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Briefe

Mr. Rolex
aus DER SPIEGEL 17/1972

Mr. Rolex

(Nr. 15/1972, SPIEGEL-Titel über das Auswärtige Amt)

Den Wahrheitsgehalt der so leichtfertig hingeworfenen und vom SPIEGEL-Leser genüßlich eingesogenen SPIEGEL-Behauptung, zum Handwerkszeug der Diplomaten gehörten »Frack und Mercedes, Golfschläger und Reitpferd«, kann ich anhand des Beispiels der Botschaft Washington für die Jahre 1962-1965 aufhellen. Damals gab es höchstens sechs Mercedes, darunter zwei Dienstwagen, von schätzungsweise rund hundert Wagen. Der VW war absolut Trumpf. Ein Kollege spielte Golf, weil er am Rande des Platzes wohnte, ein anderer betätigte sich zu den Wochenenden als Reiter auf einer Farm. Was den Frack anbetrifft, so war dieser in der ganzen Zeit nicht nötig. Selbst bei Karajan nicht. Aber was hilft's, das alte SPIEGEL-Bild wird bleiben, weil es die Öffentlichkeit mit ihren Neidkomplexen so sehen will.

Bonn GERHARD MILNER

Überhaupt frage ich mich, wo der Verfasser seine Informationen eingeholt hat. Offensichtlich nur bei ebenfalls neidischen Außenstehenden. Wie wenig Anlaß zu Neid besteht und wie wenig Frack, Mercedes, Golfschläger und Reitpferd Handwerkszeug des Diplomaten sind, bin ich -- als »dazugehörig« -- gern bereit, Ihrem Herrn Geschichtenschreiber in Gespräch und Diskussion zu erläutern.

Bonn CHRISTA HENZE

Ihre Information durch Bundestagsvizepräsident Schmitt-Vockenhausen ist falsch: Heringe gibt"s in Ostia (richtig Fiumicino) überhaupt nicht. Die frisch angelandeten Mittelmeerfische sind noch köstlicher als die von Bismarck so geschätzten Heringe und -- sie kosten dort draußen frischstens mehr als in Rom! Es scheint der Neid zu sein -- nicht in Rom leben zu können, der die wenigen Aussagen über Rom diktiert.

Rom WOLFGANG-EBERHARD WOLFFRAMM

Auch der anachronistische Habitus der Bonner Diplomaten beweist einmal mehr, daß unsere parlamentarische Demokratie einem einzigen großen Schweinetrog gleicht und die Politik »im Namen des Volkes« nur ein scheinheiliger Vorwand ist für das Gerangel um die besten Futterplätze.

Hückeswagen (Nrdrh.-Westf.) ERNST DITTRICH

Zu den vielen Merkwürdigkeiten an diplomatischen Vertretungen in Übersee gehört der Mißbrauch der Kurierpost für Devisenvergehen. Aus mehreren südamerikanischen Städten ist bekannt, daß Diplomaten ihre harte D-Mark auf dem an sich verbotenen schwarzen Markt verkaufen. Günstige Schwarzkurse werden den DM-Käufern, d. h. den Schwarzhändlern damit honoriert, daß sie den Kurier benützen dürfen, um die illegal erworbenen DM-Schecks nach Deutschland zu schicken.

Sao Paula (Brasilien) ERNST ARBER

Was uns im Ausland lebende Deutsche zuweilen stört, ist doch nicht die Existenz bestimmter liebenswert-schrulliger Botschaftertypen, die wegen ihrer Menschlichkeit gerade hier in Afrika gut ankommen, sondern das elitäre Selbstverständnis unter gewissen Botschaftschargen, die zwar überwiegend in der Lage sind, interne Verwaltungsarbeiten und Strichlisten zu bewältigen, die aber oft versagen, wenn es darum geht, präzise Analysen gesellschaftlicher Sachbereiche des Gastlandes zu erstellen.

Dakat (Senegal) PETER ZIEHE

Die Pressereferentin an der Botschaft in Djakarta, Ursula Müller, gilt unter den deutschen Asien-Korrespondenten geradezu als Musterbeispiel eines modernen Diplomaten, weil sie sich in jahrelanger Kleinarbeit das Vertrauen zahlreicher indonesischer Politiker erworben hat und weil sie alle deutschen Journalisten bereitwillig von ihren Erfahrungen, Kenntnissen und Beziehungen profitieren läßt. Ihr gastfreundlich-offenes Haus trägt wahrscheinlich zu diesem Erfolg mit bei. Der allzu vordergründige Hinweis im SPIEGEL auf die Zahl ihrer Hausangestellten, durch den Frau Müller bei unbefangenen Lesern als größenwahnsinnig gewordene Klein-Bürokratin abgestempelt wird, weckt leider Zweifel an der Ernsthaftigkeit der übrigen Teile Ihrer Story. Von den vielen Diplomaten, die unsereiner im Laufe der Jahre trifft, hat Ursula Müller den SPIEGEL-Rufmord am wenigsten verdient.

Hongkong GERHARD DAMBMANN

ZDF-Ostasienkorrespondent

Die diplomatische Berichterstattung durch Presse, Funk, Fernsehen aktuell überholt: Zuweilen fühlen sich Korrespondenten fälschlich noch als Diplomaten oder Repräsentanten. Dazu liest man in den gesammelten Korrespondentenberichten aus Moskau 1921 bis 1930 von Paul Scheffer ("Augenzeuge im Staate Lenins« -- Piper-Verlag München) Wegweisendes: »Der Korrespondent dient der Öffentlichkeit in einem anderen Sinne als der Diplomat, und für beide Teile wird dies immer ein Problem bleiben. Es ist vielleicht in gespannten, ja zugespitzten Verhältnissen gar nicht zu lösen. Es ist ein sehr vielseitiges Problem. Zum Beispiel: Alle auf .gute Beziehungen« abgestellte Politik lebt mindestens ein wenig von freundlichen Fiktionen, die man sich gegenseitig einräumt, hauptsächlich indem man eben sehr störende Tatsachen standhaft übergeht. Aber es ist gut (soll wohl heißen: Ist es gut ...), dem anderen die Sicherheit zu geben, daß die unfreundliche Wahrheit nicht zur Sprache kommt?«

Köln ANSGAR SKRIVER

WDR

Ihr Artikel zeugt von einer intimen Kenntnis der Dinge und wird im Hohen Hause des AA sicherlich einigen Wirbel verursachen. Abgesehen davon, daß nicht alle deutschen Diplomaten sich als Autohändler betätigen, ist jedoch Mr. Rolex leider nur allzusehr eine Figur der Wirklichkeit. In den übrigen Bonner Ressorts, auf deren Angehörige Mr. Rolex von seiner diplomatischen Warte herab nur mitleidig zu lächeln beliebt. gibt es bezüglich derlei Geistesgroßen einen geflügelten Spruch: »Er taugt gerade noch für das Auswärtige Amt!« Daß der Nachwuchs zur Anpassung gezwungen wird. wird verständlich, wenn man weiß, wie ausgeprägt die Hierarchie des AA ist.

Sollte ein Angehöriger des höheren Dienstes noch unbeweibt sein und sein Auge etwa auf eine Kollegin des gehobenen Dienstes geworfen haben, so wird er schleunigst auf die Unstandesgemäßheit seines Vorhabens hingewiesen und ihm notfalls klargemacht, wie nachteilig sich dies auf seine Karriere auswirken könnte.

Was die sogenannten AEG-Häuser betrifft, so existieren diese tatsächlich. Nur ist die gesparte Auslandszulage heutzutage die einzige Möglichkeit für einen Beamten, sich im Bonner Raum ein Haus zu erstellen oder eine Eigentumswohnung zu kaufen. Wucherpreise auf dem Immobiliensektor sind hierzulande auch im Zeichen einer sozialistischen Regierungspartei an der Tagesordnung. Die Verbitterung darüber ist groß und hat schon manchen Staatsdiener, der mit seinem normalen Inlandsgehalt auskommen muß, in die Nähe der Jusos, wenn nicht noch weiter nach links getrieben.

Bonn JOSEFA TRAMM

Dritte Sekretärin 1. Klasse

Der Frack sitzt miserabel; die Revers gehen über die Schulter hinaus; die Vorderpartie ist zu kurz (die Weste darf nicht unten heraussehen>. Der Hemdkragen sitzt auch nicht (Hemd und Kragen sollten aus einem Stück sein). Hoffentlich ist der Kopf in Ordnung.

z. Z. Magliaso (Schweiz) ALEXANDER ROSSEL

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