Nach forstlichen Gesichtspunkten
Unter den weiblichen Waldbewohnern der britischen Zone ist große Trauer: die »Woodpeckers« werden bis Ende des Jahres die Zone verlassen haben. Die »Woodpeckers«, Waldspechte, sind die bei den englischen »Direktoperationen« im Holzeinschlag eingesetzten Gruppen. Die englischen Soldaten fahren die großen Zugmaschinen mit überladenen Anhängern zum Bahnhof. Auf die Kotflügel ist der Waldspecht gemalt. Die »Woodpeckers« bearbeiten den deutschen Wald mit kanadischen Holzfällermethoden.
Die britische Zone ist nicht das waldreichste Gebiet Restdeutschlands. Die US-Zone, besonders Bayern hat am meisten Wald. Aber in der britischen Zone ist nach amtlich zugegebenen Zahlen der Einschlag prozentual am größten. Denn die französische Zone und die Ostzone geben keine Einschlagsziffern bekannt
Schweizer Kolonnen fällen im Schwarzwald, Belgier im Hürtgenwald, Holländer hauen bei Aachen und Bentheim, und in der Russenzone kann das Holz wegen der eingleisigen Strecken gar nicht abtransportiert werden. Die Sägewerke sind zum großen Teil den Weg aller Maschinen in der Ostzone gegangen.
Es gibt keine Stelle, die den derzeitigen deutschen Waldbestand zuverlässig angeben könnte. Selbst in der Bi-Zone ist man auf ungefähre Angaben und nicht ganz hundertprozentige Rechnungen angewiesen. Hessen beispielsweise vermag den Holzbestand des Jahres 1945 nicht zu beziffern. Stellt man aber die spärlichen Zahlen zusammen, so ergab sich, daß der Raubbau unter Hitler mengenmäßig am größten war. Von 1937 bis 1945 war der Einschlag um die Hälfte größer als der Zuwachs. Im Krieg verbrannten weite Flächen. Dadurch schmolz der Waldbestand so zusammen, daß der geringere Einschlag der letzten beiden Jahre in der Britenzone im Vergleich zum Nachwuchs 390 Prozent und in der US-Zone 180 Prozent betrug. Diese Zahlen und damit die Schäden wachsen progressiv.
1933 gab es in der Zwizone auf 5,4 Millionen ha Waldbestand einen Holzvorrat von 2 Milliarden Festmetern. 1945 3,6 Millionen ha Waldbestand mit 1440 Millionen Festmetern und 1947 3 Millionen ha Waldbestand mit 1300 Millionen Festmetern Holzvorrat. Bis 1937 war der Einschlag normal, das heißt, er wurde aus dem Nachwuchs gedeckt.
Allerdings begegnen die amtlichen Einschlagzahlen in Forstkreisen einer gewissen Skepsis, da die Einschläge der ersten Nachkriegszeit im Zeitalter der »Direktoperationen« reichlich »wild« waren, ebenso die der frierenden Bevölkerung. Andererseits sind in der Rechnung die Waldstücke unter 10 ha gar nicht enthalten. Die Hauptquote wanderte nicht in den Export, sondern durch den Schornstein. Von den 10 Millionen Festmetern Nutzrundholz, die 1946 in der britischen Zone verbrannt wurden, hätte man Dachstühle, Türen und Fenster für 277 000 dreistöckige Mietshäuser zimmern können. Die statt dessen benötigte Kohlenmenge entspräche 1,5 Millionen t Steinkohle, also einer Ruhrkohlenförderung von 6 Tagen.
40-60 Jahre muß Grubenholz wachsen. Walter Ludwig, nicht der Tenor, sondern der Leiter einer Arbeitsgemeinschaft Hamburger Holzfirmen, die neuerdings forstgerecht am englischen Einschlag beteiligt ist, befürchtet, daß man in wenigen Jahren Grubenholz wird einführen müssen.
Auch die holzverarbeitende Industrie wird nicht voll zum Anlaufen kommen können. Im Gebiet Hameln-Springe müssen 55 Firmen schließen, wenn dort die vorgesehenen 10 000 Festmeter Nutzrundholz wirklich eingeschlagen werden. In den Kiefernwaldungen Niedersachsens werden 1949 sämtliche starker Schneideholzkiefern, im Harz die Althölzer verschwunden sein.
»Die Verkarstung und Versteppung ehemals fruchtbarer Gebiete wird rasch voranschreiten«, sagte der bayrische Ernährungsminister Dr. Josef Baumgartner, der gerne schwarz in schwarz malt. »Ich halte übertriebene Schilderungen nicht für zweckmäßig«, hält der Holzexperte Professor Wiedemann dagegen. »Aber auch die beweisbaren Unterlagen geben ein trübes Bild.«
Der Holzfachmann des niedersächsischen Landesfortsamts sieht für die Gebirge Störungen in der Gleichmäßigkeit des Wasserabflusses voraus. Die Frühlingshochwasser würden stärker. Dafür halte aber der Wasserabfluß im Sommer wesentlich kürzer an als in richtig beforsteten Gebieten. Außerdem, so meint er, reißen die Hochwasser von den entwaldeten Hängen je nach Boden und Klima 10- bis 5000 mal soviel Sand und Steine in die Flußauen wie aus bewaldeten Bezirken.
In Gebirgen, die nach dem Kahlschlag schnell vergrasen, sind die Schäden gering. Das erwies sich besonders in England und Irland. Darum haben die deutschen Bodenwissenschaftler den englischen Holzinteressierten gegenüber einen harten Stand. Die »deutschen Krokodilstränen« über die Abholzung sind drüben schon sprichwörtlich. Die Engländer weisen gerne darauf hin, daß England und Schottland zur Zeit nur 2,5 Prozent Waldfläche haben. Vor dem Kriege waren es 5,4 Prozent. Also eine Einbuße von mehr als 50 Prozent.
Die Deutschen führen, an, daß Britannien nie ein so bewaldetes Gebiet gewesen sei wie Deutschland und daß sich der Abbau vor dem Krieg dort allmählich vollzogen habe. Das stichhaltigste Argument aber haben die Londoner Holzhändler: England ist auf die Holzimporte aus der britischen Zone angewiesen, weil Finnland und das Baltikum nicht mehr wie früher liefern. Die afrikanischen Wälder zu erschließen, wäre sehr viel kostspieliger. Die werden vorerst niedergebrannt, um Plantagenboden zu schaffen.
Außer der Verkarstung gibt es auch noch« andere Gefahren. Die Engländer reißen mit ihren Treckern den Oberboden auf, zugleich wird durch das Stubbenroden eine wesentliche Stütze des Erdreiches, die Baumwurzel, entfernt. In ebenen Lagen mit nahem Grundwasser droht eine Versumpfung- und Vermoorung. Bei Sandböden wuchert die Heide und wandert der Sand. In der Küstennähe bedeutet die Entwaldung die Fortnahme des Windschutzes für die Felder.
»Untersuchungen über die klimatischen Folgen der Entwaldung werden leider die erschreckenden Ergebnisse bestätigen, die ähnliche Untersuchungen in den anderen Ländern gebracht haben«, warnt Professor Wiedemann.
Die Forstpraktiker der Britenzone sind optimistischer als der Professor. Ende des Jahres werden die Woodpecker verschwunden sein. Im nun anlaufenden Forstwirtschaftsjahr wird in den Vereinigten Zonen zum ersten Male geplant.