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Mit Infrarot gegen DDR-Flüchtlinge?

aus DER SPIEGEL 8/1979

Das Gerät funktioniere »bei Tag und bei Nacht, im Sommer und im Winter«, es gebe »keine Möglichkeit, es auszutricksen« -- so hatte der »Stern« in seiner letzten Ausgabe eine »neue Geheimwaffe« vorgestellt, mit der DDR-Grenzer an sechs Kontrollstellen ausgerüstet seien, um im Auto-Kofferraum verborgene DDR-Flüchtlinge aufzuspüren.

Insgesamt zehn Infrarot-Sichtgeräte »Thermovision 680« ähnliche Apparate werden für das Aufspüren von Krebsgeschwulsten in der Brust oder zum Test von Wärme-Isolierung in Häusern benutzt -- habe die DDR bei der schwedischen Firma »Aga« gekauft. Ein »Stern«-Photo, aufgenommen bei einem von Fachleuten arrangierten Versuch, zeigte die angeblich verräterische Aufhellung des Kofferraums (SPIEGEL-Pfeil).

Die Herstellerfirma dementierte: Ihre Geräte seien nicht für diesen Zweck gebaut. In Tests hätten sich vergleichbare Aufnahmen, wie der »Stern« sie präsentierte, nicht herstellen lassen.

In der Tat scheinen die Angaben des »Stern« zweifelhaft. Zwar vermögen die Infrarot-Bildgeräte, hauptsächlich für militärische Zwecke entwickelt, auch noch geringfügige Wärmeunterschiede sichtbar zu machen. Lkw. Panzer oder lebende Gegner werden dabei, wegen ihrer im Vergleich zur Umgebung größeren Wärmeabstrahlung, auch hei stockdunkler Nacht erkennbar. Fraglich erscheint jedoch, ob die von einem im Kofferraum verborgenen Menschen abgegebene Wärme unter normalen Umständen ausreicht, das Infrarot-Bild eines Fluchtfahrzeugs merklich zu verändern.

Eine Vielzahl von Umweltbedingungen, etwa. Wind, Sonneneinstrahlung, Nässe oder auch die Stärke des Autoblechs, spielen dabei eine Rolle. Klaus Meyerhoff, Entwicklungsleiter für Nachtsichttechnik bei AEG-Telefunken, auf die Frage, ob die geschilderte »Wärmefalle« funktionieren könnte: »Unter speziellen, vielleicht sogar konstruierten Testbedingungen, ja, in der Praxis, also sozusagen bei Wind und Wetter, nein.«

Auch Vorkehrungen gegen das Entdecktwerden wissen die Experten: Würde der Flüchtling eine Viertelstunde vor der Kontrolle in eine Wolldecke gewickelt oder das Kofferraumblech mit Styropor isoliert, wäre auf dem Bildschirm wohl nichts zu erkennen.

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