NACHHILFE-UNTERRICHT
Folgende Stellungnahmen zum Thema Euthanasie sind meines Wissens in der Diskussion bisher nicht erwähnt worden. Der von der katholischen Kirche 1935 heiliggesprochene Thomas Morus schreibt in seiner »Utopia":
... Wenn aber die Krankheit nicht nur unheilbar ist, sondern auch Schmerzen und Pein ohne Ende verursacht, darin ergeht
von den Priestern und den obrigkeitlichen Personen die Mahnung an den Betreffenden: Da er allen Obliegenheiten des Lebens nicht mehr gewachsen sei, da er den andern zur Last falle, sich selbst unerträglich sei und seinen eigenen Tod überlebe, so möge er sich entschließen ... sich entweder selbst einem so bitter schmerzlichen Leben ... zu entziehen, oder willig gestatten, daß ihn andere davon befreien. Daran werde er weise handeln, da er ja durch seinen Tod um keine Wonne des Lebens komme, sondern nur seinem Jammer entgehe.
Und wenn er so den Rat der Priester und der Ausleger des Willens Gottes befolge, so begehe er ein frommes, Gott wohlgefälliges Werk. Diejenigen, die sich solcher gestalt haben überreden lassen, enden ihr Leben entweder freiwillig durch Nahrungsenthaltung oder erhalten ein Schlafmittel und finden im bewußtlosen Zustand ihre Erlösung. Gegen seinen Willen wird keinem das Leben entzogen, aber man erweist ihm darum um nichts weniger Liebesdienste; nur wird denjenigen, die in der so erlangten Überzeugung sterben, dieses als besonders ehrenvoll angerechnet.
Morus tritt also auch für die Tötung der nur körperlich Kranken ein, die noch einer Willensentscheidung fähig sind. Idiotische Kinder und demente Geisteskranke sind nach weltlichem und kanonischem Recht keiner Willensentscheidung mehr fähig.
Auch Martin Luther hat sich zu diesem Problem geäußert. Er hatte in Dessau ein zwölfjähriges idiotisches Kind, dessen Leben sich nur auf die Aufnahme der Nahrung und deren Ausscheidung beschränkte, gesehen. Es lachte und weinte völlig zusammenhanglos. Luther sagte, wenn er zu bestimmen hätte, würde er dieses Kind durch Ertränken töten, da solche Wesen nur ein Stück Fleisch ohne richtige Seele seien (Luther: Tischreden, Bd. 5).
Hamburg PROF. DR. HEINRICH KUNSTMANN