IMMOBILIEN Mit fünf Mark dabei
Wenn wir nur wüßten, wo das viele Geld geblieben ist«, rätselte der Wiesbadener Konkursrichter. Sieben Millionen Mark forderten die Gläubiger, als der Immobilienmakler Wolfgang Bernschein, 24, nach zweijährigem Wirken seine Bücher schloß und der Staatsanwalt die Strafakte wegen Verdachts des betrügerischen Konkurses eröffnete.
Bernscheins Pleite ist der jüngste Skandal in einer Branche, die den Traum des bundesdeutschen Kleinbürgers von Vermögensbildung und trautem Heim mit wachsendem Erfolg ausmünzt. Seit 1954 stieg der geschätzte Wert der jährlich vermakelten Immobilien von vier auf etwa 30 Milliarden Mark.
Die Zahl der im Immobilien- und Finanzierungsgeschäft tätigen Steuerpflichtigen mit Jahreseinkommen über 20 500 Mark nahm zwischen 1962 und 1964 um fast 1000 auf 5941 zu. Sie versteuerten Provisionseinnahmnen in Höhe von 1,223 Milliarden Mark.
Makler brauchen weder fachliche Qualifikation noch treuhänderische Zuverlässigkeit nachzuweisen. Unbesehen wird allen der Gewerbeschein ausgehändigt; mit fünf Mark Gebühr sind sie dabei.
So war es kein Wunder, daß sich das Vermittlergewerbe zu einem »Tummelplatz unlauterer Elemente« entwickelte, wie der Bundesverband Ring Deutscher Makler klagt. Das »katastrophale Ansehen« des Berufsstandes sei die Schuld
- »einer nicht unbeachtlichen Zahl von Maklern... denen die notwendigen Fachkenntnisse und Erfahrungen völlig fehlen«, und
- gewissenloser Geschäftemacher, die es verstanden, die Situation auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt auszunutzen«.
Die Wiesbadener Millionen Affäre ist symptomatisch. Wolfgang Bernschein, den sein Anwalt jetzt als »so ein Bübchen« exkulpiert, gab sich im Stil der Zeit, mit eigenem Reitstall, großspurig als erfolgreicher Experte. Er jonglierte mit Grundstücken und Bauprojekten, ohne auch nur eine ordnungsgemäße Bilanz vorzeigen zu können.
Vergebens forderten Maklerverband und Bundestag, durch eine Novelle zu der antiquierten Gewerbeordnung die Öffentlichkeit vor den Freibeutern der Wohnungsbranche zu schützen. Die Bundesregierung verschanzt sich hinter den Prinzipien der Gewerbefreiheit von 1869 und der Marktwirtschaft von 1948.
Der ständig anwachsende Immobilienmarkt, ein Dschungel des öffentlichen und privaten Rechts, ist für den Laien undurchschaubar. Lediglich die Höhe des Maklerlohns wird durch ortsübliche Gebühren geregelt.
Allein in Bayern wechselten während der vergangenen vier Jahre 150 Quadratkilometer Grund und Boden den Eigentümer. In Frankfurt müssen von 50 000 Kataster-Akten jährlich 20 000 bearbeitet werden. Die »Frankfurter Allgemeine« breitete im vergangenen Jahr auf 453 Inseratenseiten 25 545 Immobilien-Offerten aus und meldet in diesem Jahr eine Steigerung um 14,6 Prozent.
Auf diesem Markt können Winkelmakler ungestraft aus der Wohnungsnot Kapital schlagen. Mit Lockanzeigen geköderten Interessenten nehmen sie bia zu 100 Mark Einschreib- und Bearbeitungsgebühren ab und liefern oft dann doch keine Wohnung. Der Trick ist legal, wie ein Frankfurter vor Gericht erfahren mußte. Er wurde verurteilt, 1000 Mark dafür zu bezahlen, daß ihm ein Makler ein Objekt gezeigt hatte, das er am Ende nicht bekam. Der Kunde hatte die Geschäftsbedingungen nicht genau gelesen, alt er sie unterschrieb. Nach Paragraph 652 des Bürgerlichen Gesetzbuches hat zwar der Makler nur bei Erfolg Anspruch auf Bezahlung. Aber er kann unabhängig davon Aufwendungen geltend machen, »wenn es vereinbart ist... auch dann, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt.« Betrüger machen sich das zunutze. So kassierte in Nürnberg der dreizehnmal vorbestrafte Siegfried Herbert Gärtner von 111 Wohnungssuchenden 36 000 Mark, ohne auch nur eine Wohnung an der Hand zu haben. Mit unklaren Immobilientransaktionen schädigten in München die Makler Elisabeth Sievert und Alfred Abicht ihre Klienten um 124 000 und 200 000 Mark. Gegen den Frankfurter Richard Kempf ermittelt die Staatsanwaltschaft; geschätzter Schaden: 500 000 Mark. Da Bonn untätig bleibt, versuchen diejenigen Makler, die ohne Makel sind, ihr Branche moralisch aufzurüsten. Der Ring Deutscher Makler fordert seit einiger Zeit die Gründung regionaler Immobilienbörsen nach Hamburger Vorbild, an denen wie an Wertpapierbörsen Angebot und Nachfrage öffentlich ausgeglichen werden sollen. Mit der vor kurzem in Frankfurt etablierten Immobilien und Finanzbörse will Dr. Waldemar Hees, 42, Geschäftsführer an der Industrie und Handelskammer Frankfurt, den bisher größten Versuch wagen, »einen der heißesten und wildesten Märkte in den Griff zu bekommen.« An der wöchentlich einmal tagenden Börse tauschen Makler ihre Wohnungs- und Grundbesitz-Offerten aus. Auf weißen Zetteln werden Immobilien gesucht und angeboten. Zufallsmakler, die Objekte nur vom Hörensagen kennen, haben keine Chance, denn sie müssen genau beschreiben, was sie bieten oder suchen.
Dr. Hees: »Bei überhöhten Forderungen und Ansprüchen bietet die Börse Ausweichmöglichkeiten auf ein ähnliches Objekt in weit größerem Umfang, als es bei einem einzelnen Makler möglich ist.«
Dadurch, daß der Immobilien-Vermittler nicht in seinem Kämmerlein, sondern vor der Öffentlichkeit auftritt, hoffen Deutschlands Makler, die Ganoven ihrer Zunft kaltstellen zu können. Dr. Hees sagt: »Durch Paragraph 16 der Börsenordnung ersetzen wir die leider fehlenden bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen.«
Danach muß jedes Börsenmitglied zwei ehrbare Gewährsmänner benennen und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Von den über 400 Frankfurter Maklern erklärten sich bei der Gründung noch nicht einmal 70 dazu bereit und in der Lage.
Börsen-Gründer Hees
Auf dem wildesten Markt ...
... ein Platz für Ehrbarkeit Immobilienbörse in Hamburg