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CDU Mit Charme verlieren

aus DER SPIEGEL 49/1964

Im Düsseldorfer Landtag wurden 92 Kognak-Schwenker geschwenkt: Landwirtschaftsminister Gustav Niermann, 44, feierte mit den christdemokratischen Fraktionskollegen seine Partei-Beförderung.

Zwei Tage zuvor, auf dem 17. Landesparteitag der CDU Westfalen-Lippe am vorletzten Wochenende in Dortmund, war Niermann zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden. 188 von 270 Delegierten hatten für den Landwirt aus Wehdem im Kreis Lübbecke gestimmt.

Niermann verließ den Goldsaal der Westfalenhalle als strahlender Sieger; Landesparteichef Josef Hermann Dufhues, zugleich auch Geschäftsführender Vorsitzender der Bundes-CDU, schien nicht eben enthusiasmiert.

Als später Photographen auf Dufhues zustrebten, legte er zwar brüderlich den Arm um die Schultern seines neuen Partei-Vize. Doch das Lächeln des CDU Managers war gequält: In Dortmund war dem »schwarzen Wehner« (so Nordrhein-Westfalens FDP-Vorsitzender Willi Weyer 1962 über Dufhues) zum erstenmal die absolute Kontrolle über seine westfälische Hausmacht entglitten.

Bestärkt von den westfälischen Christdemokraten, die nach der Rheinland -CDU (62 000 Mitglieder) mit 56 000 Mitgliedern die stärkste CDU-Landesorganisation stellen, hatte Dufhues bei innerparteilichen Streitigkeiten bisher stets erfolgreich operieren und sogar seinem Parteichef Konrad Adenauer die Stirn bieten können.

So durfte Dufhues im Sommer 1960 ungestraft an Adenauer herummäkeln, als der CDU-Bundesvorstand die Kanzler-Gründung der Deutschland -Fernsehen-GmbH debattierte. Dufhues zu Adenauer: »Wenn man so verfahren wollte wie Sie, hätte man auch die Bundeswehr als GmbH aufziehen können.«

Zwei Jahre darauf erzwangen die vereinigten rheinländischen und westfälischen Christdemokraten gegen den Willen Adenauers die Etablierung ihres Favoriten Dufhues als Geschäftsführenden Bundesvorsitzenden, und in diesem Sommer demonstrierte Dufhues dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Franz Meyers, wer Herr im Parteihaus ist: Parteifreund Meyers wollte den Sitz des Dritten Fernseh-Programms des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in die Landeshauptstadt Düsseldorf verlegen; WDR-Verwaltungsratsvorsitzender Dufhues sorgte dafür, daß die Anstalt in Köln blieb.

Der CDU-Manager war auch diesmal nach Dortmund gekommen, um seinen westfälischen Stoßtrupp zu formieren ("Sammeln wir uns"). Die Delegierten vernahmen erfreut den Wahl-Spruch: »Der Herrgott wird uns den Erfolg und Sieg nicht verweigern, aber er muß ihm abgetrotzt werden.«

Doch dann begannen sie aufzumucken. So verlangten die Westfalen - in Übereinstimmung mit der SPD und gegen ein Dufhues-Votum - die generelle und »nicht stufenweise« Lernmittelfreiheit für Nordrhein-Westfalen von Ostern 1965 an.

Alsdann überstimmten sie Dufhues, als er eine Satzungsänderung, nach der auch eine Frau in den Landesvorstand gewählt werden muß, bis zum nächsten Jahr verschieben wollte. Die Delegierten paukten die neue Bestimmung durch.

Ebenso unerwartet für den westfälischen CDU-Chef lief auch die Wahl seines Stellvertreters. Der Posten war durch den Tod der Bundestagsabgeordneten Dr. Luise Rehling im Mai dieses Jahres vakant geworden. Im Sommer wurde zum erstenmal Gustav Niermann, Vorsitzender der Lübbecker Kreis-CDU und ehemals Landrat, für das Parteiamt genannt. Der Landwirt, der im Kabinett des Dufhues-Rivalen Dr. Franz Meyers seit sechs Jahren als Agrarminister dient, wird von Parteigängern wie auch von politischen Gegnern geschätzt.

Dufhues hingegen sah die Kandidatur des Meyers-Vertrauten mit Unbehagen. Er fürchtete offenbar einen neuen Konkurrenten: Bauer Niermann kann intensiv das westfälische Parteifeld beackern, während Dufhues durch die Bonner Querelen am Rhein festgehalten wird.

Jedenfalls ermunterte Dufhues die Junge Union, bei der er das politische Handwerk erlernte, einen eigenen Mann zu präsentieren. Die christliche Jungtruppe ließ sich nicht lange bitten und schickte ihren stellvertretenden Bundesvorsitzenden Friedrich Vogel aus der Pferdestadt Warendorf ins Rennen. Doch Landwirt Niermann ging weit vor dem Jungaktivisten durchs Ziel.

Dufhues bewahrte dennoch Haltung: »Man muß auch mit Charme verlieren können.«

Nordrhein-westfälischer CDU-Chef Dufhues (r.), Stellvertreter Niermann: Aufgemuckt

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