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»Meine Waffe heißt Adolf Hitler«

SPIEGEL-Redakteur Wolfgang Malanowski über die Tagebücher des Joseph Goebbels / II: Sozi oder Nazi? _(Für die Originalzitate 1987 by Francois ) _(Genoud, Schweiz. ) *
aus DER SPIEGEL 37/1987

Nach seiner Promotion zum Dr. phil. geriet der arbeits- und mittellose Goebbels, der, nun schon Mitte 20, immer noch in einer Dachkammer seines Elternhauses logierte und dem Vater auf der Tasche lag, in eine höchst mißliche Lage: »Dieses Elend des Schmarotzens.« Er ließ es auf seine Weise über sich ergehen: »Verzweiflung! Skepsis! Zusammenbruch!« _(Alle nicht sonderlich gekennzeichneten ) _(Zitate stammen von Goebbels. )

Er wartete »bis in alle Ewigkeit«, jedenfalls gut drei Jahre, »auf Stellung und Geld«, auf »etwas Ungewisses, aber worauf?« Er schickte seinen Tagebuchroman »Michael« von einem Verleger zum anderen, doch »keiner nimmt ihn. Verwunderlich?«

Manchmal, an schönen Sommertagen saß er draußen, in der Laube, von »lauen Winden umtost«, und ließ seine »Gedanken fliegen wie leichte Flocken«. Aber meistens brütete er stumpf vor sich hin: »Auf meiner Bude fresse ich den Unmut in mich hinein.«

In seinem Tagebuch schildert Goebbels unablässig, wie schlecht es ihm ging: _____« Manchmal des Morgens habe ich Furcht davor, » _____« aufzustehen. Nichts erwartet mich - keine Freude, kein » _____« Schmerz, keine Pflicht und keine Aufgabe«. Zu einem » _____« aufrechten Leben gehört doch vor allem eine feste Aufgabe » _____« und eine sichere Grundlage. Das fehlt mir. » _____« Ewiger Zweifel. Ewige Frage. Wie ausgetrocknet ist » _____« mein Geist. Irgendetwas hat mich kaltgestellt. » _____« Ich möchte Abschied vom Leben nehmen! Haß und Bosheit » _____« allenthalben. Keine Aufmunterung. Nur blasser Kampf gegen » _____« die unfaßbare Canaille Mensch. Komm, Trost der Welt,o, » _____« stille Nacht. »

Hin und wieder keimte Hoffnung, irreale, bezeichnend für Goebbels, die sich, bezeichnend für Volk und Volksgenossen, doch erfüllte: _____« Aus der tiefsten Verzweiflung rettet mich immer » _____« wieder das eine strahlende Licht: der Glaube an die » _____« eigene Reinheit und daran, daß einmal doch meine große » _____« Stunde kommen muß. » _____« Bin ich ein Faulenzer oder ein Geschickter, der auf » _____« das Wort Gottes wartet? Ich warte auf den Geist der » _____« Gegenwart und bin gewiß, daß er in den Besten unseres » _____« Jahrhunderts lange schon arbeitet - am sausenden Webstuhl » _____« der Zeit. Dürfte ich mich auch zu diesen rechnen? »

Goebbels wollte Dichter, Schriftsteller oder Journalist werden, sein »Ideal: schreiben können und davon leben«. Zugleich wollte er, und das macht ihn aus, »Wegbereiter einer neuen Zeit werden«, wenigstens »Sauerteig« sein, der »revolutioniert und neues Leben bringt«, möglichst aber seinen »Namen einkratzen in die Geschichte«.

Er verfaßte einen Artikel nach dem anderen, insgesamt wohl 50, vorwiegend für das renommierte »Berliner Tageblatt«, stets, versehen mit einem schwülstigen Begleittext, zu Händen des berühmten Chefredakteurs Theodor Wolff, eines Juden, dem die aufgeregten Ergüsse des unreifen Jünglings wohl nie zu Gesicht gekommen sind; Goebbels erhielt sie sämtlich zurück: »Niemand bezahlt mir etwas für meinen Mist.«

1924 bewarb er sich bei der erlauchten Zeitung als Redakteur, ohne Erfolg. In seinem Bewerbungsschreiben hatte er geschwindelt, er arbeite in der Firma seines Bruders - die es gar nicht gab - an leitender Stelle, Gehaltswunsch: 250 Reichsmark. Bei anderen, kleineren Blättern hatte er in den Jahren zuvor rund ein Dutzend Beiträge untergebracht; die Belege fanden sich säuberlich in seinem Nachlaß.

Schließlich verschaffte ihm seine Verlobte, Else Janke, eine Stelle bei der Kölner Filiale der Dresdner Bank - als Ausrufer an der Börse, ein Job, der ihm ganz und gar nicht behagte: »Mir steht

die Bank bis zum Halse": »Gehalt gleich Null«. Er meldete sich krank - »mein Theater bei zwei Ärzten« - und entschwand für ein paar Tage mit der Braut auf die Nordseeinsel Baltrum - »Else quält mich sehr. Ihre Verständnislosigkeit für meine Qual.« Dann, nach acht, neun Monaten, kündigte er: »Ich setze alles auf eine Karte. Der Tod oder aus diesem Kasten heraus.«

Um Politik kümmerte sich Goebbels in dieser turbulenten Frühphase der Weimarer Republik kaum, obgleich viel los war: Besetzung des Ruhrgebietes durch französische Truppen; Inflation; Ausrufung der »Rheinischen Republik« durch Anhänger des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer; Kommunisten-Unruhen in Sachsen, die Herbert Wehner miterlebte; Hitler-Putsch in München und Verbot der Nazi-Partei.

Goebbels lapidar: »Die Politik ist zum Weinen und zum Lachen«- sie mache ihn »unfruchtbar«; alles »ekelt mich an«.

Über den Hitler-Putsch findet sich in seinem Tagebuch lediglich die Eintragung: »Bayern. Hitler.« Den durch die Reichsregierung verordneten passiven Widerstand gegen die Franzosen an der Ruhr - »Chaos im besetzten Gebiet. Arbeiter gehen auf die Straße. Das Volk wird losgelassen« - fand er »entsetzlich«, offenbar hätte er gern gehabt, daß es knallte. Später wird er NS-Biographen schwindeln lassen, er hätte Seit'' an Seit'' mit Albert Leo Schlageter, dem Nationalhelden des Tages, den die Franzosen 1923 wegen Sabotage hinrichteten, aktiv gegen die Eindringlinge gekämpft.

Daß der Dollar »klettert wie ein Jongleur«, bereitete ihm »heimliche Freude«, denn, davon war er ja längst durchdrungen: »Das Chaos muß kommen, wenn es besser werden soll«, nun auch der Kommunismus«. Und plötzlich bekennt er: »Ich bin ein deutscher Kommunist«, aber das darf nicht wörtlich genommen werden.

Er eigne sich, meinte Goebbels derzeit selbst, »nur für Politik auf weite Sicht«. Tagesarbeit sei ihm »zuwider«, das »Jahrhundert ... gerade weit genug« - oder das Tausendjährige Reich.

Eine neue Welt mußte her mit neuen Menschen; aber noch war es nicht soweit. 90 Prozent seien noch, so Goebbels 1924, »Canaillen, 10 Prozent halbwegs gut. Darum müssen diese 10 Prozent über die 90 Prozent herrschen, soll der Staat bestehen können. Das Geheimnis der Diktatur« (siehe Seite 203).

Nach dem Studium kam Goebbels seinem Mitschüler Fritz Prang wieder näher, der inzwischen ebenfalls promoviert hatte und schon 1922 der Nazi-Partei beigetreten war. Während Hitler nach seinem mißglückten Putsch vom 9. November 1923 auf der Festung Landsberg einsaß und die Hitler-Partei verboten war, schloß sich Prang, Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten und Freimaurers, der »Deutschvölkischen Freiheitspartei« an, mit der damals auch die Nazis paktierten.

Fritz Prang war, laut Goebbels, ein »idealistischer Ideologe«, »krankhaft energisch«, »stark erotisch«, »sehr aufopferungsvoll für seine Ideale«. Seine Pläne waren »so schön und ideal«, daß sie, fürchtete selbst der Phantast Goebbels, »nicht durchzuführen seien«.

Fast täglich hockten die beiden nun zusammen. Der sichere Prang politisierte den unsicheren Goebbels, wie es vorher der kommunistische Schwärmer Richard Flisges getan hatte.

Eines Abends schleppte Prang den Gesinnungsfreund auf eine kommunistische Versammlung und drängte ihn, eine Debattenrede zu halten. Widerwillig humpelte der kleine Doktor ans Rednerpult. Er hatte kaum begonnen - »Meine lieben deutschen Volksgenossen« -, da wurde er von Gelächter und Gejohle jäh unterbrochen. Ein Zwischenrufer pöbelte: »Kapitalistischer Ausbeuter« - und verhalf dem angehenden Agitator Goebbels zu seinem ersten öffentlichen Auftritt.

Schlagfertig und witzig verschaffte Goebbels sich Gehör: »Ich bitte den Herrn, der mich eben einen kapitalistischen Ausbeuter genannt hat, auf das Podium zu kommen und sein Portemonnaie zu entleeren. Dann werden wir ja sehen, wer von uns mehr Geld hat. Sprach''s und stülpte

seine lumpigen Groschen aufs Rednerpult. Im August 1924 nahm Prang den Freund mit nach Weimar, wo 1919 die verfassunggebende Nationalversammlung getagt hatte, der Wegen des kommunistischen Spartakus-Aufstandes der Boden in der Reichshauptstadt zu heiß geworden war. Dort fand ein Parteitag der »Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung« statt, die vor der anstehenden Reichstagswahl am 7. Dezember 1924 Heerschau hielt.

Goebbels hatte zuerst keine rechte Lust: »So ein Parteikongreß ist etwas Schreckliches. Die Mengen, Massen, Menschen, die alle gerne einmal reden möchten.« Zugleich hoffte er jedoch: »Vielleicht wach'' ich in Weimar wieder auf.«

So geschah es: »Das Herz geht mir auf«, jubelte er hernach: »Wir Begeisterten, wir Fanatiker!« - Heilige Flamme glüh!« - »Heil! Heil!« Goebbels malte ein Hakenkreuz in sein Tagebuch.

Da stand, im Nationaltheater, der völkische Kriegsheld Erich Ludendorff. Daß der General zusammen mit Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg die Entscheidungsschlachten des Weltkriegs verloren und schließlich die Reichsregierung gedrängt hatte, Waffenstillstand zu schließen, tat ihm keinen Abbruch - die »Dolchstoßlegende« von den »Novemberverbrechern« besagte ja, die Heimat sei der kämpfenden Front in den Rücken gefallen.

Ludendorff, der im November 1923 mit Hitler vor der Münchner Feldherrnhalle aufmarschiert war, »gebot im Kriege über das Schicksal von Millionen«, staunte Goebbels, jetzt verhandelte er »mit uns jungen deutschen Idealisten, ernst und gewissenhaft. Ohne militärisches Gepränge«. Sodann geschah es - Ludendorff gab Goebbels »den festen letzten Glauben«, vorübergehend.

Gregor Straßer, Hitlers Platzhalter, während der Putschist auf der Festung Landsberg saß, war der nächste, der Goebbels »festen Glauben« gab. Er gehörte ebenfalls zur bewunderten Prominenz des versammelten Wahlbündnisses - ein »gemütlicher Apotheker aus Bayern. Groß, etwas plump, mit tiefer Hofbräuhausbaßstimme« (Goebbels).

»Stürmer«-Herausgeber Julius Streicher- »Fanatiker mit den eingekniffenen Lippen«, ein »Berserker« - redete »direkt von der antisemitischen Frage«. Auf Goebbels wirkte er »vielleicht etwas pathologisch«. Aber das störte ihn nicht sonderlich: »Auch die haben wir nötig. Für die Massen zu packen. Hitler soll ja auch etwas davon weg haben.«

Doch restlos zufrieden war Goebbels mit dem Verlauf des Parteitages und der Partei, die sich da präsentiert hatte, nicht; es sei »so manches faul an der ganzen Bewegung«, resümierte er: »Zu laut. Mehr wollen als Tat.« Die Suche nach dem »geborenen Führer«, für Goebbels ein existentielles Bedürfnis,

gehe weiter. Immerhin: »Man sitzt mit einer gewissen Elite aus Deutschland zusammen. Die Elite der Ehrlichen und Treuen!« Schon das tat gut und bescherte »große Sicherheit und Befriedigung«.

Bei den Reichstagswahlen im Dezember 1924 mußte die »Freiheitsbewegung« eine Schlappe hinnehmen; Von 32 Mandaten blieben ganze 14. Goebbels machte sich nichts vor, verstand es aber, wie später, als die deutsche Wehrmacht den Rückwärtsgang einlegte, die Niederlage in einen Sieg umzumodeln: »Gestehen wir, wir haben diese Schlacht verloren« gleichwohl: »Wir haben allen Grund, das Ergebnis dieser Wahl zu begrüßen« denn: »Auf Jena folgt ein Leipzig.«

Auf dem Parteitag zu Weimar war Goebbels in engeren Kontakt zu dem völkischen Politiker und preußischen Landtagsabgeordneten Friedrich Wiegershaus gekommen - seinem zukünftigen Chef. Der Handelsvertreter aus Elberfeld, »Gauführer Rheinland-Nord«, war Herausgeber der auflagenschwachen Wochenzeitung »Völkische Freiheit« und suchte einen Redakteur.

Anfang September 1924 nahm Goebbels seine Tätigkeit bei der »VF« auf »noch ein kleines Käseblatt«. Aber er »wollte etwas Ordentliches« daraus machen: »Ich muß mir eben selbst meinen Ruhm schaffen, da niemand sich finden will, der mich armen Teufel ins gemachte Bett legt.« Anfänge seien »immer klein«, sagte er sich, manchmal auch »beschämend kleinlich«. Aber die »Arbeit befriedigt« ihn; er sah ,"für diese Zeit so etwas wie eine Aufgabe«. Er war sogar »ein klein wenig glücklich": »Wie lange war ich das nicht mehr.«

Mit dem Tippen auf der Schreibmaschine haperte es zunächst - »Ob ich''s wohl je lernen werde?« Auch seinen Stil müßte er vereinfachen: »Die neue Geistigkeit müssen wir in uns erlösen. Klar sein ist alles. Das Herz lebt.« Zudem fehlte ihm, meinte er jedenfalls, der »leichte Sinn des Journalisten ... die goldene Sorg- und Rücksichtslosigkeit«.

Sorg- und rücksichtslos, durchaus gekonnt, flott und provokant - »mit leichter Ironie. Das wirkt am besten« - legte er los - gezeichnet »Dr. G.«. Er schrieb über »National und sozial«, sein Hauptthema, bis Hitler die Akzente setzte, und »Die Katastrophe des Liberalismus«, über »Völkische Kulturfragen«, das »Führerproblem«, ohne noch Hitler namentlich zu erwähnen, und die »Grundprobleme des Judentums": »Die Juden sind ein verdammtes Pack.«

Wöchentlich erschienen ferner, von ihm verfaßt und teilweise unter seinem Pennäler-Spitznamen »Ulex«, ein »Politisches Tagebuch«, von ihm besonders geschätzt, und »Streiflichter«, ein Sortiment von Kurzmeldungen, die ihn grotesk anmuteten und um so leichter spöttisch zu kommentieren waren.

Am 3. Oktober wurde Goebbels »Verantwortlicher Leiter« der Ein-Mann-Redaktion,

was er, ihm gemäß, überschwenglich feierte: _____« O, dieses Arbeiten gibt Begeisterung und Freude. Ich » _____« bin seit gestern ein ganz anderer geworden. Auch zu Hause » _____« sieht man mich mit ganz anderen Augen an. Hier gilt nur » _____« der sichtbare Erfolg. Es ist eine Stufe weiter nach oben. » _____« Ich habe ein Sprachrohr. Ich ersticke nicht mehr an » _____« meinen eigenen Gedanken. Ich bin da durch. Und dabei » _____« brauche ich in keiner Weise den Kopf zu beugen. Ich bin » _____« frei und bleibe frei. Ich werde den Weg weiter nach oben » _____« gehen. Das gelobe ich hier mit heilgem Ernst. Aufwärts! » _____« Zu den Sternen! In die deutsche Freiheit hinein! Gott, » _____« steh uns bei!!! »

Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen mit Herausgeber Wiegershaus. Der wollte ihn _____« durch ein gutes Mittagessen im Ratskeller kirre » _____« machen, was ihm natürlich nicht gelang. Ich habe auf der » _____« ganzen Linie gesiegt, die Zeitung steht ganz unter meinem » _____« Einfluß, ich kann tuen und lassen, was ich will. Das » _____« genügt mir vorläufig, Sprungbrett. Nach oben. »

Nach dem Weimarer Parteitag trat auch der Redner Goebbels in Erscheinung, zu Recht hielt er bald in seinem Tagebuch fest: »Mein Ruf als Redner und politisch-kultureller Schriftsteller geht durch die Reihen der Anhänger des nationalsozialistischen Gedankens im ganzen Rheinland.«

So erörterte er in Mönchengladbach die »grundlegenden Probleme der völkischen Weltanschauung«. Die »Leute waren begeistert«; es waren allerdings nur 20.

in Wickrath hielt er »vor den guten Bürgern einen tüchtigen Vortrag«. Sogleich empfand er: »Ich werde Demagoge schlimmster Sorte. Volksredner.« Wie recht er hatte.

Auf Arbeiter hatte er es besonders abgesehen - »das sind doch noch die Gelehrigsten und Dankbarsten«. Durch sie gelte es »den Konnex mit dem leidenden Volk und seinen schöpferischen Kräften aufrecht (zu) halten«. Der »Borschoa« (Bourgeois - d. Red.) sei »zu dämlich und zu faul, den neuen Gedanken zu verstehen«.

Ganz früh schon hatte Goebbels ein Erlebnis, das sich tausendfach wiederholen sollte - und größten Schaden anrichtete: _____« Ein junger Mann saß direkt vor mir, und ich merkte, » _____« wie beim Reden seine Augen anfingen zu glühen. Seine » _____« innere Glut schlug wieder auf mich über, und so tat sich » _____« zwischen uns zwei Unbekannten eine tiefe innere Beziehung » _____« auf, die ihn und mich in diesen Augenblicken als in der » _____« Seele verwandt erscheinen ließ. »

In einem Jahr, vom Oktober 1924 bis Oktober 1925, hielt Goebbels 189 Reden, jeden zweiten Tag eine. Und wenn er redete, fiel, wie er schon damals bekundete, _____« das Denken, die Philosophie, da fällt die » _____« Programmatik, da wächst man über die engen Maße » _____« menschlichen Könnens hinaus und wird Prediger, Apostel, » _____« Rufer im Streit. Da liegt in meinen Händen die Seele des » _____« deutschen Arbeitsmannes, und ich fühle, daß sie weich ist » _____« wie Wachs. Und dann knete und forme ich. »

Am 20. Dezember 1924 wurde Hitler aus der Festung Landsberg entlassen, die fünfjährige Haft, zu der er im April verurteilt worden war, endete nach neun Monaten. Sie war durchaus erträglich gewesen, eine Art Ehrenhaft, denn der Kampf gegen die Weimarer Republik galt weiterhin, bei der rechten Justiz allemal, als Kavaliersdelikt. Hitler fand Muße, sein Bekenntnis-Pamphlet »Mein Kampf« zu schreiben, das ursprünglich, ziemlich blaß, »Viereinhalb Jahre Kampf gegen Lüge, Dummheit und Feigheit« heißen sollte.

Zum Jahreswechsel 1924/25 begrüßte Goebbels Hitler, den er bis dahin noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, in seiner »Völkischen Freiheit": _____« An Adolf Hitler! Wir grüßen dich, Adolf Hitler, » _____« Führer und Held«. Nun bist du wieder unter uns, Rufer im » _____« Streit, Trommler zur Wiedergeburt deutschen Glaubens und » _____« deutscher Inbrunst... In diesem Geiste » _(Reichswehr-Patrouille in Freiberg. ) _____« grüßen wir dich als die Inkarnation unseres Glaubens » _____« und unserer Idee, Deutschlands Jugend hat ihren Führer » _____« wieder, wir warten auf seine Parole. »

Die Parole, die Hitler nach der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 vernehmen ließ, paßte aber so gar nicht in Goebbels'' Kram, und Hitler selbst erschien ihm nicht sogleich als der Messias, auf den er sehnsüchtig wartete. Es hätte nicht viel gefehlt, da hätte Hitler ihm das Stückchen Boden unter den Füßen entzogen und den mild keimenden Glauben an seine Idee genommen.

Der Sozialrevolutionär Goebbels, so unausgegoren das Programmatische bei ihm auch war, legte bei der Definition des Nationalsozialismus die Betonung eindeutig auf den zweiten Teil des Begriffspaares. Hitler hingegen vermied konsequent derlei Festlegungen, die ihm möglicherweise nationale, bürgerliche, auch kapitalistische Klientel hätten vergraulen können.

Zeitweise tat ihm Hitler schon fast leid: »Armer Hitler.« Die Bewegung auch: »Armer Nationalsozialismus.« Dann wieder geriet Goebbels in bittere Bedrängnis, wenn Hitler aus der Ferne grollte. »Hitler traut mir nicht. Er hat über mich geschimpft. Wie weh mir das tut. Wenn er mir ... Vorwürfe macht, dann gehe ich. Ich kann das nicht auch noch ertragen.«

Die Begrüßung des Ex-Häftlings Hitler in der »Völkischen Freiheit« war einer der letzten Artikel, die Goebbels für dieses Blatt verfaßte. In der letzten Ausgabe, vom 17. Januar 1925, suchte unter Chiffre R 26 ein »Schriftleiter, völk. junge Kraft, an selbständiges Arbeiten gewöhnt, guter Leitartikler, Organisator, arbeitsfreudig, infolge politischer Ereignisse stellungslos«, eine neue »Beschäftigung evtl. auch in kaufmännischem Betrieb«. Die Anzeige fand - außer der Kündigung durch Herausgeber Wiegershaus - keine Resonanz.

Das war auch nicht nötig. Der Anti-Bourgeois Goebbels, der sich gern als linker Radikalinski gebärdete, hatte sich nicht recht wohl gefühlt unter den Völkischen um Wiegershaus. »Die alten Konservativen sind schlecht für uns zu gebrauchen«, meinte er: »Deutschnational und nebenher Antisemit. Die wollen sich nicht zum Sozialismus bekennen... Paßt nur auf. Über eure alten grauenswürdigen Köpfe werden wir den neuen Staat aufbauen.«

Rechtzeitig fand Goebbels einen neuen Förderer, der ihm materielle Basis wie ideologischen Überbau verhieß: Karl Kaufmann, nach dem verlorenen Weltkrieg Freikorpskämpfer, Mitglied der Brigade Ehrhardt, die 1920 am Kapp-Putsch gegen die verhaßte Republik beteiligt war, und des alldeutschen, radikal-antisemitischen »Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes« (der 1922 als intellektueller Vorbereiter des Mordes an dem jüdischen Reichsaußenminister Walther Rathenau verboten worden war).

Kaufmann hatte nach dem Verbot der Nazi-Partei die Zusammenarbeit mit den Völkischen abgelehnt und in seiner »Großdeutschen Volksgemeinschaft« alte Parteigenossen bei der Stange gehalten. Nach der Neugründung der NSDAP formierte er in Elberfeld den Gau Rheinland-Nord. In dem zehnköpfigen Vorstand wurde Goebbels Gaugeschäftsführer.

Kaufmann machte Gregor Straßer, der im Westen und Norden des Reiches die Partei reorganisierte, auf das Polit-Talent Goebbels aufmerksam: »Sehr gescheit, aber sehr wendig.« Er empfahl ihn als Redakteur der gerade gegründeten »Nationalsozialistischen Briefe«, einer dünnen, aber einflußreichen Halbmonatszeitschrift.

Zum Einstellungsgespräch erschien Goebbels, wie Gregor Straßers Bruder Otto berichtete, selbstsicher, in abgetragenem, aber peinlich sauberem grauen Anzug. Er hatte gleich die richtige Platte drauf.

Die »Deutschvölkische Freiheitspartei«, für die er bisher agitiert hatte, habe keinerlei politische Zukunft: _____« Die Führer jener Partei kennen das Volk nicht, sie » _____« fürchten sich vor dem Sozialismus. Aber ich bin » _____« überzeugt, daß nur eine Mischung von Sozialismus und » _____« Nationalismus Deutschland retten kann«. Wir werden den » _____« deutschen Arbeiter für den nationalen Sozialismus » _____« gewinnen. Wir werden den Marxismus vernichten«. Was den » _____« bürgerlichen Abschaum betrifft, wir werden ihn in den » _____« Mülleimer fegen. »

So ähnlich sah es auch Gregor Straßer. Goebbels bekam den Job, Monatsgehalt 200 Reichsmark, zugleich wurde er Straßers Privatsekretär. In dieser Funktion folgte er einem jungen Mann, der gerade wegen Unfähigkeit gefeuert worden war, es aber noch weit bringen sollte - Heinrich Himmler.

Straßer faßte die nord- und westdeutschen Nazi-Gaue zur »Arbeitsgemeinschaft Nordwest« zusammen (dazu zählte

auch Berlin), und zwar demonstrativ gegen die argwöhnisch beäugte Münchner Gruppe um Hitler- »die verkalkten Bonzen«.

Goebbels schrieb unter dem 11. September in sein Tagebuch: _____« Einheitliche Führung (Straßer). Einheitliche » _____« Geschäftsstelle (Elberfeld). Einheitliche » _____« Geschäftsführung (moi). Herausgabe einer alle 14 Tage » _____« erscheinenden Information (Nat. soz. Briefe, Herausgeber » _____« Straßer, Schriftleiter moi). Alles also, wie wir es » _____« wollten. »

Der Quereinsteiger war unversehens ziemlich weit oben gelandet, im Umfeld eines auf der Rechten geachteten Politikers. Straßer war schon 1921 Gauleiter von Niederbayern geworden, seit 1924 Reichstagsabgeordneter für die »Nationalsozialistische Freiheitsbewegung«, und er nutzte den Freiraum, den die parlamentarische Immunität inklusive Freifahrtschein, Redefreiheit etc. gewährte. Nun war er unumstrittener Parteiboß nördlich des Mains.

Der zweite Mann der NSDAP vertrat ein betont sozialistisches Programm und geriet dadurch bald in Gegensatz zu Hitler. Goebbels zog kräftig mit, übereifrig und laut, wie es seine Art war, weil er Straßers Bataillone derzeit für die stärkeren hielt und die Lehrmeinung seines Meisters teilte.

Straßer, »zu jeder Radikalisierung der Idee bereit«, sollte, so wünschte es sich der Sekretär, den »Sturmblock« gegen die »Arschkriecher und Intriganten« in München abgeben. In der Hauptstadt der Bewegung, tobte Goebbels sich aus, »stinkt es«, da seien »Lumpen am Werk«, »dumpfe Köpfe, die keinen neben sich dulden«.

Gemeint waren vor allem der Journalist Hermann Esser, Propagandaleiter der NSDAP, Mitgliedsnummer: 2, laut Goebbels »ein verdammter Idiot«, »Vampir der Bewegung«; Julius Streicher, ein »typisch bayrischer Steißtrommler«, der »schlechteste von allen. Feldwebel, der auf Weiberjagd geht«, und Hitlers Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder, der 1920 das NS-Programm, die »25 Punkte«, entworfen hatte »ein Zinsknecht, Aufwertungskaktus«. Goebbels sorgte sich: »Das Programm, die geistigen und wirtschaftlichen Grundlagen, alles das ist doch noch so ungelöst«. Damit macht man keine Revolution.«

Aber der Zorn galt nur Hitlers engster Umgebung, nicht Hitler selbst. »Könnte man einmal auf zwei Stunden mit Hitler allein sein«, meinte Goebbels, »dann müßte sich alles klären. Aber er ist umkreist wie eine alte Majestät.« Eines Tages würden die Straßer-Revoluzzer zum »Generalangriff« vorgehen. »Es handelt sich um den Nationalsozialismus, um nichts anderes.«

Genauer genommen ging es laut Goebbels um »national und sozialistisch!": »Was geht vor und was kommt nach? Bei uns im Westen kann die Frage gar nicht zweifelhaft sein. Zuerst die sozialistische Erlösung, dann kommt die nationale Befreiung wie ein Sturmwind.« Die Münchner Clique, tadelte Goebbels, »wollte zuerst den Arbeiter nationalisieren«, wüßte aber nicht wie. Aber Hitler selbst, irrte er, stünde »im Begriff, ganz zu uns herüberzukommen«.

Goebbels'' Sozialismus war ein Ideologie-Kompositum aus antikapitalistischen, sozialrevolutionären und national-bolschewistischen Versatzstücken, die er häufig in pseudoreligiöses Vokabular verpackte: »Christus: Das Prinzip

der Liebe«, »Marx: Das Prinzip des Hasses«. Er zählte zu den linken Leuten von rechts, eine Spezies, die in der Weimarer Republik unter politisierenden Intellektuellen zahlreich in Erscheinung trat.

»Ich bin der Radikalste«, tönte er gern: »Vom neuen Typ. Der Mensch als Revolutionär.« Er und seine Gesinnungsgenossen seien »Feinde«, ja »Todfeinde«, unter dem machte Goebbels es kaum einmal, »des heutigen kapitalistischen Wirtschaftssystems mit seiner Ausbeutung der wirtschaftlich Schwachen, mit seiner Ungerechtigkeit der Entlohnung... Wir sind entschlossen, dieses System unter allen Umständen zu vernichten«.

Goebbels kokettierte wie kein anderer der NS-Oberen mit dem Proletariat, und wie kein anderer richtete er zugleich den Hauptstoß gegen die KPD, die politische Organisation des Proletariats, um deren Anhänger von ganz links nach ganz rechts zu bewegen, ins Reservoir der Bewegung. Sein Kalkül lautete: »Wir werden es nie zu etwas bringen, wenn wir uns nach den Interessen der Intellektuellen und der besitzenden Klassen richten, aber wir werden alles gewinnen, wenn wir an den Hunger und die Verzweiflung der Massen appellieren.«

Sozialist sein heiße, lehrte Goebbels, das »Ich dem Du unterzuordnen«, Sozialismus sei die »Brücke von links nach rechts, über die die Opferwilligen zueinander kommen« - Volksgemeinschaft also statt Klassenkampf und demokratisch-parlamentarischem Pluralismus: »Wir wollen aus Deutschland ein Volk machen, das Not, Brot und Schicksal teilt.«

In »Lenin oder Hitler«, einer seiner ersten und wichtigsten Reden, die er in Dutzenden von Versammlungen vor Rot und Braun referierte, zum erstenmal Anfang Oktober 1925 - »Düsseldorf. Große rote Plakate an den Litfaßsäulen. ''Lenin oder Hitler''. Bombenvoll. Alles Kommunisten. Man will stören. Ich halte sie bald und laß sie zwei Stunden nicht mehr los« - verklarte Goebbels vage, was er unter (National-) Sozialismus verstand.

Die Rede galt nicht etwa als Affront gegen Hitler, wenn sich Goebbels darin auch mehr mit dem kommunistischen Revolutionär, den er bewunderte, als mit seinem nationalsozialistischen Führer beschäftigte. Sie war eine frühe Meisterleistung des Propagandisten und wurde von Hitler auch so verstanden, mag ihm manche Formulierung auch nicht gefallen haben.

Der noch weithin unbekannte und unbedeutende Hitler, seine Partei zählte gerade rund 50000 Mitglieder, in einem Atemzug mit dem genialen Schöpfer der Sowjet-Union, der das »russische Volk von den Sklavenketten des Zarismus befreit« habe.

Es handele sich um diese beiden Männer, so Goebbels, »insoweit als sie die Überwinder eines alten und Bahnbrecher eines neuen Staatsgedankens sind«. Nationalsozialismus auf einer Stufe mit dem Kommunismus. Zwischen diesen beiden Ideologien, das wußte Goebbels schon damals, falle die »Entscheidung in Deutschland und damit in der Welt«.

Das »Kernproblem unserer Tage« sei die »Lösung der sozialen Frage«, und zwar so: _____« Soziale Frage nicht im Sinne von weniger Arbeit und » _____« mehr Lohn. Soziale Frage ist für uns die Frage nach der » _____« Verständigungsmöglichkeit und -fähigkeit der » _____« Volksgenossen untereinander. In dem Augenblick wird » _____« Deutschland frei sein, in dem die 30 Millionen links und » _____« die 30 Millionen rechts sich verständigen können. Die » _____« bürgerlichen Parteien können dieses Ziel nicht erreichen, » _____« der Marxismus will es nicht erreichen. Nur eine Bewegung » _____« ist dazu imstande: der nationale Sozialismus, verkörpert » _____« in seinem Führer Adolf Hitler. » _(Rechts: Goebbels'' späterer Stiefsohn ) _(Harald Quandt. )

Die angeblich »völker- und rassenmordende Theorie« des Marxismus, den »Wust jüdischer Ideen«, lehnte Goebbels entschieden ab. Marxismus sei das »Grab der Völker« und der »Arbeiterbewegungen«. Der Arbeiter, meinte er, habe »nicht das Recht, am Sozialismus, sondern die Pflicht, am Marxismus zu zweifeln«.

Die Sowjet-Union, marxistisch kommunistische Vormacht, hatte es ihm allerdings angetan - nicht »weil wir die jüdischen Träger des Bolschewismus lieben«, sondern »weil wir im Grunde mit einem nationalen und sozialistischen Rußland den Anfang unserer eigenen nationalen und sozialistischen Behauptung erkennen«.

Wie das? Goebbels prophezeite eine zweite Revolution in Rußland, ein »Erwachen, das grauenhafter sein wird als der Krieg«. Und wenn Rußland »erwacht, dann wird die Welt ein nationales Wunder sehen«. Das Wunder des »ersten sozialistischen Nationalstaates« - gereinigt von Marxismus und Internationale, »eine Lehre des Verstandes gegen das Blut« -, ähnlich dem, den Goebbels für Deutschland propagierte.

»Darum schauen wir nach Rußland«, schrieb und redete Goebbels unablässig, weil es am ehesten mit uns auf dem Weg zum Sozialismus gehen wird.« Es gelte zwischen »dem kranken Nachbarn im Westen und dem vor schöpferischer Kraft strotzenden im Osten« zu wählen. Würde Rußland »als zukünftiges regionales Machtzentrum« zusammenbrechen, »müßten wir auf Ewigkeit unsere Träume von einem nationalsozialistischen Deutschland begraben«.

Goebbels Russentick stand nun freilich in krassem Gegensatz zu Hitlers Weltmacht-Ideologie wie er sie im zweiten Band von »Mein Kampf«, der erst noch erscheinen sollte, niedergelegt hatte. Darin war zu lesen, die Sowjet-Union müsse mitsamt dem Kommunismus vernichtet werden, Rußland habe deutschen Lebensraum en masse rauszurücken, die Russen seien in die Knechtschaft zu führen. Goebbels kannte bisher nur den ersten Band- »Wundervoll, Hitlers Buch. So viel an politischem Instinkt. Ich bin ganz begeistert.« Als er das Buch zu Ende gelesen hatte, brach es aus ihm heraus: »Wer ist dieser Mann? Halb Plebejer, halb Gott! Tatsächlich der Christus oder nur der Johannes?«

Übers Programmatische kam es schließlich zum Krach und zur Kraftprobe zwischen NS-Nord und NS-Süd. Die Straßer-Brüder und Goebbels machten sich daran, der NSDAP ein neues Programm zu verpassen; das alte, die »25 Punkte«, schien ihnen überholt, vage und reaktionär.

Anfang Januar 1926 war Goebbels'' Entwurf fertiggestellt, »nach vielen Mühen und Arbeiten«. Er faßte seine Forderungen in 24 Punkten zusammen, unter anderem trat er für Verstaatlichung der Schwerindustrie und des Grundbesitzes

ein. Er hatte alle »möglichen Einwände durchdacht«, fürchtete aber gleichwohl »noch einen scharfen Kampf« ausfechten zu müssen.

Dem war zunächst gar nicht so. Auf der Tagung von rund zwanzig Gauleitern und Parteifunktionären, die Straßer am 24. Januar nach Hannover in das Haus des lokalen Gauleiters Bernhard Rust (nach 1933 Reichskultusminister, laut Goebbels ein »Hohlkopf«, »eine Kulturschande") einberufen hatte, führte Goebbels das große Wort und setzte seinen Entwurf glatt durch.

Störend wirkte nur die Anwesenheit Gottfried Feders, den Hitler überraschend entsandt hatte, um nach dem Rechten zu sehen. Goebbels zürnte: »Wir brauchen keine Spione« und beantragte, Feder von der Versammlung auszuschließen, den »Idioten Feder aus dem Zimmer zu weisen«. Der Antrag wurde abgelehnt. Goebbels zum Verlauf der Diskussion: _____« Feder redet. Klug aber stur dogmatisch. Und dann ein » _____« endloser Wust von Debatte. Herrgott, was ein Trubel«. Und » _____« dann Rußland. Maßlose Angriffe gegen mich. Und dann lege » _____« ich los. Rußland, Deutschland, Westkapital, » _____« Bolschewismus, ich spreche eine halbe, eine ganze Stunde. » _____« Alles lauscht in atemloser Spannung. Und dann stürmische » _____« Zustimmung. Wir haben gesiegt. »

Die Abstimmung über Goebbels'' Entwurf ging glatt durch, Straßer schüttelte Goebbels die Hand, Feder war »klein und häßlich«. Aber er drohte: »Weder ich noch Hitler werden dieses Programm jemals akzeptieren.«

Was dann geschah, schildert Gregor Straßers Bruder, Otto, höchst dramatisch, aber offensichtlich übertrieben. »Goebbels sprang auf... Nun fuhr seine Stimme wie ein Peitschenschlag über die Versammlung: ''Ich beantrage'', rief er mit schneidendem Hohn, ,den Ausschluß des Herrn Hitler aus der NSDAP''.« Nach einer anderen Version soll Goebbels (oder Rust) Hitler als »kleinen Bourgeois« beschimpft und hinzugefügt haben: »Hitler hat den Sozialismus verraten.«

In Hannover stand auch ein aktuelles politisches Problem zur Diskussion, die Frage nämlich, ob die deutschen Fürsten, deren Vermögen in der November-Revolution von 1918 beschlagnahmt worden war, dafür entschädigt werden sollten. KPD und SPD waren dagegen. Sie hatten darüber eine Volksabstimmung angestrengt, die schließlich scheiterte. Straßers Nazis wollten mit den Linken gemeinsame Sache machen; Hitlers Nazis widersprachen massiv.

Hitler, von Feder über die Rebellion ins Bild gesetzt, konterte sofort. Es roch nach Rebellion, Spaltung der Partei und eigenem Machtverlust. Er trommelte sämtliche Gauleiter am 14. Februar nach Bamberg zusammen. »Steh und ficht«, kommentierte Goebbels die Einberufung. »Es kommt da die Entscheidung. Auf meinem Tisch stehen eine Reihe neuer Bilder von Hitler. Entzückend!«

»Wir werden in Bamberg«, gab Goebbels die Parole aus, »die spröde Schöne sein und Hitler auf unser Terrain locken.« Er war optimistisch: »In allen Städten bemerke ich mit heller Freude daß unser, d. h. der sozialistische Geist marschiert. Kein Mensch glaubt mehr an München.«

Tatsächlich erlebte die Straßer-Fraktion in Bamberg ein Fiasko. Brachial setzte sich Hitler durch. Kläglich bat Straßer hernach die »sehr geehrten Parteigenossen« um Rücksendung des Programmentwurfs, den Goebbels verfaßt hatte. Im Herbst wurde schließlich die »Nordwestdeutsche Arbeitsgemeinschaft« aufgelöst, weil es Hitler so wollte.

Goebbels, der kampfesfreudig und siegesgewiß angereist war - »Und dann hinaus! Nach Bamberg! Hoffentlich eine Etappe« -, hörte Hitler reden, zwei Stunden, und war »wie geschlagen": _____« Welch ein Hitler? Ein Reaktionär? Fabelhaft » _____« ungeschickt und unsicher. Russische » _____« Frage: Vollkommen daneben. Italien und England » _____« naturgegebene Bundesgenossen. Grauenhaft! Unsere Aufgabe » _____« ist die Zertrümmerung des Bolschewismus. Bolschewismus » _____« ist jüdische Mache! Wir müssen Rußland beerben! 180 » _____« Millionen!!! Fürstenabfindung! Recht muß Recht bleiben. » _____« Auch den Fürsten. Frage des Privateigentums nicht » _____« erschüttern! (sic!) Grauenvoll. Programm genügt! (Gemeint » _____« sind Feders »25 Punkte« - die Red.) Zufrieden damit. » _____« Feder nickt, Ley nickt, Streicher nickt. Esser nickt. »

Goebbels nickt nicht, aber er kann »kein Wort sagen! Ich bin wie vor den Kopf geschlagen.« Wohl eine der größten Enttäuschungen meines Lebens. Ich glaube nicht mehr restlos an Hitler. Das ist das Furchtbare: mir ist der innere Halt genommen. Ich bin nur noch halb«.

Goebbels wußte nun, wie die Macht in der NSDAP verteilt war. »Ach Gott«, jammerte er, »wie wenig sind wir diesen Schweinen... gewachsen.«

Er bereitete Frontwechsel vor, doch nicht nur aus taktischem Kalkül. Ihn drückten zwar immer noch die leidigen Finanzen - »Geldnot. Niemand hilft mir« -, und seine Stimmungslage war nach wie vor höchst labil: »Die Seele ist manchmal nur noch eine große Wunde.« Goebbels konnte gar nicht mehr anders; er war endgültig in den Bannstrahl seines Messias geraten.

Zwei Monate nach Bamberg fand er wieder »inneren Halt« - in München, seinem Damaskus, wie seine verratenen Freunde zürnten. Hitler, der es darauf angelegt hatte, das Polit-Talent aus der Straßer-Fronde herauszubrechen, rief Goebbels zu sich, in die wirkliche Hauptstadt der Bewegung.

Er war »beschämend gut« zu ihm: »Ich hab ihn gern.« Er umarmte ihn, »Tränen stehen ihm in den Augen«. Er »ist groß«. Goebbels beugte sich »dem politischen Genie": »Adolf Hitler, ich liebe dich« (siehe Seite 210).

Bald legte er sich mit den einstigen Polit-Freunden an - »Ich werde der Bande schon Mores beibringen« -, die ihn einen »Kathederrevolutionär« und »Phrasendrescher« genannt hatten: _____« Jetzt erkenne ich Euch: ihr seid jene Revolutionäre » _____« des großen Maulwerks, die das Ding an sich wollen... » _____« Sprecht nicht so viel von der Idee und glaubt nicht, daß » _____« Ihr allein Nährvater und Gralshüter dieser Idee seid... » _____« Es ist kein Damaskus, wenn wir geschlossen hinter dem » _____« Führer stehen. Dann beugen wir uns nicht vor ihm aus » _____« byzantinischem Zwang... Dann beugen wir uns vor ihm mit » _____« jenem alten Männerstolz vor Königsthronen, mit jenem » _____« Gefühl der Sicherheit, daß er mehr ist als Du und ich. »

Im Herbst 1926 beförderte Hitler seinen neuen Vasallen zum Gauleiter von Berlin, wo es um die Nazis noch kläglich bestellt war. Zunächst verspürte Goebbels, damals 29, keine rechte Lust: Er wollte sich »nicht in dem Dreck dort festfahren« und dankte »für die Steinwüste«.

Lieber wäre er Propagandachef der NSDAP geworden, doch dazu hatte Hitler, teile und herrsche, ausgerechnet den neuen Rivalen Gregor Straßer gemacht.

Dann bekam Goebbels, am 30. Oktober, einen Brief von Hitler- und Berlin war »perfekt": »Hurra! Nun geht''s in einer Woche in die Reichshauptstadt.«

Im nächsten Heft

Gauleiler Goebbels in Berlin - NSDAP in desolatem Zustand - Die Technik der Saal- und Straßenschlachten - NS-Krise 1932 *KASTEN

»Wann kommt die Stunde des Platzens?«

Frühe politische Betrachtungen des Tagebuchschreibers Goebbels 1924 *

4. Juli

Uns fehlt in Deutschland eine starke Hand. Schluß machen mit Experiment und Phrase. Anfangen mit Ernst und Arbeit. Das Judenpack, das sich dem verantwortlichen Gedanken der Volksgemeinschaft nicht fügen will, an die Luft setzen ...

Deutschland sehnt sich nach dem Einen, dem Mann, wie die Erde im Sommer nach Regen... Herr zeig'' dem deutschen Volke ein Wunder! Ein Wunder!! Einen Mann!!! ...

7. Juli

Die bösen Kräfte sind heute noch am Werke. Wie lange noch? Wer vermag''s zu sagen? Endlich wird doch einmal der große Lichtstrahl unserer Freiheit aufscheinen«. Der Gedanke lebt und marschiert in die Zukunft hinein. Heil und Sieg! Für den neuen Menschen!...

Bolschewismus ist gesund in seinem Kern. Was wir heute davon sehen, ist Krippenjagd, Unfähigkeit, Unreife und Feigheit. Diese phantastisch extremistischen Führer des deutschen Kommunismus gehen am deutschen Spießer zu Grunde. An der deutschen Dummheit oder Einsicht, je wie man''s nimmt.

11. Juli

Ist der Kampf ums Dasein zwischen Mensch und Mensch, Staat und Staat, Rasse und Rasse, Erdteil und Erdteil nicht der grausamste Prozeß, den die Welt kennt? Das Recht des Stärkeren - wir müssen dieses Naturgesetz wieder einmal klarer sehen, dann verfliegen alle Phantasien von Pazifismus und ewigem Frieden«. Der heutige Weltfriede ist auf Kosten Deutschlands geschlossen. Könnt ihr von Weltfrieden reden, wenn 60 Millionen in der Knechtschaft leben? ...

19. Juli

Es gibt ruhige und unruhige Zeiten. Die unsere gehört zu den letzten. Aber die Zeit wird doch erst groß durch den Mann. Alexander, Cäsar, Barbarossa, Napoleon, Friedrich, Bismarck. Wie kläglich ihre Zeit, wollte man sie hinwegdenken ...

30. Juli

Aus dem Osten kommt der neue Staatsgedanke der individuellen Gebundenheit und verantwortlichen Zucht dem Staate gegenüber. Na, und das gefällt den Herren Liberalen nicht. Daher der Zug nach dem Westen... Die Nationalliberalen und das Zentrum haben in ihrer tieferen geistigen Einstellung sehr viel Gemeinsames. Vor allem dieses: Die ersten machen ihre Geschäfte in Patriotismus, das zweite in Katholizismus. Beide sind für den Gedanken der Volksgemeinschaft gleich gefährlich ...

Wann kommt die Stunde des Platzens? Wenn heute eine große Revolution ausbräche, ich wäre fähig, mit der Pistole auf die Barrikade zu steigen ...

22. August

In Würzburg sprach an einem Abend vor einer Massenversammlung der wilde und fanatische Julius St. ("Stürmer«-Herausgeber Julius Streicher - d. Red.). In vierstündigen Ausführungen hatte er durch seine Leidenschaftlichkeit die Menge so fanatisiert, daß sie am Schluß spontan in den Gesang des Deutschlandliedes ausbrach.

Nach der zweiten Strophe erschien an der Bühne ein alter Universitätsprofessor im langen schwarzen, speckigen Rock und gebot mit erhobenen Händen Ruhe. Und dann stellte sich dieses alte, eisgraue Männchen auf einen Stuhl und sang mit seiner schleppenden, öligen Stimme die letzte Strophe allein... Das Ganze löste eine rührend komische Wirkung aus... Und das Tragikomischste an der ganzen Episode war noch, daß der alte Herr mitten im Gesang von seinem Stuhle herunterfiel ...

30. August

Wir sind noch nicht reif zur Macht. Wir müssen warten und Geduld haben. Noch mal in aller Verzweiflung: Weltgeschichte wird in Jahrhunderten und nicht in Tagen gemacht. Das Herz krampft sich zusammen bei dem Gedanken, daß wir nun ein geknechtetes Sklavenvolk sind, und ausländischen Juden für Ewigkeit Zins zahlen sollen. Aber die deutsche Not muß noch größer werden, damit sie heilend und fördernd wirken kann... Die Canaille Mensch ist nicht wert, daß man ihr hilft. In schweren Stunden mag man wohl so verzweifeln ...

8. September

Die Politik macht mich unfruchtbar. Ich komme zu keinem positiven Gedanken mehr. Alles ekelt mich an! Könnte ich doch aus dem Tohuwabohu heraus. Keiner hilft. Selbst helfen. Es schleicht ein Feind zu mir hinein. Der Feind meines Glaubens. Wenn ich nun noch den Glauben verliere, dann muß ich verzweifeln ...

19. September

Gestern abend in Gladbach vor einer stattlichen Anzahl waschechter Arbeiter gesprochen. Die Leute waren restlos begeistert. Nun frißt das Feuer weiter. Wir säen gut. Und warten auf den Erntetag.

27. September

Es mag wohl vieles klein, halb und krank in unseren Reihen sein. Aber der Wille und die Begeisterung ist echt... Ich suche das neue Reich und den neuen Menschen! Die finde ich nur im Glauben! Der Glaube an die Mission in uns führt uns zum letzten Siege! Heil! *KASTEN

»So ein Kerl kann eine Welt umkrempeln«

Tagebuchschreiber Goebbels über seine ersten Begegnungen mit Hitler 1925/26 *

6. November 1925

Wir fahren (in Hannover - d. Red.) mit dem Auto zu Hitler. Er ist gerade beim Essen. Schon springt er auf, da steht er vor uns. Drückt mir die Hand. Wie ein alter Freund. Und diese großen, blauen Augen. Wie Sterne. Er freut sich, mich zu sehen. Ich bin ganz beglückt ...

Unterdeß fahre ich zur Versammlung. Und rede 2 Stunden lang. Unter großem Beifall. Und dann Heilrufe und Klatschen. Er ist da. Er drückt mir die Hand. Er ist durch seine große Rede noch vollkommen erledigt. Dann spricht er hier noch eine halbe Stunde. Mit Witz, Ironie, Humor, Sarkasmus, mit Ernst, mit Glut, mit Leidenschaft. Alles hat dieser Mann, um König zu sein. Der geborene Volkstribun. Der kommende Diktator.

23. November 1925

Ich komme an (in Plauen - d. Red.). Hitler ist da. Meine Freude ist groß. Er begrüßt mich wie einen alten Freund. Und umhegt mich. Wie lieb ich ihn! So ein Kerl! Und er erzählt den ganzen Abend. Ich kann nicht genug hören.

Eine kleine Versammlung. Ich muß auf seinen Wunsch zuerst sprechen. Und dann redet er. Wie klein ich bin! Er gibt mir sein Bild. Mit einem Gruß ans Rheinland. Heil Hitler!

13. April 1926

Mittwoch Abfahrt München ... Hitler hat angerufen. Will uns begrüßen. Wir rufen vom Cafe aus an. In einer Viertelstunde ist er da. Groß, gesund, voll Leben. Ich hab ihn gern. Er ist beschämend gut zu uns ...

Abends 8 h im Auto zum Bürgerbräu. Hitler ist schon da. Mir klopft das Herz zum Zerspringen. In den Saal. Tobende Begrüßung. Mann an Mann. Kopf an Kopf. Streicher eröffnet. Und dann rede ich 2 1/2 Stunde. Ich gebe alles. Man tobt, man lärmt. Am Schluß umarmt mich Hitler. Die Tränen stehen ihm in den Augen ...

Der Meister kommt. Hinein in sein Zimmer ». Warum mich dann ausschimpfen? Und dann ein ganzes Sammelsurium von Anklagen. Nobel und nett vorgebracht. Hitler ist auch da ein Kerl... Straßer und ich kommen übel weg. Jedes unbedachte Wort wird aufgewärmt. Herrgott, diese Schweine! ...

Hitler kommt. Prinzipielle Fragen: Ostpolitik. Soziale Frage. Bamberger Beweisführung. Er spricht 3 Stunden. Glänzend. Könnte einen irre machen. Italien und England unsere Bundesgenossen. Rußland will uns fressen. Alles das steht in seiner Broschüre und in dem nächstens erscheinenden 2. Bande seines »Kampf«.

Wir kommen aneinander. Wir fragen. Er antwortet glänzend. Ich liebe ihn. Soziale Frage. Ganz neue Einblicke. Er hat alles durchgedacht. Sein Ideal: Gemischter Kollektivismus und Individualismus... Ich bin bei ihm in allem beruhigt. Er ist ein Mann, nehmt alles nur in allem. So ein Brausekopf kann mein Führer sein. Ich beuge mich dem Größeren, dem politischen Genie! Herzlicher Abschied... Und nun soll Frieden sein unter uns. Wir gehen zum Essen und trinken uns dann vor Begeisterung einen an ...

16. April 1926

Noch in München. Gestern abend traf ich Hitler. Er lud mich gleich zum Abendessen ein. Eine liebliche junge Dame war dabei (wahrscheinlich Hitlers Nichte Geli Raubal - d. Red.), ein schöner Abend. Ich mußte allein mit dem Auto heim. Heute morgen um 10 h wurde ich abgeholt. Ich brachte ihm Blumen mit, worüber er sich sehr freute. Dann sprachen wir zwei Stunden über Ost- oder Westpolitik. Seine Beweisführung ist zwingend. Aber ich glaube, er hat das Problem Rußland noch nicht ganz erkannt. Auch ich muß manches neu überdenken ...

16. Juni 1926

Hitler der alte, liebe Kamerad. Man muß ihn als Mensch schon gerne haben. Und dazu diese überragende geistige Persönlichkeit. Man lernt nie bei diesem eigenwilligen Kopf aus. Als Redner ein wundervoller Dreiklang zwischen Geste, Mimik und Wort. Der geborene Aufpeitscher!

Mit dem Mann kann man die Welt erobern. Laßt ihn los, und er bringt die korrupte Republik ins Wanken. Sein schönstes Wort gestern: »Gott gab uns in unserem Kampf seine Gnade in überreichem Maße. Als schönstes Geschenk bescherte er uns den Haß unserer Feinde, die wir ebenso und aus vollem Herzen hassen.«

17. Juni 1926

Gestern mit Hitler in Cöln. Dom, Rhein, Ausstellung. Er kennt alles, ein Genie... In Essen sprach er vor 2000 Mitgliedern. Und fand die letzte Form des deutschen Sozialismus. So ein Kerl kann eine Welt umkrempeln ...

19. Juni 1926

Gestern sprach Hitler in Essen vor der Industrie. Fabelhaft! Die Großkopfeten haben ihn wohl zum größten Teil gar nicht verstanden. Hitler ist in allen Sätteln gerecht ...

6. Juli 1926

Weimar! Eine der wichtigsten Etappen auf unserem Weg. Dabei ein Erlebnis von unerschütterbarer Gewalt (Reichsparteitag der NSDAP - d. Red.)... Mein Referat über »Propaganda«. Ich werde mit Jubel empfangen. Meine Satire »Wenn ein Redner kommt« weckt endlose Heiterkeit. Hitler lacht sich halbtot. Hitler spricht. Von Politik, Idee und Organisation. Tief und mystisch. Fast wie ein Evangelium. Schaudernd geht man mit ihm an den Abgründen des Seins vorbei. Das Letzte wird gesagt. Ich danke dem Schicksal, daß es uns diesen Mann gab!

12. Juli 1926

... Weiter nach München. Um acht Uhr komme ich an. Zur Geschäftsstelle. Hitler kommt zufällig auch, im Bergdress. Sieht ganz putzig aus ...

23. Juli 1926

Gestern abend klopft es an meine Türe. Maurice. _(Emil Maurice, Hitlers Leibwächter und ) _(Fahrer. )

Hurra! Der Chef ist da... Droben liegt der Hochlenzer ... Vor dem Hochlenzer liegen wir in der prallen Sonne. Ich höre eine tiefe, klingende Stimme: der Chef. Mit Straßer und Rust. Wir begrüßen uns als Freunde. Und dann beginnt er zu erzählen. Die soziale Frage. Gedanken, die er damals in München entwickelte. Aber immer wieder neu und zwingend, mit schlagenden Beispielen belegt. Ja, diesem Mann kann man dienen. So sieht der Schöpfer des Dritten Reiches aus.

24. Juli 1926

Den Morgen zum Hochlenzer hinaus. Der Chef spricht über Rassenfragen. Man kann das so nicht widergeben. Man muß dabeigesessen haben. Er ist ein Genie, das selbstverständlich schaffende Instrument eines göttlichen Schicksals.

Ich stehe vor ihm erschüttert. So ist er: Wie ein Kind, lieb, gut, barmherzig. Wie eine Katze listig, klug und gewandt, wie ein Löwe, brüllend groß und gigantisch. Ein Kerl, ein Mann ...

Nach dem Abendessen sitzen wir noch lange im Garten des Marineheims, und er predigt den neuen Staat und wie wir ihn erkämpfen. Wie Prophetie klingt das. Droben am Himmel formt sich eine weiße Wolke zum Hakenkreuz ...

Spät gehen wir heim! Weit in der Ferne flimmert Salzburg. Ich bin etwas wie glücklich. Dieses Leben ist schon wert, gelebt zu werden. »Mein Kopf wird nicht in den Sand rollen, bis meine Mission erfüllt ist.« Das war sein letztes Wort. So ist er! Ja, so ist er!

25. Juli 1926

Sonntag! Wir wandern ein Stück den Weg hinab, setzen uns auf eine Bank, und dann erzählt er vom 9. November. Die Tragik der Germanen. Ludendorff hat wie ein Kind gehandelt. Der Chef ist ein gerissener Hund! Das weitere kann man noch nicht schreiben. Den Nachmittag sitzen wir auf seinem Zimmer und palavern. Er verhätschelt mich wie ein Kind. Der gütige Freund und Meister!

Draußen regnet''s in Strömen. Und Hitler erzählt! Abends: Er spricht von dem zukünftigen Architekturbild des Landes und ist ganz Baumeister. Dahinein malt er das Bild einer neuen deutschen Verfassung: Und ist ganz Staatskünstler!

Leb wohl, mein Obersalzberg. Diese Tage waren mir Richtung und Weg! Aus tiefer Bedrängnis leuchtet ein Stern! Ihm fühle ich mich bis zuletzt verbunden. Nun ist in mir der letzte Zweifel geschwunden. Deutschland wird leben. Heil Hitler!

Alle nicht sonderlich gekennzeichneten Zitate stammen von Goebbels.Reichswehr-Patrouille in Freiberg.Rechts: Goebbels'' späterer Stiefsohn Harald Quandt.Emil Maurice, Hitlers Leibwächter und Fahrer.

Wolfgang Malanowski
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