»MIT DEM AUTO VOM BETT INS BÜRO«
SPIEGEL: Herr Professor, Sie haben das Gutachten für die Bundesregierung mitunterzeichnet, in dem sich namhafte Experten mit der deutschen Verkehrsmisere befassen (siehe Kasten). Wer jedoch neue Lösungen zum alten Thema Verkehrsnotstand erwartet hat, sieht sich enttäuscht: In dem Gutachten steht nicht viel mehr, als nicht schon lange bekannt wäre. Haben die Städteplaner resigniert?
TAMMS: Ich würde nicht sagen, daß sie resigniert haben - zumindest die nicht, die an diesem Gutachten mitwirkten.
SPIEGEL: Nun, die Gutachter schlagen unter anderem vor: Die öffentlichen Verkehrsmittel sollen Vorrang vor dem Individualverkehr haben; man will mehr Parkuhren aufstellen und Parkzonen einrichten, um die Dauerparker zu verscheuchen: große Betriebe und Behörden sollen zu verschiedenen Zeiten mit der Arbeit beginnen, damit der tägliche Ansturm der Berufstätigen etappenweise vor sich gehen kann - alles nichts Neues.
TAMMS: Aber durchführen muß man's. Im übrigen sind doch nicht nur solche Maßnahmen vorgesehen. Denken Sie an die Forderung, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen - und zwar nicht nur in den größeren Städten durch Schnellbahn- oder U-Bahnbau, sondern bis in die kleinen Städte hinein, wo noch Straßenbahnen oder Busse fahren sollen. Und es wird auch ganz eindeutig gefordert, an den Verkehrsbrennpunkten der Städte in zwei oder mehreren Ebenen zu bauen ...
SPIEGEL: Das heißt, an den Kreuzungen werden Hochstraßen etagenartig übereinandergelegt, damit der Autoverkehr flüssig bleibt.
TAMMS: Ja. Die Kommission ist durchaus davon ausgegangen, daß der Individualverkehr genau so notwendig ist wie der öffentliche Nahverkehr.
SPIEGEL: So?
TAMMS: Nur gewisse Teile des Individualverkehrs, die zu individuell sind ...
SPIEGEL: Der Verkehr von der Wohnung zum Arbeitsplatz?
TAMMS: ... können nicht in dem Maße abgewickelt werden, wie es vielleicht vom einzelnen gewünscht wird. Das allerdings, kann man sagen, ist eine Abwehrmaßnahme.
SPIEGEL: Die Kommission hat noch eine andere Abwehrmaßnahme empfohlen, und die trifft sich ja mit Ihren privaten,Vorstellungen: Die Arbeitnehmer sollen die Fahrt mit dem eigenen Kraftfahrzeug zum Arbeitsplatz nicht mehr von der Steuer absetzen dürfen.
TAMMS: Wir haben nur gesagt: Es ist ja nicht sehr sinnvoll, wenn wir den Mann, der mit dem Auto zum Dienst fährt, steuerlich noch begünstigen und damit jenen benachteiligen, der das öffentliche Verkehrsmittel benutzt.
SPIEGEL: Das ist nicht unlogischer als das Bemühen der Städte, mehr und leistungsfähigere Straßen anzubieten und damit immer größere Automengen ins Stadtinnere zu schaufeln, während man die Fahrer gleichzeitig daran hindern will, ihren Wagen für mehrere Stunden
abzustellen.
TAMMS: Nun, in Düsseldorf kommen heute - ohne die Parkhäuser - schon 30 Stellplätze auf 100 Wagen. Wir legen natürlich Wert darauf, daß unsere Parkhäuser, die zum größten Teil mit öffentlichen Mitteln geschaffen wurden, für den Kurzparker freigehalten werden.
SPIEGEL: Eben.
TAMMS: Stellplätze für Arbeitnehmer zu schaffen, ist Sache der Hausbesitzer und Unternehmen. Man muß sich daran gewöhnen, daß heute zu jeder Nutzfläche - sei es Büro, Laden oder Wohnung - ein Stellplatz gehört wie das Bad zur Wohnungseinrichtung. Sonst könnte eines Tages der soziale Standardt nicht mehr am Gehalt, sondern am Stellplatz neben dem Arbeitstisch gemessen werden.
SPIEGEL: Und wer keinen Dauerparkplatz findet ...
TAMMS: ... nimmt die Straßenbahn, ja. Es gibt eben irgendwo eine Grenze. Die Autobesitzer haben eine Verpflichtung der Allgemeinheit gegenüber. Man muß ihnen klarmachen, daß sie Teil des Staatsvolkes und auch des Stadtvolkes sind und nur im Rahmen ihrer beruflichen Aufgaben von dem rein individuellen Verkehrsmittel Gebrauch machen können.
SPIEGEL: Herr Professor, Sie glauben aber selber offenbar nicht recht an die Bereitschaft der Automobilisten, zum Nutzen der Allgemeinheit auf einen Teil der individuellen Freiheit zu verzichten, denn Sie haben doch harte Maßnahmen vorgeschlagen, um die Privatfahrer aus den Innenstädten auszusperren.
TAMMS: Sehen Sie, es ist doch ein großer Unterschied, ob das Auto für den Berufs- beziehungsweise für den Wirtschaftsverkehr gebraucht wird, oder ob der eigene Kraftwagen für die Fahrt von der Wohnung - vom Bett, wenn Sie wollen - bis zum Büroschemel benutzt wird'. Dieser Privatwagen, der nur eine oder anderthalb Personen befördert, steht dann während der Arbeitszeit womöglich noch auf einem teuren Parkplatz in der Innenstadt, oder er nimmt ein kostbares Stück Straße in Anspruch.
SPIEGEL: Für Sie gibt es also zwei Kategorien von Verkehrsteilnehmern - solche, die wirtschaftspolitisch wertvollen Verkehr ausüben, und solche, die dem Allgemeinwohl schaden, indem sie vom Bett zum Büroschemel fahren.
TAMMS: Das ist mir zu überspitzt formuliert. Aber ich habe so ähnliche Gedanken einmal in einem Vortrag vor der Arbeitsgemeinschaft für Forschung hier in Nordrhein - Westfalen geäußert...
SPIEGEL: ... und dabei auch vorgeschlagen, die Kaufpreise der Autos oder die Kraftfahrzeugsteuer dergestalt zu staffeln, daß derjenige am meisten zahlen muß, der sein Auto nur für die Fahrt zum Arbeitsplatz benutzt.
TAMMS: Ich bin damit allerdings auf wenig Gegenliebe gestoßen, weil es als Angriff auf die freie Wirtschaft verstanden wurde. Zum anderen ist es als eine unsoziale Maßnahme ausgelegt worden, weil der sozial Schwächere dann nicht mehr Auto fahren könne, während es den Leuten mit Geld nichts ausmachen würde.
SPIEGEL: Sie haben sogar zur Debatte gestellt, ob man nicht weit mehr Autos als bisher exportieren sollte, damit das Inlandsangebot verknappt wird und die Kaufpreise steigen.
TAMMS: Das ist eine Frage, die natürlich die Wirtschaft beantworten muß. Mir ging es mit meinen Vorschlägen vor allem darum, die Diskussion über die entscheidende Frage zu beleben, wie viele Autos wir überhaupt noch auf unseren Straßen unterbringen können.
SPIEGEL: In dem Gutachten sind Ihre ziemlich drastischen Ratschläge zur Einschränkung des sogenannten Individualverkehrs aber nicht zu finden.
TAMMS: Nein. Aber es ist ja den einzelnen Kommissionsmitgliedern nicht verboten, außerhalb des Gutachtens weiterzudenken. Wenn man weiß, daß sich die Automengen bis 1980 oder 1985 verdreifachen oder vervierfachen werden...
SPIEGEL: Heute haben wir in der Bundesrepublik 7,7 Millionen Pkw, 1980 soll es 18,4 Millionen geben.
TAMMS: ... ja, sehen Sie, dann muß man doch überlegen, wie man damit fertig wird. Und es ist ein legitimes Anliegen, darüber nachzudenken, ob man nicht bei der Ursache anfängt und fragt: Wo kommt's her?
SPIEGEL: Ja, wo kommt's her?
TAMMS: Wir haben zu viele Autos. Wenn Sie soviel Straßen bauen wollen, wie eines Tages Autos darauf fahren sollen, dann haben Sie keine Städte mehr - weil die Städte nur noch aus Straßen bestehen, die sinnlos sind, weil sie nirgendwo mehr hinführen.
SPlEGEL: Die Privatfahrer sollen also freiwillig aus ihren bequemen Autos steigen und sich in die überfüllten Nahverkehrsmittel zwängen?
TAMMS: Wir wollen ihnen ein Angebot machen, daß sie von selber kommen. Vor dem Krieg hielt man den Bau einer U-Bahn nur für vertretbar, wenn die Stadt zwei Millionen Einwohner - nachher waren es 1,5 Millionen hatte. Heute versuchen wir selbst in Städten wie Düsseldorf mit etwas über 700 000 Einwohnern, den Nahverkehr unter die Erde zu legen und ihn damit schneller und leistungsfähiger zu machen.
SPIEGEL: Ohne Rücksicht auf Rentabilität?
TAMMS: Die Wirtschaftlichkeit ist nicht allein entscheidend. Wir bauen heute solche unterirdischen Schnellverkehrswege aus ganz anderen Gründen, als sie seinerzeit in Berlin und Hamburg anstanden.
SPIEGEL: Damals waren Autos noch kein Problem.
TAMMS: Nein. Damals waren es Schnellverbindungen für jene Menschen, die draußen im Grünen wohnten und rasch in die Stadt kommen wollten. Heute heißt die Aufgabe, den Massenverkehr auf die vernünftigste und beste Art bis in den Stadtkern und durch diesen hindurch zu befördern; das geht unter der Erde am besten.
SPIEGEL: Bisher haben sich 14 westdeutsche Großstädte vorgenommen, Unterpflaster-Straßenbahnen oder U-Bahnen zu bauen.
TAMMS: Eine kleine Gruppe, ja. Sie
wird sich jetzt wahrscheinlich noch vergrößern. Denn Massenverkehr muß mit Massenverkehrsmitteln bewältigt werden. Sehen Sie, in Manhattan befördern die öffentlichen Verkehrsmittel 95 Prozent des gesamten Verkehrs; in London sind es 92 Prozent, in Philadelphia 74 Prozent...
SPIEGEL: ... und in Hamburg auch schon 72 Prozent. Die Hamburger bauen ihr Nahverkehrsnetz und vor allem die U-Bahn in großem Umfang aus. Allerdings muß die Hamburger Hochbahn AG gleichzeitig den Betrieb einschränken - weil es an Personal mangelt. Zur Zeit fehlen allein 300 Fahrer und Schaffner.
TAMMS: Das Problem ist ernst, ich weiß. Aber ein Ausweg zeichnet sich schon ab. Lassen Sie mich ein kleines Beispiel einfügen: Die Stadt Düsseldorf und das Land Nordrhein-Westfalen haben jetzt bei Herrn Ministerpräsident Dr. Meyers einen Vertrag mit der Bundesbahn unterschrieben. wonach eine S -Bahn-Linie über 30 Kilometer vom nördlichen Landkreis quer durch Düsseldorf und wieder hinaus in den südlich anschließenden Landkreis gebaut werden soll. Und bei dieser Gelegenheit hat der Bundesbahnchef, Professor Oeftering, erklärt, daß er den Tag kommen sieht, wo dieses System automatisch fährt - das heißt ohne Führer.
SPIEGEL Wann kommt dieser Tag?
TAMMS: Die technischen Voraussetzungen sind bereits heute vorhanden. Und es steht auch schon fest, daß die Verkehrssicherheit durch solche elektronischen Systeme nicht beeinträchtigt wird.
SPIEGEL: Schnellbahnen ohne Fahrer, vielleicht auch automatische Zugabfertigung - damit wäre die Personalfrage gelöst. Aber was kostet das? Bundesbahn und Nahverkehrsbetriebe stecken in den roten Zahlen.
TAMMS: Die Personalfrage ist doch auch eine Geldfrage. Wenn wir auf der einen Seite sagen, der öffentliche Nahverkehr ist die Rettung für die Zukunft, dann müssen wir eben, bereit sein, für den Nahverkehr mehr Geld auszugeben.
SPIEGEL: Das Gutachten sagt, die Nahverkehrsbetriebe sollten nach Möglichkeit zu einer »kostendeckenden Eigenwirtschaftlichkeit« kommen.
TAMMS: Die Verkehrsbetriebe der öffentlichen Hand arbeiten zur Zeit ohnehin durchweg mit Unterbilanzen. Wenn wir unsere Städte retten und die Wirtschaftsräume mit den Verkehrsströmen versorgen wollen, die sie brauchen, dann müssen wir wahrscheinlich zum Beispiel den Wege- und Gleisbau finanzieren helfen weil das im Rahmen der Eigenwirtschaftlichkeit nicht mehr zu erreichen ist.
SPIEGEL: In Hamburg ist ja sogar
schon die Idee vorgebracht worden, die Leute umsonst fahren zu lassen.
TAMMS: Das würde ich für eine Katastrophe halten. Die Zuschußkosten würden dann zu groß werden - in der Bundesrepublik etwa zwei Milliarden Mark, die aus Steuermitteln bezahlt werden müßten.
SPIEGEL: Aber dann wäre der Nahverkehr doch so attraktiv, wie Sie ihn sich wünschen?
TAMMS: Ich weiß nicht. Nach dem Prinzip »Was nichts kostet, ist nichts« könnte es durchaus sein, daß trotzdem nicht alle Leute plötzlich auf das öffentliche Nahverkehrsmittel abwandern. Die Liebe zum Auto ist zu groß. Ich kenne ein Nahverkehrsunternehmen, dessen Betriebsangehörige alle Freifahrt-Karten haben; zwei Drittel kommen dennoch mit dem eigenen Wagen ins Büro
SPIEGEL: Wenn ein Automobilist, der sich täglich durch verstopfte Straßen quälen und den Parkplatz-Ärger auf sich nehmen muß, nicht einmal durch kostenlose Fahrten in die Straßenbahn zu locken ist, wie wollen Sie ihn dann hineinbekommen?
TAMMS: Es gibt doch auch andere Möglichkeiten: Aufklärung, psychologische Beeinflussung, moderne Werbemethoden.
SPIEGEL: Glauben Sie wirklich, daß ein Appell an das staatsbürgerliche Bewußtsein mehr bewirkt als die Offerte kostenloser Beförderung?
TAMMS: Irgendwie ist doch jeder Bürger dieses Staates, und irgendwie bilden wir doch eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft.
SPIEGEL: Hm.
TAMMS: Da muß doch jeder einsehen, daß er seinen Obolus dazu beitragen muß. Und er muß auch einsehen, daß er seinen Job verliert und eines Tages arbeitslos auf der Straße steht, wenn die Kernstadt nicht mehr funktioniert. Das sind doch Dinge, die man vernünftigen Menschen beibringen kann ...
SPIEGEL: ... zu einem Zeitpunkt, da das Auto noch immer Status-Symbol in Deutschland ist?
TAMMS: Es wird noch sehr lange Status-Symbol bleiben. Aber es genügt doch, das Status-Symbol in den Vorgarten zu stellen, alle Leute vorbeispazieren zu lassen und ihnen zu zeigen, daß man einen solchen Wagen hat und damit zum Wochenende oder in den Urlaub losfahren kann.
SPIEGEL: Fahren Sie mit dem Auto zum Dienst?
TAMMS: Ja. Aber ich fahre nicht zu den Hauptverkehrszeiten, und außerdem bin ich kein Dauerparker, weil ich einen Fahrer habe.
SPIEGEL: Offenbar scheuen Sie genau wie andere Autofahrer die Mühsal, von einem Verkehrsmittel in das andere umzusteigen und dabei vielleicht noch zwei- oder dreimal bezahlen zu müssen.
TAMMS: Sie spielen auf den Einheitstarif an?
SPIEGEL: Ja. Man sollte doch meinen, die Verkehrsbetriebe hätten zumindest den Einheitstarif - ein Fahrpreis und eine Fahrkarte für Bus, Straßenbahn, U-Bahn. S-Bahn oder was es sonst gibt - einführen können.
TAMMS: Ich habe immer wieder gesagt - und bin damit schon ins Fettnäpfchen getreten: Wenn ich von Narvik nach Sansibar will, kaufe ich in einem Reisebüro ein einziges Ticket und kann damit per Schiff, Eisenbahn und Flugzeug über Staatsgrenzen hinweg bis an mein Ziel kommen. Nur bei uns, im öffentlichen Nahverkehr, stoßen wir da auf eine nahezu unüberwindliche Wand. Ich halte das für eins der entscheidenden Probleme überhaupt.
SPIEGEL: Werden Sie dies Problem bei der geplanten Düsseldorfer S-Bahn lösen?
TAMMS: Dieses S-Bahn-System muß mit den anderen Nahverkehrsmitteln eng verzahnt werden. Das heißt: Ich muß draußen in der Nähe von Langenfeld mit einer Fahrkarte den Bus besteigen, auf dem nächsten S-Bahnhof umsteigen und in der Düsseldorfer Innenstadt wieder auf ein anderes Verkehrsmittel überwechseln können, ohne dreimal zahlen zu müssen.
SPIEGEL: Das ist beschlossene Sache?
TAMMS: Die Bundesbahn hat gesagt, daß sie das genauso betrachtet wie wir. Auch Dr. Oeftering glaubt, dieses Problem sei zu lösen.
SPIEGEL: In Hamburg bemüht man sich seit vielen Jahren, es zu lösen.
TAMMS: Ich kenne das. Aber Hamburg könnte ein Modellfall sein.
SPIEGEL: Hoffentlich nicht ein Modellfall in bezug auf die Langwierigkeit solcher Verhandlungen.
TAMMS: Über Nacht geht's natürlich nicht. Unsere Verkehrsprobleme sind so schwierig, daß wir Zeit brauchen. Auch die Gutachter-Kommission, in der ich mitgearbeitet habe, hat ja lange Fristen eingeplant: Die Vorschläge zur Behebung der Verkehrsnot sind auf einen Zeitabschnitt von 25 bis 30 Jahren berechnet. Das erste Ziel ist das Jahr 1975.
SPIEGEL: Und die Kosten haben die Gutachter auf 247 Milliarden Mark geschätzt. Wer soll das bezahlen - Bund, Länder, Gemeinden?
TAMMS: Die Frage, wie diese Summen aufzubringen sind, ist weder von
der Kommission behandelt worden, noch war es ihr gestattet, darüber Ausführungen zu machen.
SPIEGEL: Wer soll es denn tun?
TAMMS: Die ganze Sache ist ein Politikum höchsten Grades: Hier steht eine politische Entscheidung an, die nur vom Gesetzgeber getroffen werden kann.
SPIEGEL: Ebenso ungeklärt wie die Finanzierung ist auch die Frage, wie das Riesenprojekt technisch bewältigt werden soll.
TAMMS: Das bewegt auch mich. Unsere Ingenieurkapazität ist natürlich nicht unbegrenzt.
SPIEGEL: Die Baukapazität etwa nicht?
TAMMS: Nicht so sehr die Baukapazität ... Hier geht es um eines der größten Probleme: Man muß viel mehr Städtebauer in größerem Umfänge haben als bisher. Man muß Soziologen haben und Volkswirtschaftler, um -den Städtebau besser ergründen zu können. Man muß Bau-Ingenieure haben, Verkehrsplaner, ja ich möchte sagen, man braucht auch mehr Verwaltungsfachleute, um das Planverfahren durchführen zu können, und man braucht sogar viel mehr Liegenschaftsfachleute.
SPIEGEL: Diese Fachleute kann aber auch der Gesetzgeber nicht herbeischaffen.
TAMMS: Nein, diese Fachleute können wir nur gewinnen, wenn sich bei uns die Einsicht breitmacht,- daß die Verkehrsplanung lebenswichtig ist - wie sich auch beim einzelnen Autofahrer die Einsicht durchsetzen muß, daß, um Goethe zu zitieren, nur erlaubt ist, was sich ziemt. Nicht das also, was dem einzelnen gefällt, darf gemacht werden, auch nicht im Straßenverkehr, sondern nur das, was sich ziemt im Rahmen des Allgemeinen.
SPIEGEL: Herr Professor, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Tamms: (M) beim SPIEGEL-Gespräch in seinem Düsseldorfer Arbeitszimmers Hochstraße in Düsseldorf: »Wenn wir nur noch Straßen bauen ...
Geplantes Rathaus in Düsseldorf (Modell)
... haben wir keine Städte mehr«
Zur Untergrundbewegung kommandiert
Autofahrers
letzte Konsequenz
»Erst Führerschein abgeben ...!«
Streng nach Klassen getrennt
Nahverkehrsmittel Straßenbahn (Düsseldorf): »Der Massenverkehr ...
... verlangt Massenverkehrsmittel": Nahverkehrsmittel S-Bahn, U-Bahn (Hamburg)
* Mit SPIEGEL-Redakteuren Günter Rau (l.) und Rolf S. Müller.