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Briefe

Mißtrauen wächst
aus DER SPIEGEL 11/1983

Mißtrauen wächst

(Nr. 8/1983, Peter Brügge über die Angst der Piloten vor der Mikroelektronik)

Mit Gruselgeschichten wie dieser stempelt Peter Brügges Anti-Pilot die Ausnahme zur Regel, und der ängstliche Passagier fühlt sich aus berufenem Munde bestätigt. Ihr Gewährspilot hat nämlich vergessen, wahrscheinlich nicht einmal erlebt, mit welchen Problemen seine älteren Berufskollegen und Techniker in früheren Jahren fertig werden mußten. Mechanische, hydraulische, pneumatische und elektrische Geräte waren um ein Vielfaches störanfälliger als die heutigen Systeme und Bauelemente fortgeschrittener Technologie.

Es ist nicht wegzudiskutieren, daß die vielgeschmähten Computer überall dort, wo sie den Menschen ersetzen können, deutlich zuverlässiger arbeiten als dieser. Das bedeutet weder, daß der Pilot überflüssig noch daß er überfordert wird. Hand und Kopf werden von Routinearbeit entlastet, der auch von mir geschätzte »fliegerische Instinkt« durch verbesserte Technik und Information gestützt.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß menschliche Fehler unvermeidbar sind. Das gilt für Computer- und »Software«-Designer in gleicher Weise wie für Flugzeugbesatzungen. Auch behauptet niemand, die Mikroelektronik arbeite absolut fehlerfrei. Entscheidend sind aber allein die meßbaren Fortschritte im Flugsicherheits- und Zuverlässigkeitsniveau, und die sind zweifellos beeindruckend. Dem durch Ihren Artikel verunsicherten Passagier mag zum Trost dienen, daß ausgerechnet die hauptsächlich kritisierten Flugzeugtypen Boeing 737 und Airbus A 300 in der Lufthansa-Zuverlässigkeitsstatistik ganz vorn stehen und auch in der Flugsicherheitsstatistik weltweit eine Spitzenposition einnehmen.

Hamburg DIPL.-ING. REINHARDT ABRAHAM Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes Deutsche Lufthansa AG

Seit rund 14 Jahren gehöre ich zu den »Mustermännern mit zweimal jährlich zu erneuernder Fitness-Lizenz« und bin seit fünf Jahren Kapitän auf der Boeing 737. Was die Fakten und Vorfälle betrifft, ist der Artikel zweifellos hervorragend recherchiert, und er gibt Stimmung und Empfindung eines großen Teils der Linienpiloten wider. Das Unbehagen der neuen Technologie gegenüber ist im Laufe der Jahre sicher nicht geringer geworden. Mit wachsender Erfahrung im Umgang mit ihr wächst das Mißtrauen, begründet durch eigene Erfahrungen mit nicht erklärbaren und nicht rekonstruierbaren Vor- und Ausfällen. In der Praxis führt dies zu unerwünschten Ablenkungen von der Aufgabe, eine optimale, das heißt eine sichere und effiziente Flugdurchführung zu gewährleisten.

Trotzdem bin ich der Meinung, daß dieser Artikel besser nicht veröffentlicht worden wäre. Gerade wegen seiner sachlichen Form ist er geeignet, beim fachlich nicht bewanderten Leser den Eindruck zu erwecken, das Fliegen sei unsicher geworden. Dies trifft jedoch nicht zu.

Erzhausen (Hessen) DIETER BADING Flugkapitän

Luftfahrt-Journalisten sind offensichtlich nicht in der Lage, solch einen Bericht zu verfassen, weil Industrie und Luftfahrtgesellschaften allzu großen Druck ausüben. Die kritische Auseinandersetzung mit der neuen Technik wird immer wieder als »Technik-Feindlichkeit« abgetan, um Kenntnisse über deren Fehlermöglichkeiten S.12 möglichst gering zu halten - und dabei setzt mein Unbehagen ein. Furcht? Ja, auch, und zwar immer dann, wenn die neue Technik nur deshalb in den Flugzeugen verwendet wird, um sie für eine wiederum neuere Generation von Flugzeugen zu erproben. Trotz aller Euphorie wäre eine etwas langsamere Einführung neuer Systeme jetzt wohl angebracht.

Bad Homburg (Hessen) VIKTOR JAUERNIG Flugkapitän A 300

Was ist mit Ihnen los? Da fliegen landauf, landab die »Fachjournalisten« zu beeindruckenden »Roll-outs« und »Roll-ins« und verharren andächtig vor sprechenden, schnarchenden, hupenden und blinkenden Digitalinstrumenten - und was machen Sie? Sie recherchieren einfach und machen unsere heile Welt kaputt] Sie beklagen, daß die Piloten über die Technik nicht mehr viel wissen, warum sollten sie? Damit sie noch mehr Fehler entdecken und den ganzen Fortschritt madig machen? Sie beklagen, daß die »Pushbuttons« alle gleich aussehen] Spielte nicht Rubinstein auch auf lauter gleich aussehenden Tasten, und das noch mit geschlossenen Augen? Stimmt, dieser tat auch nie einen Fehlgriff] Ob Sie mit diesem excellent recherchierten Bericht wirklich unseren Glauben an den Fortschritt erschüttern können?

Seeheim (Hessen) PAUL DEPPRICH Flugkapitän Boeing 737

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