HOCHSCHULEN / HAMBURG Muff im Talar
Es begann wie im Karneval, Talare wurden zu Narrenkleidern. Als in Hamburg hundert Professoren zum feierlichen Rektorwechsel in das Auditorium maximum einzogen, setzten sich zwei Studenten mit einem Transparent vor den Zug: »Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren.« Es wurde gelacht und gepfiffen. Luftballons stiegen auf, Flugblätter fielen nieder.
Es ging weiter wie in einem Krimi: Sieben Tage lang suchten die Studenten einen Professor, der ihnen im Audimax zugerufen hatte: »Sie gehören alle ins Konzentrationslager.« Am Tatort hatte der Philologiestudent Dr. jur. Wolfgang van den Daele, 28, den Rujer am Talar gepackt und vergebens nach dem Namen gefragt. Am Mittwoch vergangener Woche war der Täter gefaßt und geständig: Bertold Spuler, 55, ordentlicher Professor für Islamkunde. Er beantragte ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst.
Daß Spuler schon früh zu akademischen Ehren gekommen ist (mit 31 Jahren wurde er ordentlicher Professor), steht in vielen Handbüchern. Freilich ist er auch schon früh zu. den Braunen gestoßen. 1933/34 war er SA-Mann. In der NSDAP (Eintritt 1937) brachte er es zum Zellenleiter. Während des Krieges war er u. k. gestellt und im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete sowie »im Auswärtigen Amt tätig« (Spuler).
Privat schätzt der seit 1948 in Hamburg seßhafte Gelehrte, dessen liebstes Thema »die ewig unruhigen Nomadenvölker« sind, die Ruhe.
Politisch steht Spuler rechts. Unter Kollegen gilt er -- so ein Hamburger Ordinarius -- »in der Gruppe der Reaktionäre als der erzkonservativste«.
Von Spulers Forderung, die Studenten ins KZ zu sperren, solle »sich die Professorenschaft distanzieren« -- forderte Björn Pätzoldt« Vorsitzender des Allgemeinen Studenten-Ausschusses (Asta); der Rektor und die Dekane aller Fakultäten taten es.
In einem »Steckbrief« erklärte der Asta-Vorstand, die Studenten wollten Spuler »nicht mehr behalten«. Doch kaum war der Text verteilt, hielt Asta-Sprecher Thomas Walde den Text nicht mehr »für ganz glücklich«. Walde: »Wir wollen keine Hexenjagd auf Spuler. Sonst haben die anderen Professoren jemanden, auf den sie zeigen können und hinter dem sie sich verstecken können.«
Spuler-Assistent Dr. Werner Ende, 30: »Wenn eine konservative Grundhaltung wie die Spulers schon einen Mann disqualifiziert, könnte man, die ganze Universität dichtmachen.«
Am Donnerstag vergangener Woche wurde Spuler vorläufig suspendiert.