NACKTHEIT SCHÄNDET NICHT
Über den Wert oder Unwert einer Lebensführung, wie sie durch die FKK gefördert wird, entscheidet nicht Herr Weigelt, erst recht nicht Herr Purschke, sondern es entscheiden zahllose Menschen in allen Teilen der zivilisierten Welt und an allen zum Nacktbaden freigegebenen Stränden und an allen sieben Weltmeeren; nicht Theorien, sondern täglich gelebte Praxis. Diese aber beweist jedem, der unvoreingenommen hingeht, nachschaut und mitmacht, daß es eigentlich keinen ernst zu nehmenden Grund gibt für die hysterische Gegnerschaft, die den Leuten entgegengebracht wird, die es gut und richtig finden, dort, wo sie es können, so herumzulaufen, wie sie offenbar nicht ohne Absicht in diese Welt gesetzt wurden - nackt!
Düsseldorf
FRIEDRICH HULE
Ich habe niemals einer Organisation der FKK angehört noch mich aktiv dabei betätigt, außer bei einem Ferienkurs im Freideutschen Lager Klappholtthal an der Nordsee, wo sich in jedem Sommer die bedeutendsten kulturellen Persönlichkeiten Europas treffen und unter der Leitung von Dr. Knud Ahlborn am Nordseestrand »Nackedei«-Gymnastik machen.
In der Zeitschrift »Helios« habe ich gelegentlich als freier Mitarbeiter pädagogische Beiträge geliefert. Die bei den Angriffen gegen mich verwendeten Zitate sind vom »Tagesspiegel« richtiggestellt, in Ihrer Darstellung wieder mißverständlich verwendet worden.
Die »Körperkulturschule Adolf Koch« ist von Frau Dr. Wegscheider vor etwa 40 Jahren mitbegründet und zeit ihres Lebens gefördert worden. Sie unterstand bis zum Erlaß des neuen Privatschulgesetzes der Berliner Schulbehörde. Ihre Bußtagsfeierstunden haben bereits Tradition. Früher sprachen dort die Reichstagsabgeordnete Frau Bohm-Schuch
und Frau Dr. Wegscheider. Im vergangenen Jahre habe ich die Rede gehalten. Die Beteiligten waren sehr ergriffen. Nichtanwesende haben sich ereifert und mich angegriffen.
Berlin-Charlottenburg
FRIEDRICH WEIGELT
Regierungsdirektor
Hier in Westberlin hat die ganze Angelegenheit noch einen anderen Aspekt. Haben Sie sich eigentlich schon einmal überlegt, daß die Freikörperkultur eine der ganz wenigen noch vorhandenen Stätten der Begegnung von Ost- und Westdeutschland ist? Es ist ein schönes und gutes Erlebnis, wenn man jemanden kennenlernt und erst nach Tagen oder Wochen merkt, daß er von »drüben« ist. Aber für so etwas hat man in Westdeutschland wohl kein Gefühl mehr. Ich will nicht für einen »Naturschutzpark«, für Stätten der Begegnung mit dem anderen Deutschland plädieren, aber dafür, daß man diesen wenigen noch verbliebenen Stätten Gerechtigkeit widerfahren läßt.
Berlin-Wilmersdorf
KARL-RUDOLF DOERK
Sie setzen unter das Bild von meinem Mann und mir hinter den Doppelpunkt: Schmerzliche Erlebnisse. Diese beiden Worte stammen von Ihnen, nicht von mir. Die Worte können in gar keinen Zusammenhang mit unserer fast dreißigjährigen Ehe gebracht werden.
Es ist nicht nur den klugen Frauen von Weinsberg vorbehalten geblieben, zu ihren Ehemännern zu halten, sondern auch mir, einer Frau von heute. Schmerzlich sind lediglich meine Erfahrungen mit politischen Gegnern meines Mannes, die versuchen, das Ansehen eines arbeitsamen und mit Erfolg bemühten Menschen herabzusetzen, und zwar durch Behauptungen, die nachher berichtigt werden mußten. Daß diese Angriffe von Menschen meiner Konfession erfolgten, das ist mein schmerzliches Erlebnis!
Berlin-Charlottenburg
JAROSLAVA WEIGELT
Warum soll ein bekannter Schulmann, dem selbst seine Gegner bestätigen, daß seine Veröffentlichungen »von hoher ethischer Warte aus« erfolgen, nicht an einer Zeitschrift der Freikörperkultur-Bewegung mitarbeiten? Wer ist überhaupt berufener, über Freikörperkultur zu schreiben, als ein Schulmann?
Papst Pius XII. hat seinerzeit die Nackttänzerin Josephine Baker empfangen und gesegnet. Möchten unsere Dunkelmänner ihn deshalb auch für das verantwortlich machen, was alles in den Lokalitäten geschah, in denen die Baker auftrat?
Berlin W 30 HERBERT DAHL
Ob die Form, in der die FKK-Zeitschrift »Helios« fürs ihre Ideale wirbt, durchweg erfreulich und geschmackvoll ist darüber mögen die Meinungen auch derer geteilt sein, die sich nicht einem rigorosen christlichen Sittengebot unterwerfen. Um die etwas verschrobenen und vielleicht überholten Bestrebungen der Sonnenanbeter zu verstehen, muß man sich indes einige historische Fakten vergegenwärtigen. Der Oppositionsgeist der Jahrhundertwende stritt auch wider die, ihm muffig und heuchlerisch scheinende Spießbürgermoral. Nicht alle Anti-Bürger bekannten sich deshalb zum Nudismus. Aber für sonnenhungrige Hinterhofbewohner, für jugendbewegte Gymnasiasten, neoromantische »Fidus«-Schwärmer, biedere sozialistische Naturfreunde, monistische Intellektuelle und sogar manche »lebensreformerischen« Fortschrittsbürger waren die damaligen Schlagworte von einem befreiten Menschentum - bis in die Zeit
der Republik von Weimar - ein Stimulans des Lebens. Diese Zeitstimmung kam auch den FKK-Leuten zugute, die sich neben mancher Gegnerschaft auch offizieller Förderung erfreuen durften. Die weltanschaulichen Gegner sollten ihre achtbare Entrüstung auf das rechte Maß zurückschrauben. Die paar Grüppchen und Vereine traditionstreuer Nudisten, die sich heute noch hinter mehr als mannshohen Rohrplatten-Umzäunungen dem friedlichen Sonnenkult ergeben, vermögen doch kaum noch ein paar alte Astlochgucker vom Ofen zu locken. Die »Enthüllungen« dieses Völkchens von Sonderlingen mögen eher ernüchternd als stimulierend wirken, was man von den mannigfachen Halb-Nuditäten einer erfindungsreichen Vergnügungsindustrie viel weniger sicher behaupten kann.
Nach Ihrem Artikel hatte ich fast angenommen, der SPIEGEL teile die Meinung des Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno. Er sagt in seinem Buch »Minima Moralia": Erstes Gesetz aller Sexualmoral: Der Ankläger hat immer unrecht.
Berlin-Charlottenburg
ARNOLD BAUER
Es ist einfach, etwas anzugreifen, was bei oberflächlicher Betrachtung gegen alle Moralbegriffe zu verstoßen scheint, aber sehr schwer, den Bekennermut eines Friedrich Weigelt aufzubringen.
Oberlahnstein
HERBERT WEINER
Mit Verwunderung mußte ich feststellen, daß der Verfasser des Artikels »Sünde der Verhüllung« seinerseits keine Bedenken hatte, Herrn Landesschulrat Evers und mir zu unterstellen, wir hätten keine Bedenken gegen die Mitarbeit des Regierungsdirektors Weigelt am »Blatt der Sonnenfreunde« gehabt und hätten es auch nicht als anstößig empfunden, daß dieser am Bußtag auf einer Veranstaltung aufgetreten sei.
Die Teilnahme des Herrn Weigelt an dieser Veranstaltung ist hier erst nach dem Bußtag bekanntgeworden. Herr Weigelt ist jedoch bereits lange Zeit vor Erscheinen des Beitrags im SPIEGEL und den, wie Sie schrieben, »tiefgreifenden Auseinandersetzungen über Erziehung und Sittlichkeit, mit denen die Berliner Zeitungen jüngst ihre Spalten
füllten«, nachdrücklich darauf hingewiesen worden, sich von Veranstaltungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der FKK-Bewegung fernzuhalten.
Berlin-Charlottenburg 9
PROF. DR. JOACHIM TIBURTIUS
Senator für Volksbildung
Die Geburt des Menschen ist, wie wir Ärzte täglich sehen, banal, tierisch, alles andere, nur nicht ästhetisch. Der Menschenkörper, den eine sterbliche Frau zur Welt bringt, ist schon deshalb nicht wert, ausgestellt zu werden.
Peine DR. JÜRGENSEN
Arzt
Weigelt
Jaroslava Weigelt
Tiburtius