POLIZEI Mobby Klick
Wenn Photographen den Kriminaloberkommissar in der Staatsschutzabteilung der Heidelberger Polizei, Michael Ernst, vor die Linse bekommen, ist Gefahr im Anzug. Denn wo Ernst auftaucht, gilt: »Hier wird nicht photographiert.«
Wer doch auf den Auslöser drückt und das Ernst-Konterfei veröffentlicht, wie beispielsweise der Bildreporter Johannes Lindenmeyer, 25, muß mit Strafe rechnen. Kürzlich befand das Landgericht Heidelberg, der Photograph habe das Recht des Polizisten am eigenen Bild verletzt, und verurteilte ihn zu 170 Mark Geldstrafe.
Zum Rechtsstreit kam es, nachdem Lindenmeyer im Dezember 1977 bei der Einweihung der ersten Heidelberger Fußgängerzone neben Festtagsrednern und Blaskapelle, protestierenden Bürgern und Studenten auch einen eifrig knipsenden Kollegen abgelichtet hatte: den Kommissar Ernst vom Staatsschutz (Spitzname: »Mobby").
Wenige Tage später beschlagnahmte Ernst in Lindenmeyers Labor die Filme und machte dem verdutzten Photographen klar, daß ein Bildnis »nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet« werden dürfe -- so Paragraph 22 des Kunsturheberrechtsgesetzes aus dem Jahr 1907. Lindenmeyer, der sich zuvor noch Abzüge des Materials gesichert hatte, hielt dagegen, ein Polizist im Einsatz sei kein Privatmann. Seitdem »herrscht ein Krieg«, so ein Heidelberger Polizeibeamter, zwischen dem Lichtbildner in Polizeidiensten und Bildreportern. Strittig ist, ob ein bei Demonstrationen knipsender Beamter eine Person der Zeitgeschichte ist oder Privatmann; ob er das Recht am eigenen Bild hat und deshalb zu einer Veröffentlichung sein Einverständnis geben muß oder nicht. Lindenmeyers Anwalt Wolfgang Stather: »Herr Ernst ist wohl vor der Kamera öffentlich, in der Kamera aber privat.«
Eine ähnliche Kontroverse, bei der Ende letzten Jahres in Hamburg Polizeibeamte Filme von ihrem Einsatz gegen Anti-Schah-Demonstranten beschlagnahmten, wurde vorerst gütlich beigelegt: Die Polizisten wurden in einem Merkblatt zu kooperativer Zusammenarbeit mit der Presse angehalten. Lindenmeyer aber erhielt im März vergangenen Jahres den Bescheid, er habe 400 Mark Bußgeld zu zahlen, weil das Bild des photographierenden Polizisten, wenn auch mit einem Balken vor den Augen, in der »Heidelberger Rundschau«, einem reüssierenden Alternativblatt, erschienen war.
Fünf Monate später wurde Lindenmeyer, der die 400-Mark-Buße nicht zahlen mochte, vor dem Heidelberger Amtsgericht erstmals der Prozeß gemacht. Und »weil es um einen presserechtlich interessanten Vorwurf« ging, beobachtete Jörg Frohmaier, Redakteur bei der »Südwest Presse« in Heilbronn, das Verfahren. Auch er lichtete den als Zeugen geladenen Kripomann Ernst ab. Prompt griff der Polizist erneut zu und konfiszierte den Film: »Lassen Sie die Kamera jetzt los, sonst muß ich Gewalt anwenden.«
Zwar reduzierte das Heidelberger Amtsgericht Lindenmeyers Geldbuße auf 170 Mark, erkannte aber, der Polizist sei nicht einmal »eine relative Person der Zeitgeschichte«. Rechtsanwalt Stather ("Dieses Urteil bedeutet, daß jeder Journalist damit rechnen muß, daß sein Film beschlagnahmt werden kann, wenn er Polizeibeamte im Einsatz knipst") ging in die Berufung vor das Landgericht.
Dort war Frohmaier, der inzwischen selbst Klage führt, dann erneut zur Stelle, um Ernst (neuer Spitzname: »Mobby Klick") zu photographieren. Mit dabei auch »Südwest Presse«-Chefreporter Walter Kuppel, der -- so Frohmaier -- »im Zweifel photographieren wollte, wie die mich attackieren, weil ich photographiere«.
Doch die Ordnungskräfte waren gewappnet und schnappten sich die »Hyänen« (Kripomann Ernst), Kuppel wurde im Polizeigriff einem Richter vorgeführt. Wohl verfügte das Landgericht sogleich, den Reporter samt Kamera wieder freizulassen, doch es bestätigte auch den erstinstanzlichen Urteilsspruch gegen Lindenmeyer.
Wenn der Streit ums Polizeirecht am Bild demnächst zum drittenmal, vor dem Oberlandesgericht, verhandelt wird, steht dem Photographen Lindenmeyer auch die IG Druck und Papier zur Seite. Die Gewerkschaft will klären lassen, ob »Bildreporter künftig bei öffentlichen Veranstaltungen nur noch aus der Perspektive des Polizisten photographieren dürfen«.