CDU-WIESBADEN Mit dem Hammer
Bodenspekulanten wurden vergrault, der Bau von Bürosilos verhindert. Wo einst Stadtplaner in Wiesbadens City Autobahnstraßen projektierten, wuchsen später Bäume und Gras in verkehrsfreien Alleen. Im Aufsichtsrat der Stadtwerke genossen Arbeitnehmer volle Parität, Mieterbeiräte bestimmten in stadteigenen Wohnungen mit.
Der Jungsozialist Jörg Jordan, Dezernent für Stadtentwicklung, entschied in Hessens Hauptstadt über Wohnen und Umwelt. Er baute behagliche Fußgängerzonen, drängte den Durchgangsverkehr aus der City. Ganze Straßenzüge stellte Jordan unter Denkmalschutz, um Häuser und Grundstücke vor dem spekulativen Zugriff privater Investoren zu bewahren.
Mit dem »kleinen Einmalmarx der grünen Bäume« ("Frankfurter Rundschau") ist es nun vorbei. Seit der Kommunalwahl im März regiert in Wiesbaden die CDU mit absoluter Mehrheit.
Städtischen Boden, von den Genossen seit Jahren nur noch in Erbpacht vergeben, um Spekulanten abzuschrecken und das Bauen für einkommensschwache Bürger zu ermöglichen. überläßt die CDU fortan auch wieder privaten Geldanlegern. »Die Spekulanten wittern Morgenluft«, fürchtet SPD-Fraktionschef Achim Exner, »aber der Stadt fehlen bald die billigen Grundstücke für Sozialeinrichtungen.« Die Sozialdemokraten befürchten, daß citynahe Villenviertel als »Gettos der Reichen« (Jordan) veröden und Altstadtquartiere in Sanierungsgebieten« vollgepfercht mit Ausländern und sozial Schwachen, verslumen.
Für die kommunale Wohnungsvermittlung, bislang gebührenfrei, sollen die Wohnungssuchenden -- so ist es jetzt geplant -- wieder zwei bis drei Monatsmieten hinblättern.
Neben den Maklern werden auch die Chefärzte der städtischen Kliniken von den CDU-Reformen profitieren. Das private Liquidationsrecht. das Wiesbaden als erste bundesdeutsche Kommune abgeschafft hatte, wird wieder eingeführt. »Wer sich"s leisten kann«, gibt Wiesbadens CDU-Chef, der Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Jentsch, unumwunden zu, »soll sich einen Chefarzt kaufen.« SPD-Chef Frank Beucker: »Das ist Minderheitenschutz à la CDU.«
Alfred Dreggers schneidiger Statthalter Manfred Kanther, designierter Oberbürgermeister der Landesmetropole, hat das Ende der »sozialistischen Republik Wiesbaden« ausgerufen, an ihrer Stelle die »liberale, sympathische und geistig weit geöffnete Landeshauptstadt« proklamiert.
Wie weit die geistige Weite der Christdemokraten noch gehen soll, haben die Wiesbadener Unionspolitiker schon bei ersten parlamentarischen Initiativen erkennen lassen. Sie zogen gegen eine von Pazifisten veranstaltete »Friedenswoche« zu Felde, weil der Ruf nach Abrüstung mit einer »Schwächung der Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik« verbunden sei.
Unionschristen versuchten, eine von Sowjetbotschafter Walentin Falin vorletzte Woche eröffnete Ausstellung über russische Malerei zu verhindern und möchten der Stadtbücherei untersagen, Taschenbuchreihen anzubieten, die »eindeutig einer politischen Indoktrinierung im Sinne des Sozialismus dienen«.
Intendant Peter Ebert, der sich erlaubt hatte, nicht nur »Theater für Amüsierbengels und Sektfabrikantenwitwen« ("Frankfurter Rundschau") zu machen, sondern auch mal ein provokatives Stück zum Radikalenerlaß ins Programm aufzunehmen, wurde weggeekelt. Er nahm ein Engagement in Edinburgh an.
Die Wiesbadener CDU entwarf eine Art innerstädtischen Radikalenerlaß, der sich gegen alle »Mitglieder links- und rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen« in den nach CDU-Meinung »linksradikalen Jugendklubs« richtete, Die CDU betreibt die Ablösung des Jugendamtleiters Jörg Bourgett (SPD), weil er unter den Betreuern für arbeitslose Jugendliche, Rocker und Obdachlose auch Anhänger »verfassungsfeindlicher Organisationen -- gemeint sind DKP, DFU und Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) -- geduldet hatte.
»Dann müssen sie auch Wiesbadens Ehrenbürger Martin Niemöller als Vertreter von DFG und Kriegsdienstgegner aus den Jugendzentren verweisen«, erregte sich der FDP-Abgeordnete Rainer Lorenz über den anmaßenden Beschluß der CDU, »mit dem die im Magistrat Verfassungsgericht spielen wollten« (so der SPD-Stadtverordnete Wolfgang Hessenauer).
In großflächigen Zeitungsanzeigen wehren sich inzwischen auch die Wiesbadener Liberalen gegen die CDU"Politik des Rückschritts«. Entgegen der Ankündigung, im Schulsektor die »Wahlfreiheit der Eltern« (Dregger) zu respektieren und auf eine »Verwirklichung der reinen CDU-Lehre mit dem Hammer« (Kanther-Versprechen) zu verzichten, würgen die Christdemokraten Oberstufengymnasien, Gesamtschulen und Förderstufen ab -- gegen den erklärten Willen der Eltern, deren Vorstellungen eben nicht ins bildungspolitische Konzept der Union passen.
Der zaghafte Versuch der Wiesbadener Sozialdemokraten, etwas mehr soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, vom CDU-Landesvorsitzenden Dregger als »sozialdemokratische Mißwirtschaft« einer »ultralinken Fronde« abgetan, wird gestoppt. So erhöht die CDU die Fahrpreise für Busbenutzer. denen die Sozialdemokraten in zwölf Jahren nur einmal etwas mehr für den Sammelfahrschein abverlangt hatten.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende, Bremens Bürgermeister Hans Koschnick, zog auf einem kommunalpolitischen SPD-Kongreß in Kassel die Bilanz: »Wiesbaden ist für mich die beste Dokumentation dafür, was die Schwarzen heute wirklich wollen.«