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BERLIN Mit Auszeichnung

aus DER SPIEGEL 46/1966

In der Nacht zum 10. Mai dieses Jahres stoppte Richter Gerhard Prause, 53, im West-Berliner Villenvorort Kladow sein Kraftfahrzeug, um einen akademischen Sangesbruder ins Bett zu entlassen. Das gab einer Funkwagenbesatzung der Polizei Anstoß zum Einschreiten: Das Absetzmanöver vollzog sich verkehrswidrig in einer Halteverbots-Zone.

Da die Stunde vorgerückt war, erkundigten sich die Polizisten routinemäßig, ob der redselige Wagenlenker Alkohol genossen habe, was Richter Prause bejahte. Die amtliche Gesellschaft begab sich zur Blutprobe.

Im Krankenhaus schritt der trunkenheitsverdächtige Prause aufrecht wie ein Gardekürassier geradlinig den weißen Strich entlang. Auch die weiteren Reaktionstests bestand er mit Auszeichnung. Nur widerwillig zapfte ihm der Arzt einige Kubikzentimeter Blut ab. Zu Hause gestand Ehemann Prause seiner Frau den Grund des verspäteten Heimkommens, fügte aber besänftigend hinzu: »Mir kann gar nichts passieren. Der Arzt hat den Kopf geschüttelt, daß ich überhaupt vorgeführt wurde.«

Um so erstaunter war der Richter, als ihn eine Kollegin für Verkehrsdelikte beim Berliner Amtsgericht Tiergarten Anfang Oktober zum Termin lud. Denn die Blutprobe ergab, daß der Gerhard Prause ordentlich getankt und demzufolge juristisch als fahruntüchtig zu gelten hatte: 2;37 Promille.

Was das Recht bislang verneint, bestätigte in diesem Fall die Medizin: Maßstab für die Beurteilung, ob jemandvolltrunken und damit automatisch reaktionsunfähig ist, kann nicht der Promille-Gehalt sein. Denn der Bereitschaftsarzt versicherte dem Gericht, daß der Angeklagte in seltener Ausnahme keinerlei Ausfallserscheinungen gehabt habe - trotz eines erheblichen Genusses von Bier und Klarem.

Richter Prause war nicht vorbestraft und hatte »jederzeit ein ordentliches Leben geführt«, wie die Richterin feststellte. Sie bestätigte dem Angeklagten auch, er habe eine starke alkoholische Beeinflussung nicht bemerkt und sich voll fahrtüchtig gefühlt.

Dennoch war er dem Buchstaben des Gesetzes nach zu verurteilen. Kollegiale Milde wurde ihm nicht zuteil: Der Spruch lautete auf drei Monate Führerscheinentzug und 1500 Mark Geldstrafe - nach Berliner Praxis die Taxe für Mehrfachtäter.

»Um Ärger zu ersparen«, verzichtete der nunmehr vorbestrafte Prause auf Rechtsmittel.

Ungebrochen ist der Glaube der Ehefrau und Ärztin Prause in die Fahrkünste ihres Mannes: »Ich sage nach wie vor, bei ihm müssen die Fahrreflexe extra totgeschlagen werden, wenn er einmal stirbt.«

Richter Prause »Reflexe extra totschlagen«

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