Mit Freude und Erschrecken
Nr. 31/2005, Hauptstadt: Streit um die Rekonstruktion des Neuen Museums in Berlin
Über den Tenor des Artikels zum Umbau des Neuen Museums in Berlin habe ich mich wirklich geärgert - ich halte ihn nicht nur architektonisch für ein wirklich interessantes Projekt, das endlich auch einmal die jüngere Geschichte berücksichtigt und nicht so tut, als könnte oder sollte man direkt an die glorreiche preußische Geschichte anknüpfen. Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, ein längst vergangenes, damals schon kitschiges »Schatzhaus« wieder herzurichten, von dem einfach nichts mehr da ist.
BERLIN MARIE VIGENER
Der Artikel war überfällig. Ursprünglich bekam David Chipperfield den Auftrag zur Herstellung des Gebäudes, weil er die größtmögliche Nähe zum Stülerschen Original versprach. Er bekannte sich als einziger unter den Wettbewerbsteilnehmern zu »einer Rekonstruktion des Neuen Museums, die in der vollständigen Wiederherstellung des Stülerschen Treppenhauses ihren Höhepunkt findet«. Die derzeitige Realisierung entspricht in keiner Weise der Ausgangsvereinbarung. Statt Rekonstruktion werden wir konfrontiert mit teurer Ruinenromantik. Offensichtlich beschloss ein kleiner Zirkel nicht gewählter Oligarchen von Museumsdirektoren, Denkmalpflegern und Architekten die jetzigen Maßnahmen hinter verschlossenen Türen. Diese Willkür gehört sofort gestoppt!
BERLIN DR. HANS-RUDOLF KRÜGER
Chipperfields abgestuftes Erneuerungskonzept stellt den Einblick in den respektvollen Umgang mit der Ruine des großartigen Stüler-Baus dar. Mit diesem setzte er sich 1997 im zweiten Durchgang gegen den Dekonstruktivisten Frank O. Gehry durch, unterstützt von der Stiftung als Bauherrin, vom Fachverstand der deutschen Denkmalpfleger und auch von der Welterbekommission der Unesco, als sie die Museumsinsel einschließlich des Projekts auf ihre Liste setzte. Die naive Rückkehr zum alten Glanz, die der emsige Nostalgietrupp der Gesellschaft Historisches Berlin nun anzuzetteln sucht, würde den ehrwürdigen Patienten Neues Museum durch sein eigenes Surrogat erschlagen: megapeinlich für unser Verständnis von Kunst und Geschichte und - nebenbei - keineswegs preisgünstiger.
BERLIN PROF. DR. ADRIAN VON BUTTLAR
VORSITZENDER DES LANDESDENKMALRATES
Ihren Artikel habe ich mit Freude und Erschrecken gelesen. Einerseits ist es für Menschen wie mich, die jahrzehntelang Ruinen sahen, ein wirkliches Glück, Kulturdenkmäler wiedererstehen zu sehen. Andererseits erschreckt mich, dass vor jedem dieser Bauvorhaben die alte Diskussion wieder losbricht, ob man nicht besser die Wunden erhalten und nur konservieren solle. Wenn wir auf diese Argumentation gehört hätten, wären wir heute mit Ruinenresten und Gedenktafeln umstellt und hätten noch weniger von dem vor Augen, was Geschichte anschaulich macht und auch die Jungen dazu ermuntert, ein großes, verpflichtendes Erbe zu bewahren.
GROßHANSDORF HANNEMARIE SCHWABE