Mit deutscher Gründlichkeit
Nr. 48/1997, Denkmäler: Vier Entwürfe für das Berliner Holocaust-Mahnmal
Warum läßt man nicht Holocaust-Überlebende diese wichtige Entscheidung mittragen? Statt eine monumentale Plastik aufzustellen, lieber ein flächendeckendes Loch in das Areal graben. Gibt es ein eindeutigeres Sinnbild dafür, was das Nazi-Regime den Juden angetan hat? Ein Massengrab, das gleichzeitig ein riesiges klaffendes Loch in Europa gerissen hat.
KETSCH (BAD.-WÜRTT.) SABINE BOCK
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Ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust - und jetzt erst Suchen nach einem adäquaten Denkmal? Das ist ein Armutszeugnis. Wie wäre es, wenn man zwei Schweigeminuten einführt - wie alljährlich in Israel - wenn jegliche Tätigkeit eingestellt und nur über Opfer und Täter nachgedacht wird? Das könnte doch dem Sinn des Anliegens eher entsprechen.
BERLIN HANS JACOBUS
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Die Deutschen wußten damals, was mit ihren Mitbürgern mit den »Judensternen« geschah. Und weil das mit deutscher Gründlichkeit und zentral gesteuert geschah, brauchen wir jetzt ein Holocaust-Denkmal, zentral und bombastisch. Mit deutscher Gründlichkeit, versteht sich. Es gibt in Berlin-Steglitz ein Holocaust-Denkmal, wie es erschütternder nicht sein kann. Man erkennt es kaum, bis man plötzlich davorsteht. Dann sieht man das eigene Gesicht im Spiegel, hinter den Namen von Männern, Frauen und Kindern, die verschwanden. Und man fragt das Gesicht dahinter: Was hast du damals getan, um es zu verhindern? Oder: Was hättest du getan? Wir brauchen dieses Monsterdenkmal nicht, dem fast jeder aus dem Weg gehen wird. Wir brauchen den Spiegel mit den Namen, mindestens einen in jedem Stadtteil.
RATZEBURG JOACHIM MAASS