BANKEN / INDUSTRIEBESITZ Nationale Schande
Dieses Land«, so wetterte unlängst Wright Patman, 75, mächtiger Vorsitzender des Bankenausschusses im amerikanischen Kongreß, »wird bald zwei Regierungen haben -- die gewählte und die der Banken.«
In Patmans düsterer Vision werden in Zukunft die 200 Millionen Amerikaner nicht allein vom Präsidenten im Weißen Haus, sondern -- weit wirksamer und strenger -- von den Chefs einiger weniger Großbanken beherrscht. Jeder US-Bürger, so Patman, ist dann als Angestellter, Schuldner oder Kunde den Finanz-Tycoons in ihren Bankpalästen hilflos ausgeliefert.
Dieser Alptraum einer Bankendiktatur von Boston bis Los Angeles verfolgt den demokratischen Kongreßabgeordneten aus Texas, seit Amerikas Bankchefs im vergangenen Jahr begannen, in Geschäftsbereiche vorzudringen, die ihnen von Rechts wegen bereits seit 36 Jahren verschlossen sind.
Damals, auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, hatte die Regierung des Demokraten Franklin D. Roosevelt den Banken und ihren vielfältigen Beteiligungen an Industrieunternehmen die Hauptschuld an dem großen Krach zugeschrieben. Bis zur Krise hatten die US-Banken ihren industriellen Töchtern ohne Rücksicht auf deren wirtschaftliche Lage Millionen-Beträge vorgeschossen und dadurch das Kreditvolumen in unverantwortlicher Weise auf gebläht.
Erst der Banking Act von 1933 beendete das Vabanque-Spiel der US-Bankiers. Seitdem sind den über 13 000 Finanzhäusern (1968) nur noch die sogenannten reinen Bankgeschäfte (Geld zu leihen und zu verleihen) erlaubt. Eine Beteiligung an Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen -- für deutsche Geldwechsler eine Selbstverständlichkeit -- aber ist den US-Banken strikt verboten.
Durch einen Trick freilich vermochten sich die US-Bankherren auch später einen Anteil am lukrativen Industriegeschäft zu sichern. Statt Tochtergesellschaften direkt zu kaufen, gründeten sie zuvor eine Holding-Gesellschaft und kauften die Töchter hernach über die Holding. Amerikas Gesetzesmacher mußten eigens ein Gesetz -- den Bank Holding Company Act von 1956 -- erlassen, um den Mißbrauch zu verhindern.
Hiernach sind jedoch nur solche Holding-Gesellschaften verboten, die je 25 Prozent der Aktien von mindestens zwei Banken besitzen. Dachgesellschaften aber, die nur ein Kreditinstitut kontrollieren ("One Bank Holdings"), sind im Text nicht erwähnt. Und genau durch diese Paragraphenlücke versuchen Amerikas Großbankiers jetzt ihrem Branchen-Getto zu entkommen.
Als erste unter den Super-Banken ging die First National City Bank, mit 66 Milliarden Mark Einlagen (Deutsche Bank 23 Milliarden Mark Einlagen) drittgrößtes Kreditinstitut Amerikas, auf Industriekurs. Im Juli vorigen Jahres gründete Generaldirektor George Moore die First National City Corporation, die sämtliche Aktien der Firma übernahm und den Inhabern dafür Holding-Papiere eintauschte.
Die neue Gesellschaft kann, was der City-Bank verboten war: an der Börse pokern und branchenfremde Unternehmen aufkaufen. George Moore, nunmehr Holding-Manager, stieg denn auch sofort ins Geschäft und erwarb die Chubb Corporation, eine Versicherungsgesellschaft mit zwei Milliarden Mark Vermögen.
Ende Februar entzog sich die größte Bank der Welt, die Bank of America in San Francisco (86 Milliarden Mark Einlagen), nach dem Muster ihrer Konkurrentin von der Ostküste dem staatlichen Beteiligungsverbot. Und im März wechselten binnen kurzem gleich drei Großbanken formal ihre Besitzer: > Am 19. März übereigneten die Aktionäre des Morgan Guaranty Trusts (33 Milliarden Mark Einlagen), des fünftgrößten Geldinstituts der USA, ihre Anteile der Holding J. P. Morgan & Co.;
* am 24. März schluckte die Manufacturers Hanover Corporation die Nummer vier unter Amerikas Banken, die Manufacturers Hanover Trust Company (37 Milliarden Mark Einlagen);
* am 25. März ging die zweite in der Rangliste, die Chase Manhattan Bank (67 Milliarden Mark Einlagen) in den Besitz der Chase Manhattan Corporation über.
»Die größten und angesehensten Banken«, so spottete die »New York Times«, »überstürzen sich plötzlich, um durch eine seit Jahren bekannte Gesetzeslücke an die Börsen zu kriechen.«
Insgesamt lauern nach Patmans Berechnungen heute schon rund 800 One-Bank-Holdings, die zusammen fast ein Drittel aller amerikanischen Depositen verwalten, an den Börsen, um Amerikas Industrie, Handel und Gewerbe zu übernehmen.
In 119 Wirtschaftszweige haben sie sich bereits eingekauft. Sie betreiben Mühlen, Fensterputz-Dienste, Getreidegroßhandel, Filmproduktionen und Buchmacher-Geschäfte. Ihnen gehören Öl-Firmen, Telephon-Gesellschaften, Bauernhöfe und Supermärkte. Bereits bis zum 30. September 1968 waren 36 Versicherungsgesellschaften, 232 Broker-Firmen und 56 Holdings in den Besitz von zumeist kleineren Bank-Konzernen übergegangen.
Diesen Ausverkauf der amerikanischen Industrie an die Banken will nun Patman stoppen. Bereits im Februar legte er einen Gesetzentwurf vor, nach dem sämtliche One-Bank-Holdings verboten werden sollen.
Der Demokrat kam damit nur knapp einem Gesetzentwurf des Republikaners Nixon zuvor, dessen Finanzminister David M. Kennedy ebenfalls gegen das uferlose Auswuchern der Bankgiganten anzukämpfen vorgibt. Doch im Gegensatz zu Patman, der auch alle bereits bestehenden One-Bank-Holdings aufbrechen möchte, will Kennedy nur die Gründung neuer Dachgesellschaften verhindern. Bereits bestehende Industrieverflechtungen sollen nach Kennedys Entwurf laut einer sogenannten »Großvater-Klausel« auch weiterhin erlaubt sein.
»Der Gesetzentwurf der Regierung«, so schimpfte Patman, »gefährdet jede wirksame Regulierung des Bankwesens.«
In der Tat: Nach dem Regierungsentwurf soll die Kontrolle über Amerikas Bankkonzerne« die Patman dem für seine strenge Antitrust-Politik bekannten Zentralbankrat übertragen will, auf drei Aufsichtsbehörden zersplittert werden. Die mächtigsten Trusts würden danach dem »Comptroller of the Currency« William Camp unterstellt. Gerade dieser Camp aber hatte die One-Bank-Holdings erst kürzlich ermuntert, ihre »kluge und nützliche Expansion« fortzusetzen.
In Patman keimt derweil ein böser Verdacht. Kennedy, so Patman, habe seinen Entwurf nur vorgelegt, um Patmans viel schärferes Gesetz zu Fall zu bringen. In Wahrheit denke Kennedy nicht daran, die One-Bank-Holdings zu verbieten.
Für seine These hat Patman bereits Anhaltspunkte gesammelt: Kennedys Staatssekretär Charles Walker, der die Regierungsvorlage entworfen hat, war bis zu seinem Amtsantritt Vizepräsident des US-Bankenverbandes, der American Bankers Association. Und Finanzminister David Kennedy selbst hatte noch vor kurzem als Präsident der Continental Illinois National Bank & Trust Company (22 Milliarden Mark Einlagen) eine One-Bank-Holding gegründet.
Das Bankgesetz der republikanischen Bankiers. so resümierte Demokrat Patman, »ist eine nationale Schande«.