MILLIONEN FÜR NICHTS
In dem Prozeß um die Tagesschau-Melodie ist nun nach zwei Jahren ein Urteil ergangen, daß man nur als grotesk bezeichnen kann: Dem Rias-Abteilungsleiter Hans Carste und seinem Arrangeur Kühn wurden an diesem »Werk« gemeinsame Autorenrechte zuerkannt. Die von 1955 bis Ende 1966 vereinnahmten rund 500 000 Mark darf Carste behalten, aber die seit 67 auf Sperrkonto liegenden Tantiemen und alle weiteren müssen beide sich teilen.
Dabei habe ich doch zweifelsfrei nachgewiesen, daß diese Melodie schon vor 45 Jahren von Robert Stolz geschrieben worden ist. Die gleiche Tonfolge wenn auch in einem anderen Duktus -- finden wir schon bei Wagner ("Nie sollst du mich befragen") und Tschaikowski ("Schwanensee"). Das heldische Fanfarengeschmetter hat man nach meinem diskreten Hinweis inzwischen abgebaut.
Ich meine, es sei nun an der Zeit, daß sich die sonst so wendige Tagesschau einen anderen Vorspann mit einer tantiemenfreien Melodie sucht, denn der im Bild gezeigte Antennen-Urwald ist ja auch nicht gerade vorbildlich, und geeignete Musikmotive finden sich in der Musikliteratur zu Tausenden.
Der Streit um die Tagesschau-Melodie legt die Frage nah: Und wie ist das eigentlich mit dem Sandmännchen-Lied, das ja nun schon seit vielen Jahren tagtäglich und nicht nur sechs Sekunden lang! -- ausgestrahlt wird? Wer hat diese belanglose Musik so schlecht getextet oder diesen ganz und gar unkindlichen Text so unmusikalisch vertont? Wie viele Millionen haben die stillen Autoren damit schon in aller Stille für ein Nichts gescheffelt?
Hamburg EDUARD RHEIN
* Von 1941 bis 1965 Chefredakteur der von ihm mitbegründeten »Hör zu« und Erfinder des Füllschriftverfahrens für Schallplatten, das die Herstellung von Langspielplatten ermöglichte.