GRIECHENLAND / DIKTATUR Mutterliebe verboten
Das Hellenenvolk hat zwei Herrscher: König Konstantin, 27, das nominelle Staatsoberhaupt, und den starken Mann der Militärjunta, Artillerie-Oberst Georgios Papadopoulos, 48 ("der Boß bin ich").
Seit dem Militärputsch am 21. April hatte der Monarch dem Oberst-Kanonier gehorcht. Denn Papadopoulos, zeitweise auch Chef der Psychologischen Kriegführung in der griechischen Armee, hatte dem damals zaudernden Jung-König gedroht, man werde ihn »in ein Flugzeug verfrachten und außer Landes schaffen«, falls er den Coup nicht billige.
In diesem Monat muckte der Monarch erstmals auf:
> Er weigerte sich, die Entlassung einiger hundert königstreuer Heeresoffiziere zu unterzeichnen (viele wurden trotzdem gefeuert);
> er distanzierte sich -- vor US-Senatoren in Washington -- brüsk von den heimischen Diktatoren ("Das ist nicht meine Regierung").
Eine Machtprobe zwischen König und Boß scheint seither unvermeidbar. Griechenlands Generalherrschaft steht vor ihrer schwersten Konfrontation.
Konstantin, der den Boden für den Putsch selbst vorbereitet hatte und sich dann von seinen Kriegern überrumpeln ließ, ist in die Résistance gegangen, seit klar wurde, daß die Militärs sich für mindestens ein Jahrzehnt in ihren Macht-Positionen eingraben wollen. Der König suchte den Kontakt zum Volk. Er reiste durch die Provin-
* 2. v. r. Oberst Papadopaulos, 3. v. r. General Pattakos.
zen -- stets ohne Junta-Begleitung. Er sprach vor dem Volk -- aber nie von den Diktatoren, sondern von der Rückkehr zum Parlamentarismus.
Die Obristen sabotierten ihn. Die bis zur Lettern-Größe dirigierte Presse durfte die Königs-Worte nicht erwähnen. Oft versagten die Mikrophone, wenn der König sprach; sie funktionierten wieder, wenn ein Bürgermeister in einer vom Propagandaamt des Regimes gelieferten Rede den königlichen Gast für die Unterstützung dankte, die er der Junta gewähre.
Das war auch nicht gelogen. Zwar distanzierte sich der König öffentlich oft von den Diktatoren -- ihre Dekrete unterschrieb er aber brav.
Im Namen des Königs traten Militärgerichte, Zensoren und Schnüffler in Aktion. Denn -- so Putsch-General Pattakos -- »ein bißchen Furcht ist gut fürs Volk. Wenn die Leute Angst haben, benehmen sie sich wenigstens ordentlich«.
Um nützliche Furcht zu verbreiten,
> löste die Junta etwa 280 Vereine auf, darunter auch Fürsorge-Gesellschaften wie »Mutterliebe«;
> setzten die Zensoren 101 Autoren au den Index, darunter die Schriften des US-Senators Fulbright und Griechenlands »Who's Who«;
> entließen die Generale Tausende von Beamten, Polizisten, Lehrern und Offizieren;
> verschickte das Regime Fragebogen an 200 000 Staatsdiener; wichtigste. Frage: »Haben Sie je an einer Versammlung teilgenommen, bei der es Tumulte gab?«;
> verhafteten die Häscher der Junta insgesamt 45 000 Griechen -- von denen die meisten allerdings nach Unterzeichnung einer Loyalitäts-Erklärung für die Diktatur wieder freigelassen wurden.
An aktive Opposition war bei diesem Terror nicht zu denken. Die Hoffnung der griechischen Demokraten konzentrierte sich auf den König.
Als Konstantin Ende August zum erstenmal seit dem Putsch das Land verließ -- er fuhr zur Weltausstellung nach Montreal und zu einem Privatbesuch in die USA -, war Athen voller Gerüchte, der Monarch wolle bei Präsident Johnson Hilfe gegen seine Obristen erbitten, oder aber im Ausland bleiben und Chef einer Exilregierung werden. Exil-Griechen reichten schon eine neue -- zivile -- Kabinettsliste herum.
Am angesagten Putsch-Tag, dem 5. September, passierte nichts. Der König kehrte aus Washington wieder zurück -- mit Johnsons väterlichem Rat, für eine baldige Rückkehr zum Parlamentarismus zu sorgen. Die milde amerikanische Buße für Griechenlands Putschisten (Halbierung der Militärhilfe von jährlich 260 Millionen Mark) war nicht erlassen worden.
Der Junta stehen dennoch harte Monate bevor: Griechenland steuert in die Rezession.
Jeder Laden, jedes Restaurant, jede Fabrik meldet Rückschläge. Die Opposition will die Fahrt in die Talsohle noch beschleunigen. Sie gab die Flüsterparole aus: »Kauft nur das Nötigste.«
Vor den Diktatoren in Athen verschlossen sich wichtige Märkte: Die Ostblock-Länder, die einst bereitwillig agrarische Überschußgüter aufnahmen treiben mit den Kommunistenfressern kaum noch Handel. Aber auch die Skandinavier schraubten den Warenverkehr zurück. Dänemark räumte aus Protest gegen die Diktatur seinen Pavillon auf der Saloniki-Messe. Die nordischen Regierungen klagten Griechenland sogar beim Europarat an.
Die Devisenlage ist katastrophal: Der Tourismus ging um 40 Prozent zurück, Gastarbeiter -- die allein aus Deutschland im Vorjahr 350 Millionen Mark überwiesen -- legen jetzt ihr Geld im Gastland auf Sparkonten.
Um aus der Isolierung herauszukommen, versuchten die Troupiers einen außenpolitischen Coup. Premier Kollias lud seinen türkischen Kollegen Demirel zu einem Zypern-Dialog an den Evros-Fluß, die Grenze zwischen beiden Ländern. Zu Zugeständnissen zeigte er sich dann aber nicht bereit -- das Treffen endete als Fiasko, die Beziehungen Athen-Ankara sind schlechter als vorher.
Die Mißerfolge der Militärs machten dem Monarchen Mut. Letzte Woche knüpfte er Kontakte zu zivilen Politikern, wie dem einstigen Verteidigungsminister Garoufalias, und beriet sich auch mit dem geriebenen Reeder-Milliardär Onassis.
Doch Psychokrieger Papadopoulos, einst selbst Psychiater-Patient, paßt auf. »Papa Doc«, wie die Griechen ihren Oberst-Befehlshaber nach dem Spitznamen des Haiti-Diktators Duvalier nennen, hat die wichtigsten Posten mit radikalen, ihm ergebenen Offizieren besetzt. Er plant -- falls Konstantin etwas unternimmt -- den König abzusetzen und in Griechenland ein Präsidialregime einzuführen. Präsident: Oberst Papadopoulos.