»Mr. Premier, sind Sie bereit?«
Es ist eng und stickig, Stühle werden zusammengerückt. Barack Obama ist da, Angela Merkel, Gordon Brown und rund 20 weitere Spitzenpolitiker samt Helfern. Kopenhagen am 18. Dezember 2009, jetzt wird über das Weltklima entschieden.
Aber wer ist das dort, der Mann, der China vertritt? Niemand hat ihn bisher in einer solch illustren Runde gesehen. Es ist He Yafei, der Vizeaußenminister, das spricht sich herum. Aber wo ist sein Chef, Premier Wen Jiabao? Das fragen Obama, Merkel und die anderen. Er weile in seinem Hotelzimmer und lasse sich telefonisch auf dem Laufenden halten, bekommen sie zur Antwort.
So beginnt am 18. Dezember eine neue Weltordnung, oder genauer eine neue Weltunordnung. China, das sich über viele Jahrzehnte auf der Weltbühne mit der Demonstration von Stärke zurückgehalten hat, lässt alle zappeln, vor allem die USA. »China hat mit voller Absicht Barack Obama gedemütigt«, schreibt im britischen »Guardian« der Umweltschützer Mark Lynas, der als Berater des Präsidenten der Malediven, Mohamed Nasheed, an den Verhandlungen teilgenommen hat.
Es ist die Stunde der Wahrheit des Kopenhagen-Gipfels. Die anderen Mächte entscheiden sich, trotz des chinesischen Affronts konstruktiv zu bleiben. Sie ringen um Lösungen, es geht um epochale Weichenstellungen für Milliarden Menschen, für die Wirtschaft, für die Umwelt. Die Regierungschefs arbeiten sich Zeile für Zeile vor, kritzeln neue Formulierungen auf ihre Vorlagen, was sie eigentlich nie machen. Das ist sonst Aufgabe der Helfer.
Genüsslich steht He Yafei immer wieder auf, bittet um Geduld, telefoniert mit Wen Jiabao. Obama, Merkel und Sarkozy sitzen düpiert da, warten, hoffen.
Sie hoffen vergebens. China will nicht einmal zulassen, dass im Schlussdokument steht, die Industriestaaten würden den eigenen CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 Prozent senken. »Warum können wir nicht einmal unsere eigenen Ziele erwähnen?«, ruft Angela Merkel wütend aus. Kevin Rudd, der australische Premierminister, schlägt genervt gegen sein Mikrofon. Aber die Chinesen bleiben stur. Sie wollen selbst keine Ziele nennen, dann sollen auch die Ziele anderer nicht auftauchen.
Angela Merkel wirft verzweifelt die Arme hoch, eine Geste der Resignation. Dann eben keine Ziele.
Barack Obama platzt schließlich der Kragen. Er lässt ein Treffen mit Wen Jiabao anberaumen. Der bestellt den Präsidenten später in einen Raum, in dem er bereits in trauter Runde mit dem Südafrikaner Jacob Zuma, dem Brasilianer Luiz Inácio Lula da Silva und dem Inder Manmohan Singh sitzt. Obama tritt ein und sagt aufgebracht: »Mr. Premier, sind Sie jetzt bereit zu reden? Sind Sie bereit?« Es ist ein Showdown, mit China am längeren Hebel. Obama wird von den Schwellenländern großzügig an den Tisch gelassen.
Dort kann er aber nichts bewirken. Die Runde einigt sich auf ein Abkommen ohne konkrete Klimaziele. China hat sich mit seiner Obstruktionspolitik durchgesetzt. Bevor der Gipfel des Versagens auseinandergeht, sorgen Tuvalu, der Sudan und einige lateinamerikanische Länder dafür, dass das Plenum der Uno-Mitgliedsstaaten das Schlussdokument nicht beschließt, sondern nur »zur Kenntnis nimmt«. Das begrüßen die Chinesen wortreich. In Kopenhagen wurde viel verändert, aber nichts erreicht. CHRISTIAN SCHWÄGERL