach der »Quick«-Durchsuchung erinnern: »Da hängen auch zwei Abgeordnete drin.«
Als sie dann letzten Montag im SPIEGEL lasen, Dorn und Raffert hätten bei jenem Illustrierten-Konzern unter Vertrag gestanden, der mit der Preisgabe von Geheimdokumenten das Kabinett Brandt/Scheel zu stürzen trachtete, ließen sie sich das Bündel konfiszierter »Quick« -Akten kommen. Gegen Mittag hatten sie die beiden Beweisstücke gefunden, die Originale von zwei mit monatlich 3000 Mark dotierten Beraterverträgen.
Und da das Amtsgericht Bonn nicht gezögert hatte, eine Beschlagnahmeverfügung für die beiden Verträge auszustellen, kam zu der Peinlichkeit der Beratungsverhältnisse zwischen Regierungsmitgliedern und Oppositionspresse der Ruch des Verdachts, die Staatssekretäre hätten sich gar noch strafbar gemacht -- entweder wegen Geheimnisverrat oder wegen Bestechung. Die sozialliberale Regierung hatte ihren jüngsten Skandal.
Ein Tip seines Bundesinnenministers Hans-Dietrich Genscher, zwei Regierungsmitglieder stünden im Solde des Gegners, hatte den Bundeskanzler schon eine Woche zuvor erreicht. Acht Tage lang schwankte Willy Brandt zwischen Selbstkritik und der vagen Hoffnung. der neueste Eklat der sozialliberalen Regierung lasse sich bis zu den Wahlen vertuschen.
Zweifel an dem Tip waren zerstoben, als die beiden Verdächtigen -- von ihren Dienstvorgesetzten, Genscher und Wissenschaftsminister Klaus von Dohnanyi, peinlich befragt -- gestanden.
In Bonn bahnte sich nach den Berater-Skandalen um CDU-Barzel (Henschel-Honorar: 60 000 Mark), FDP-Geldner (Honorar der Papierfabrik Beyer: 40 000 Mark) und SPD-Wienand (Paninter-Bezüge: 162 500 Mark) die jüngste Affäre im Zwielicht zwischen Geld und Politik an, dem anrüchigen Grenzbereich politischer Korruption.
Noch wollte keiner die Konsequenzen ziehen. Bauer-Berater Dorn war sich keiner Schuld bewußt und beharrte darauf, weiter als Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium Dienst zu tun.
Bauer-Berater Raffert plagten eher Skrupel. Er verkroch sich in sein Bonner Abgeordneten-Büro: »Seit die Sache ruchbar wurde, habe ich das Ministerium nicht mehr betreten, außer wenn mein Minister mich rufen ließ.«
Grüblerisch suchte Kanzler Brandt die Schuld auch bei sich. Er habe nicht darauf gedrungen, den Parlamentarischen Staatssekretären Nebenbetätigungen generell zu verbieten. Brandt: »Daran bin ich mit etwas schuldig.«
Erst als die Regierung davon hörte, daß die lukrativen Geschäftsbeziehungen der beiden Staatssekretäre bekanntwerden würden, betrieb der Kanzler die Trennung vom Bauer-Duo.
Am Freitag vorletzter Woche ließ er sich vom amtierenden Kanzleramtschef Egon Bahr eine Rüge formulieren und sprach sie am Rande der heiteren Spiele in München aus. Absicht der Kanzler-Rüge ("Der Herr Bundeskanzler ... hätte es aus politischen Gründen für geboten gehalten, einen solchen Vertrag --- nicht zu unterhalten"): Da das Gesetz über die Parlamentarischen Staatssekretäre eine Nebenbeschäftigung gegen Entgelt nicht ausschließt, die beiden also disziplinarisch nicht belangt werden konnten, sollten sie zum freiwilligen Rücktritt gezwungen werden.
Doch die Herren bequemten sich trotz der Kanzler-Schelte erst, als Presse, Parteijugend und Basis Bauers Doppelkopf in der Regierung forderten.
Die linksliberale »Frankfurter Rundschau« rief »aus moralischen Gründen nach Konsequenzen«, und die koalitionsfreundliche Münchner »Abendzeitung« empörte sich: »Was ... muß denn noch alles geschehen, ehe einem Verantwortlichen etwas geschieht?« Auch die betuliche »FAZ« forderte knapp: »Der Mann (Dorn) sollte seinen Hut nehmen.«
Der Bundesvorstand der Jungsozialisten geißelte Rafferts Nebenbeschäftigung als »abenteuerlich und politisch verantwortungslos«. Die Jungdemokraten zeigten sich »bestürzt« über die »traurige Affäre« und bezeichneten Dorns Verhalten als »besonders fragwürdig«.
Am Dienstagvormittag letzter Woche endlich drangen die Genossen im Bonner SPD-Fraktionsvorstand auf den Raffert-Vorgesetzten Klaus von Dohnanyi ein, ob der Staatssekretär denn nun die Konsequenzen ziehen werde. Der Wissenschaftsminister. seinerseits an Rafferts Abgang interessiert, bat um Geduld: »Laßt uns noch eine Stunde Zeit, dann sieht die Sache anders aus.«
Während dieser Mittagsstunde stellten die Sozial- den Freidemokraten ihre Bedingungen: Dohnanyi ziehe seinen Raffert nur dann aus dem Verkehr, wenn Genscher auch seinen Dorn wegschicke. Vom Feldbett einer provisorischen Grenzschutzunterkunft im olympischen München preßte Innenminister Genscher seinem engsten Mitarbeiter und Parteifreund daraufhin telephonisch den freiwilligen Rücktritt ab.
Zur gleichen Zeit entfaltete Dohnanyi vor der SPD-Fraktionsspitze im Bonner Bundeshaus um 14.30 Uhr ein Schriftstück: »Genossen, hier ist was zu verlesen.« Er verlas den Raffert-Rückt ritt.
Die Opposition war während der kritischen Tage erstaunlich zurückhaltend geblieben. Denn die christdemokratischen Wahlstrategen kamen rasch zu der Erkenntnis, der CDU/CSU stehe es in diesem Fall schlecht an, den Rücktritt der beiden Bauer-Parlamentarier zu fordern. Einmal lasse sich der Kontakt mit einem Verlagshaus, das den Unionschristen so gewogen ist, schlecht als unehrenhaft darstellen, zum anderen sei die Union auf dem Gebiet der Beraterverträge selber besonders verwundbar.
»Nach Art eines ehrbaren Kaufmanns
Die Christdemokraten konnten überdies nicht verhindern, daß ein eigener Mann als dritter Bauer-Berater enttarnt wurde. Zur gleichen Zeit wie Dorn und Raffert hatte auch der CDU-Abgeordnete Heinrich Gewandt seinen Dienst für das Hamburger Verlagshaus angetreten.
Wie die drei an die Bauer-Tankstelle gelangt waren, läßt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Der damalige Oppositionsabgeordnete Wolfram Dorn will schon im Frühjahr 1969 -- lange vor der Bundestagswahl und der Bildung der sozialliberalen Koalition -- auf den Gedanken gekommen sein, seiner FDP zuliebe, die keine eigene Sympathisantenpresse besitzt, Anlehnung an ein großes Verlagshaus gesucht zu haben.
SPIEGEL und »Stern« seien ihm zu links erschienen, der Springer-Konzern zu rechts, so daß er den seinerzeit noch konturenlosen Bauer-Verlag für die politischen Vorstellungen der Freidemokraten gewinnen wollte. Bauer-Honorar: 3000 Mark monatlich.
Berater-Kollege Raffert will gar in höherem Auftrag gehandelt haben. Ein Ruf des damaligen Barackenfunktionärs und Wahlkampfmanagers Werner Müller ("Kümmert euch mal um den Bauer-Verlag") und die Weisung der Barackenspitze hätten ihn -- so seine Verteidiger heute -- förmlich in den Beratervertrag hineingetrieben. Bauer-Honorar: 3000 Mark monatlich.
Den CDU-Konkurrenten Heinrich Gewandt, Drogist und Mittelstandspropagandist der Union, schließlich brachten angeblich berufliche Interessen ins Geschäft mit Bauer. Als einziger der drei kassiert er heute noch, doch -- so die CDU letzte Woche -- nicht aus einem »politischen Beratervertrag«. Sein Interesse an dem Hamburger Verlagskonzern sei rein wirtschaftlicher Natur. Als Vorsitzender des Beirats einer Verlags- und Werbegesellschaft, die eine Fachzeitschrift und Kundenzeitung herausgebe und neue Medien für die berufliche Fortbildungsarbeit erschließen wolle, liege eine Berater-Bindung nahe. Bauer-Honorar: 3000 Mark monatlich.
So differenziert die drei Volksvertreter heute ihre Motive darzustellen suchen, so einfach sah der Bauer-Verlag das Abgeordneten-Geschäft damals. Mit allen dreien schloß er im Herbst 1969 Verträge ab, die nicht nur in der Honorierung übereinstimmten, sondern auch im Wortlaut. Für die Dauer von zwei Jahren verpflichteten die Bauer-Manager ihre Parlaments-Partner, den Verlag über Probleme, die »im beiderseitigen Interesse liegen, nach Art eines ehrbaren Kaufmannes« zu informieren.
Einheitlich auch erhielt der anderthalbseitige Vertragstext eine peinliche Klausel, die Gültigkeit und Laufzeit der Abmachung an das Abgeordnetenmandat bindet.
Die Bauers hatten die Berater mithin nie im Zweifel darüber gelassen, daß ihr Rat nur dann Geld wert sei, wenn sie bei der Herbstwahl 1969 ins Parlament kämen und nur so lange, wie sie Abgeordnete blieben.
Industriekaufmann Dorn, der nach dem Machtwechsel 1969 zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium seines FDP-Kollegen Genscher aufgestiegen war, kassierte und schwieg: »Ich hatte nichts zu verschweigen, aber auch keine Veranlassung, das an die große Glocke zu hängen.«
Journalist Raffert, den der Aufstieg seines Vorgängers Klaus von Dohnanyi Anfang dieses Jahres ins Staatssekretäramt hochgespült hatte, kassierte und will nicht geschwiegen haben. Er gibt an, ein Mitglied des SPD-Vorstandes und später auch seinen Minister über die Geschäftsverbindung informiert zu haben -- doch keiner kann sich mehr daran erinnern.
SPD-Ex-Geschäftsführer Hans-Jürgen Wischnewski: »Das halte ich für ausgeschlossen.« Wischnewski-Nachfolger Holger Börner: »Glatter Unsinn.« Wissenschaftsminister von Dohnanyi: »Auch ich hatte keine Ahnung.«
Der einzige, der sich an Raffertsche Andeutungen erinnert, er sei mit »den Bossen vom Bauer-Verlag« zusammengetroffen, ist der sozialdemokratische PH-Professor für Politologie und Rafferts Fachkonkurrent für Bildungsfragen in der SPD-Fraktion, Ulrich Lohmar. Der Professor will den Staatssekretär gewarnt haben: »Mein Junge, ob das so richtig ist mit denen da.«
Seine Subvention offenbarte Raffert freilich nur einem -- und dies auch nur in verschlüsselter Form. Dem Bonn-Porträtisten Ernst ("Ego") Goyke ("Die 100 von Bonn") diktierte er 1970 unter dem Stichwort »Finanzen« ins Protokoll: »Zu seinen Bundestagsdiäten verdient Raffert als Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und Zeitschriften monatlich rund 3000 Mark brutto hinzu.«
CDU-Gewandt fand ohnedies nichts Anrüchiges am Bauer-Geld und hatte sich seinen Freunden frühzeitig erklärt. Gewandt: »Barzel hat es gewußt.« Dem einstigen Henschel-Berater Rainer Barzel gegenüber brauchte sich Gewandt um so weniger seines »zweiten Beines« zu genieren, als sich der Sex-Konzern von 1970 an zum publizistischen Beihelfer der Opposition gewandelt hatte und darauf aus war, mit angeblichen und echten Enthüllungen über Bonns Ostpolitik die sozialliberale Regierung zu stürzen.
Zwar will Dorn, ostpolitischer Geheimnisträger und Mitglied von Willy Brandts Verhandlungsdelegation in Erfurt und Kassel, ein Vierteljahr nach dem Verrat der Bahr-Papiere in »Quick« aufgemuckt haben; in einer vertraulichen Aussprache mit den beiden Bauer-Bossen Siegfried Moenig und Manfred Hintze in Hamburgs Luxushotel »Atlantic« am 29. Oktober 1970 monierte er die Regierungsfeindlichkeit der »Quick«-Eigner. Aber erst im Frühjahr 1972, knapp 30 000 Mark nach dem ersten »Quick«-Schuß, kündigte er den lukrativen Beratervertrag. Bis zum Auslaufen im September 1971 wurden noch einmal 18 000 Oppositionsmark auf Dorns Konto überwiesen -- seit Vertragsbeginn zusammen über 70 000 Mark.
Raffert verdiente länger. Ihn störte die Zusammenarbeit erst, nachdem Bonns Staatsanwälte »Quick«-Redaktion und Bauer-Verlag nach verfänglichen Quittungen durchstöbert hatten. Rafferts Erfolgsrechnung: über 100 000 Mark.
Dorn gab an, er habe seinen Monatswechsel für »interessante Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung« und als Mitglied einer Kommission versprochen bekommen, die sich im Auftrag der Bundesregierung mit Fragen des Niederlassungsrechts in der EWG beschäftigte. Nicht gestört hat es ihn indessen, daß er als Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium »für den Bauer-Verlag in den interessanten Bereichen nicht mehr tätig sein konnte«. Dennoch muß er den Eindruck gehabt haben. auch nach der Regierungsbildung 1969 seine monatlichen 3000 Mark wert zu sein.
In der Tat fand der Minister-Stellvertreter alsbald Gelegenheit, seine politische Aufgabe als Beauftragter für den zivilen Bevölkerungsschutz und seine Nähe zu Bauer-Mitarbeitern in Einklang zu bringen. Getreu den erklärten Zielen der neuen Bundesregierung, die Aufklärungsarbeit der zivilen Verteidigung »durch geeignete organisatorische und administrative Maßnahmen wirkungsvoller als bisher« zu gestalten (Bericht der Bundesregierung über zivilen Bevölkerungsschutz vom 13. Februar 1970), nahm Berater Dorn Kontakt zum Bonner Bauer-Residenten und »Quick«-Korrespondenten Paul W. Limbach auf. Dorn, für 3000 Mark im Monat bestallt, revanchierte sich bei dem Verlagsrepräsentanten mit einem Gegengeschäft im Wert von 2000 Mark im Monat.
Am 5. Mai 1970 gab Dorn dem Direktor des ihm unterstellten Bundesverbandes für den Selbstschutz (BVS), Wolfgang Fritze, die schriftliche Weisung, mit »Quick«-Limbach einen Werkvertrag abzuschließen. Limbachs Aufgabe: die Öffentlichkeitsarbeit des BVS bei Presse, Funk und Fernsehen zu fördern.
»Das war sicher nicht sehr schön.«
Fritze schloß mit Limbach den Vertrag am 23. Juli 1970. Geld erhielt der BVS-Gehilfe rückwirkend schon ab Mai.
Der Bundesrechnungshof wunderte sich bei seiner Jahreskontrolle über die eigenartigen Abmachungen. Und BVS-Sprecher Bruno Schneider gibt zu: »Das war sicher nicht sehr schön.«
Über seine Dienste für den Selbstschutz ließ der von Bauers Dorn angeworbene Bauer-Mann seine Geldgeber im unklaren. Erst als nach zwei Mahnungen das Honorar zum 1. November 1970 gesperrt wurde, ließ sich Limbach gegen Ende des Monats zu einem Kurzbericht herbei, aus dem seine Auftraggeber über die Wirksamkeit ihres PR-Agenten nichts entnehmen konnten.
Mitte Dezember reiste BVS-Schneider nach Bonn und verfertigte danach einen Unbedenklichkeitsvermerk: »Aus dieser Übersicht und aus den in der Zwischenzeit spürbaren Erfolgen geht hervor, daß er seinen Vertrag erfüllt hat.« Der BVS zahlte weiter.
Doch schon einen Monat später will auch Dorn Bedenken an der Effektivität seines Schützlings gehabt haben. Er ordnete an, den Vertrag nicht zu erneuern. Seine Begründung: Er habe nicht genau über den Inhalt Bescheid gewußt. Erst als er gemerkt habe, um was es dabei gehe, habe er stornieren lassen. BVS-Vize-Präsident Franke, der die Organisation anstelle des erkrankten Fritze leitet: »Es bringt mich auf die Palme, wenn Dorn glaubt, alles auf den Apparat abschieben zu können, und sich als Saubermann hinstellt«
Der Berater kann sich in der Tat kaum mit Unkenntnis herausreden. Denn er wußte exakt Bescheid über die Limbach-Geschäfte: In einer Weisung an den BVS hatte er nämlich dafür gesorgt, »daß alle Aufträge aus dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit nur nach Zustimmung des Parlamentarischen Staatssekretärs« vergeben wurden. Franke weiß: »Dorn hat sich für diese Dinge ungewöhnlich interessiert und sich in alles reingehängt.«
So wußte Dorn auch, daß Limbach weiter teilhatte am lukrativsten BVS-Geschäft. Die Bonner Public-Relations-Firma Guy R. Ley kassierte seit Dezember 1968 mehr als 700 000 Mark vom Selbstschutzverband. Ley ist Mitarbeiter des »Quick«-Korrespondenten Limbach, Limbach. Mitarbeiter von PR-Ley. Das »Quick«-Duo kam unter Dorns Ägide richtig ins Geschäft.
Zu den einträglichen Aufgaben der »Quick«-Leute im Jahre 1970, dem ersten Dienstjahr des Parlamentarischen Staatssekretärs, gehörte es, vier Tagungen der Zivilschutzhelfer ins rechte Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Für den Helfertreff in Mönchengladbach (Auftrag vom 14. Mai 1970) bezogen die Dorn-Schützlinge 95 000 Mark, für die Tagung in Hamburg (Auftrag vom 10. September 1970) 75 000 Mark, in Frankenberg (Auftrag vom 5. Oktober 1970) 60 000 Mark und in München (Auftrag vom 4. November 1970) 60 000 Mark, insgesamt die runde Summe von 290 000 Mark.
Als der Bundesrechnungshof diese spendablen Aufträge nachprüfte, fand er mehrfach Grund zur Kritik. Die Frankfurter Kontrolleure nahmen daran Anstoß, daß Ley und Limbach ohne öffentliche Ausschreibung den Zuschlag bekommen hatten. Der BVS, bei der PR-Arbeit von Dorn an kurzem Zügel geführt, rechtfertigte sich in einem Aktenvermerk, ohne sich salvieren zu können: »Ausschreibungen oder Preisvergleiche sind im Bereich der PR-Maßnahmen nicht durchführbar, da es sich um Leistungen handelt, die auf Grund von Erfahrungen und persönlichen Kontakten beruhen.«
Die zweite Rechnungshof-Rüge: Das »Einschalthonorar« sei allzu großzügig ausgefallen. Die Ley-Firma erhielt für Selbstschutzmeldungen, die sie in die Presse lanciert hatte, ein an der Auflagenhöhe der Zeitungen bemessenes Entgelt. Nach Ansicht der Prüfer hätte es genügt, 3,50 Mark statt fünf Mark pro tausend Auflage-Exemplare auszuwerfen.
»Der Staatssekretär gibt jedem ein Freibier.«
Die Frankfurter Sparbeamten bemängelten auch die seltsame Relation zwischen den Veranstaltungs- und den an das Ley-Haus geflossenen PR-Aufwendungen. Der Rechnungshof staunte: »Etwa die Hälfte der Kosten der Helfertage entfallen ... auf die flankierenden PR-Aktionen.« BVS-Franke weiß auch keine einleuchtende Erklärung: »Sicher, das ist ein beachtliches Verhältnis.«
Anstoß nahmen die Kassenkommissare schließlich an dem spendablen Gebaren Dorns, das er auf Staatskosten bei dem Helferthing in Mönchengladbach gezeigt hatte. Dort ließ er verkünden: »Der Staatssekretär gibt jedem ein Freibier.« Die Rechnung über 914,25 Mark freilich reichte der knauserige Spender bei der Staatskasse ein. Begründung: Die Kosten seien im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit entstanden. Franke erinnert sich: »Das war mein erster negativer Eindruck.«
Ley und Limbach hatten an ihrem Förderer nichts auszusetzen. Sie machten weiter Geschäfte mit dem BVS, priesen Schutzraumbau und Lebensmittelbevorratung, Katastrophenschutz und Selbstschutz für jedermann an -- Aufträge, die Einnahmen von 60 000, zweimal 67 000 und 130 000 Mark brachten.
Die publizistische Auswertung der Studie »Kriegsfolgen und Kriegsverhütung« von Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker durch Ley und Limbach war dem Verband zusätzliche 130 000 Mark wert. Und Anfang dieses Jahres erhielt die Gruppe Ley ihren bislang fettesten Brocken: Für 240 000 Mark soll sie Dorns Weißbuch über die Zivilverteidigung gefällig aufbereitet unter die Leute bringen. Bisherige Abschlagszahlungen: 103 000 Mark.
Beim Abschluß dieses Vertrages ging der Bundesverband erstmals auf das Frankfurter Monitum ein und senkte das Einschalthonorar von fünf auf 3,50 Mark. BVS-Franke über die Ley-Reaktion: »Da wollten die erst gar nicht anbeißen.«
In Dorns erstes Amtsjahr fiel unter dem Datum vom 19. August auch ein schöner Auftrag (150 000 Mark) für den Limbach-Freund Hans Meyer ab, den der Bonner »Quick«-Mann bei Fritze eingeführt hatte.
Ober das Geschäft mit Meyer, der in Salzburg die Firma Meyer-Press betreibt, gibt es im Kölner Selbstschutzverband keine Unterlagen. »Entgegen jeder Verwaltungsübung«, so kritisierte der Bundesrechnungshof, »wurde auch in diesem Falle nur mündlich verhandelt und kein schriftlicher Auftrag erteilt.«
Aus den Akten geht nur hervor, daß Meyer sich trotz mehrfachen Drängens nicht in der Lage sah, ein detailliertes Konzept mit konkreten Kosten- Angaben für die Produktion der Werbebroschüre »Wir« vorzuweisen. In einem Brief an seinen Mäzen Fritze entschuldigte sich Meyer, daß sein Unternehmen »mit derartigen buchhalterischen Dingen bisher sehr wenig zu tun« gehabt habe.
In einer Besprechung vom 9. Dezember 1970 mit den Haushaltsreferenten des Zivilschutzes ließ Dorn den Limbach-Freund Meyer fallen. Nachträglich monierte er die Auftragsvergabe, nur 60 000 Mark wurden ausgezahlt.
Gegenüber den zuständigen Beamten gab sich der Staatssekretär in derselben Besprechung zudem als sparbewußter und strammer Organisator, der die Aufklärungsarbeit über den Selbstschutz nunmehr zentralisieren wollte.
Im Sitzungsprotokoll hielt BVS-Verwaltungsrat Klaeren die Klage Dorns über »eine zu große Verzettelung auf dem Gebiet des periodischen Schrifttums« fest und notierte die Weisung. vier Hausblättchen einzustellen und durch einen »zentralen Informationsdienst« zu ersetzen, ein »ZS-Magazin«.
Die vier eingestellten Aufklärungsschriften hatten bis dahin jährlich 1,2 Millionen Mark gekostet, das neue Zentralorgan kostet seither 1,5 Millionen Mark pro Jahr.
Doch was wie eine Sparmaßnahme erschien, erwies sich als Kostensteigerung zu Lasten der Staatskasse. Und den Profit sahnte ein enger Geschäftsfreund Dorns ab.
Den Auftrag für das neue »ZS-Magazin -- Zeitschrift für Zivilschutz, Katastrophenschutz und Selbstschutz« erhielt der Verlag P. A. Santz im westfälischen Altena, dem Geburtsort des Staatssekretärs. Inhaber laut Handelsregister: der Redakteur Karl Mintenbeck; Mintenbeck-Kommanditistin: Dorns Ehefrau.
»Wer weiß, was der noch alles gemacht hat.«
Gemeinsam mit Thea Dorn hatte Mintenbeck am 18. September 1970 die »Verlagsgesellschaft Karl Mintenbeck KG« gegründet. Einlage: 20 000 Mark. Sitz der Firma: Bonn, Am Zinnbruch 6, der Privatadresse des Staatssekretärs. Laut Handelsregister sind »Gegenstand der Gesellschaft« die Herausgabe und der Verlag von Druckwerken, Vermittlung von Anzeigengeschäften und Public Relations.
Zu Beginn dieses Jahres startete Franz Josef Straußens »Bayernkurier«, von einem Verbindungsmann aus der Kölner Selbstschutzzentrale informiert, unter der Schlagzeile »Lukrativer Staatsauftrag für Dorn-Freund« eine mehrteilige Kampagne.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Anton Ott, Wirtschaftsprüfer in Augsburg, stieß nach. Von der Bundesregierung wollte er wissen, ob Dorn dem ihm befreundeten Verleger den Auftrag zum Herstellungspreis von monatlich 93 000 Mark »zugespielt« habe, obwohl der Kölner Bachem-Verlag einen Preis von 68 000 Mark offeriert hatte.
Dorn und sein Dienstherr Hans-Dietrich Genscher wehrten sich. Dorn: »Ich war weder direkt noch indirekt an der Auftragsvergabe beteiligt.« Und Genscher: »Richtig ist vielmehr, daß der Auftrag auf Grund eines ordnungsgemäßen Ausschreibungsverfahrens ... vergeben worden ist.«
Tatsächlich hatte eine »Vergabekommission« des BVS die Firma Santz empfohlen. Mit diesem Verlag hatte indes der Bundesverband vor Dorns Amtsantritt, wie BVS-Vize Franke beteuert, »nie zuvor zusammengearbeitet«. Franke kann sich die überraschende Beteiligung des Thea-Dorn-Partners Mintenbeck an dem nichtöffentlichen Auswahlverfahren nur so erklären: »Santz ist da eingespielt worden.«
Die notwendigen Betriebsbesichtigungen bei vier in die engere Wahl gezogenen Verlagen, darunter auch dem Altenaer Betrieb, hatte Dorns ehemaliger persönlicher Referent 0. Ulrich Weidner übernommen. Der Dorn-Vertraute Weidner beschied den Selbstschutzverband, daß die Firma Santz über die erforderlichen Kapazitäten verfüge, die monatlich rund 100 000 Magazin-Exemplare herzustellen.
Weidner wurde Chefredakteur des im Santz-Verlag herausgegebenen Magazins. gedruckt wurden die Hefte aus technischen Gründen allerdings bei der Firma Kemper in Meinerzhagen. Die
* Links: »Quick«-Redaktionsleiter Heinz van Nouhuys.
graphische Gestaltung des Blattes besorgt Gabriele Mintenbeck, Tochter des Dorn-Freundes und Thea-Teilhabers.
Geschmack am leicht verdienten Bauer-Geld hatte ebenso wie Dorn der ehemalige Journalist Raffert gefunden, der sich mit einer monatlichen Unterstützung seines früheren Arbeitgebers, der SPD-Zeitung »Neue Hannoversche Presse«, hatte bescheiden müssen. Der gelernte Zeitungsmann hatte als Mitglied der SPD-Medienkommission intimen Einblick in die Absichten der Regierungspartei zur Beschränkung der Konzentration im deutschen Verlagswesen -- Top-Informationen für Deutschlands drittgrößten Pressekonzern Bauer.
In der Arbeitsgruppe Presse der SPD-Bundestagsfraktion plädierte Raffert im Sinne der Großverleger dafür, »die Pressefusionskontrolle nicht in die Kartellgesetznovelle« (Sitzungsprotokoll vom 3. Mai 1971) aufzunehmen, sondern den Konzernen eine Sonderregelung einzuräumen.
Als der neubestellte Wissenschaftsminister von Dohnanyi im März dieses Jahres Raffert, verdientes Mitglied der SPD-Kanalarbeiterriege, zu seinem Parlamentarischen Staatssekretär kürte, verlangte er von seinem Stellvertreter, auf jegliche Nebenerwerbsstellen zu verzichten.
Schweren Herzens gab der engagierte Puppenspieler und Fachbuchautor ("Die Handpuppe, Herstellung und Spiel") den Präsidentenjob der deutschen Filmförderungsanstalt auf, der ihm willkommene Gelegenheiten geboten hatte, neben Filmsternchen in der »Halbwelt für Politiker« (Bundestagsvizepräsident Hermann Schmitt-Vockenhausen) zu posieren.
Die Bauer-Bindung, von der sein Minister keine Ahnung gehabt haben will, löste Raffert nicht auf. Zu seiner Rechtfertigung führte der diskrete Lobbyist nach seiner Enttarnung an: »Ich habe zur 'Quick'-Redaktion keinerlei Verbindung gehabt, kein Stück.«
Tatsächlich war Raffert aber noch im März dieses Jahres bei einem Bierfest der »Quick« in München als Festredner aufgetreten und hatte sich mit Redaktionsleiter Heinz van Nouhuys, Chefredakteur Wilfried Ahrens und dem Bonner »Quick«-Beschaffer Paul W. Limbach ablichten lassen. Noch vor wenigen Wochen war der Staatssekretär in Bonn mit Limbach zum Mittagessen verabredet.
Kanzleramts-Minister Horst Ehmke, der sonst immer alles besser weiß, rätselte letzte Woche in München zwischen zwei Olympia-Partys: »Wer weiß, was der noch alles gemacht hat.«
Die Geldmacher Dorn, Raffert und Gewandt kennen nicht als einzige das Rezept, wie man mit geringem Aufwand seine Diäten aufbessern kann. Prominente Vorbilder:
* CDU-Kanzlerkandidat Rainer Barzel kassierte, als er stellvertretendes Mitglied des Verteidigungsausschusses war, von 1959 bis 1961 von der Rüstungsfirma Henschel ein 60 000-Mark-Honorar, davon allein 10 000 Mark für ein noch nicht angefertigtes Gutachten;
* SPD-MdB Karl Wienand bezog von der inzwischen nicht mehr existenten Fluggesellschaft »Paninternational«, die vom Luftfahrtbundesamt und vom Bonner Verkehrsministerium mehrfach gerügt worden war, Schecks über insgesamt 162 500 Mark;
* FDP-MdB Karl Geldner schloß ein halbes Jahr, nachdem er Abgeordneter im Deutschen Bundestag geworden war, mit dem CSU-nahen Tütenfabrikanten Anton Beyer einen Beratervertrag über 40 000 Mark;
* CDU-MdB Ludwig Erhard ließ sich sein Prestige als Ex-Kanzler in den Diensten der Investmentfirma Argenta mit monatlich 12 000 Mark honorieren. Als Lobbyist für Geflügel und Fette bei der Bauer International Corporation, New York, verbuchte er ein Jahresentgelt von 16 000 Dollar und reichlich bemessene Spesen:
* CDU-MdB Erich Mende (früher FDP) bürgte für ein 100 000-Dollar-Jahresgehalt mit seinem Image als ehemaliger Vizekanzler deutschen Sparern für die Bonität von Bernie Cornfelds inzwischen pleitegegangenem LOS-Fonds. Danach beriet er die Bonnfinanz, eine Tochter des Versicherungs-Konzerns »Deutscher Herold«. Die gutbezahlte Tätigkeit dieser Abgeordneten wird ebenso wie die professionelle Beraterfunktion von Anwälten wie CSU-Höcherl, von Verbandsfunktionären wie CDU-Dichgans und Aufsichtsräten wie FDP-Menne so lange im Zwielicht unzulässiger Vermengung von Politik und Geschäft bleiben, wie sich das Parlament nicht zu einer Offenbarungspflicht für seine Volksvertreter durchringen kann. So lange bleibt auch die Aufsichtsratstätigkeit eines Franz Josef Strauß in der Airbus GmbH und seine Rolle als Fürsprecher der deutschen Luftfahrtindustrie im Gerede.
»Als Anwalt gebe ich keine Leute preis.«
1960 hatte sich bei der »Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft« (IPA) eine Kommission gebildet, die »sich eingehend mit dem Problem der Mitwirkung der Interessenvertreter am politischen Prozeß befassen« sollte. Fünf Jahre dauerte es dann, bis die Kommissare endlich ein zwölfseitiges Papier vorlegten, das den Abgeordneten empfahl, sich ihren Kollegen zu offenbaren, sobald sie »aufgrund von Beziehungen und Bindungen an einer zur Beratung vorliegenden Materie besonders interessiert« seien. Bis heute blieb es bei Deklamationen, die von Affäre zu Affäre ein Dakapo erlebten.
Nach der Affäre um den Scheinübertritt des FDP-MdB Karl Geldner zur CSU besann sich Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel wieder einmal auf die Notwendigkeit, einen Ehrenkodex für Bonns Parlamentarier zu schaffen. Um »einer Entfremdung zwischen der Öffentlichkeit und dem Parlament in unserem Lande vorzubeugen«, verkündete er, daß man sich nunmehr mit der »Honorierung des Abgeordneten für Tätigkeiten außerhalb des Bundestages« befassen werde.
Wenig später übernahmen die Bundestags-Neulinge Ferdinand Breidbach (CDU), Karl-Heinz Hansen (SPD) und Dietrich Sperling (SPD) die Initiative. Sie forderten, »aus gegebenem Anlaß« sollten ihre Abgeordneten-Kollegen dem Bundestagspräsidenten verbindlich erklären, daß sie seit ihrer Mandatsübernahme im Jahre 1969 »keine Bindungen in der Form von Beraterverträgen, Gesellschafterposten, Prokuristenstellungen« eingegangen seien.
91 Parlamentarier unterschrieben, darunter nur einer von der CSU, der Vertriebenen-Lobbylst Walter Becher. CSU-Kollege Höcherl hielt es mit der Diskretion:« Als Anwalt berate ich dauernd Leute. Die gebe ich nicht preis.«
Als die SPD-Nachwuchsparlamentarier in ihrer Fraktion einen weiteren Vorstoß für die baldige Verabschiedung einer Ehrenordnung unternahmen, bezogen sie Prügel. Hansen: »Wir wurden als Puristen beschimpft.« Im Bundestagspräsidium sperrte sich die FDP-Unternehmerin Liselotte Funcke.
Die Parteien und selbst das Parlaments-Präsidium verloren, als die ersten Regungen der Wohlanständigkeit mit der Distanz zum Geldner abgeflaut waren, schnell die Freude an ihrem früheren Eifer. Das Thema Ehre wurde nur noch in esoterischen Zirkeln erörtert.
»Gibt es noch Vertrauen, kann man es benutzen?«
Nach dem neuen Beraterskandal Dorn/Raffert glauben wenigstens die Optimisten, daß es diesmal nicht nur bei schnell vergessenen guten Absichten bleibt. SPD-Sperling jubiliert: »Erstmals hat sich unser Parteivorsitzender selbst engagiert, jetzt gibt es Unterstützung von oben.« Und der freidemokratische Parlamentsanwärter Karl-Hermann Flach gelobt: »Falls ich in diesen komischen Bundestag komme, werde ich finster entschlossen Verbündete suchen, damit die Sache nicht wieder einschläft.«
In Hessen-Süd haben die SPD-Linken schon erste Erfolge bei ihrer Reinlichkeitsaktion zu vermelden. Sie konnten in ihrer Bezirks-Satzung eine Klausel unterbringen, die allen sozialdemokratischen Mandatsträgern gebietet, »keine Abmachung mit einem außerparlamentarischen Interessenten (zu) treffen, die mit persönlichen Vermögensvorteilen für sich und gleichzeitig mit bestimmten Erwartungen an ihr politisches oder parlamentarisches Verhalten verbunden ist«.
Den Beratern Dorn und Raffert kommt das nach ihrem Ehrenkodex zweifelhafte Verdienst zu. einen gründlichen Bundeshaus-Putz ausgelöst zu haben. Zumindest die sozial- und freidemokratische Basis drängt darauf, daß ihre Bundestagsanwärter vor den Delegierten-Konferenzen Geschäftsinteressen offenlegen.
Die beiden Weißmacher wider Willen scheinen als erste der Säuberungsaktion zum Opfer zu fallen. Anfang letzter Woche verlangte der freidemokratische Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Horst Ludwig Riemer, von seinem Stellvertreter Dorn, den sicheren vierten Platz auf der Landesliste zu räumen.
Und gegen SPD-Raffert hat der Ortsverein Elliehausen/Göttingen beim Unterbezirk ein Verfahren auf Parteiausschluß angestrengt. Raffert schnippisch: »Der kann beschließen, was er will.«
Gleichwohl versuchte er sich mit tätiger Rene bei Parteifreunden in Hildesheim wieder einzukaufen: Er werde das Bauer-Geld, das er in seiner Zeit als Staatssekretär bezogen habe, für den Wahlkampf spenden.
Nach einer Sitzung seines heimatlichen Ortsvereins Hildesheim Mitte letzter Woche, auf der Parteifreunde Rafferts Bauer-Stück verrissen (Delegierten-Kommentar: »Ungeheure Schweinerei"), wurde der Durchgefallene sentimental: »Das ist natürlich eine schwere Zeit jetzt, aber ein Politiker muß das durchstehen können.« Und: »Ich bin mit mir selbst noch nicht im reinen, ob ich kandidieren will. Es ist die Frage: Gibt es noch Vertrauen, kann man es benutzen, kann man es ausbauen?«
Ende letzter Woche war es fraglich.