Im schleswig-holsteinischen Amt für Zivilverteidigung und Katastrophenabwehr sind geheime Unterlagen über das Nato-Manöver »Wintex 85« vom letzten Frühjahr spurlos verschwunden. Die Akte enthielt nicht nur einen amtlichen Erfahrungs- und Ergebnisbericht über die Übung in Rheinland-Pfalz, sondern auch zwei »Schreiben« über Schlußfolgerungen und, wie es heißt, »verwaltungsinterne Dinge für Schleswig-Holstein«.
Nach offizieller Sprachregelung im Kieler Innenministerium ist die Akte »zur Zeit nicht auffindbar«. Tatsächlich werden die Mitte des Jahres verfaßten Papiere, die »unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen« bis zu höchsten Vertraulichkeitsgraden unterliegen, bereits seit August vermißt. Ranghohe Sicherheitsbeamte schließen daraus, daß die Unterlagen »geklaut« wurden.
Die Brisanz des Verlustes ergibt sich aus der Zielsetzung der bislang umfangreichsten und kompliziertesten Nato-Übung. Unter Beteiligung ziviler Behörden wurden damals in einem Planspiel im atombombensicheren Bunker bei Dernau an der Ahr alle Verfahren durchgespielt, die das westliche Bündnis für den Krisenfall parat hat, so etwa der Einsatz von Bundeswehr-Soldaten gegen streikende Arbeiter und Demonstranten der Friedensbewegung.
Als militärische Konsequenz einer Bedrohung aus dem Osten entschied sich das im Manöver regierende Kriegskabinett unter Leitung von Staatssekretär Waldemar Schreckenberger als Krisen-Kanzler obendrein für den Ersteinsatz von Atombomben (SPIEGEL 26/1985).
Ein Zusammenhang zwischen den in Kiel verschwundenen Übungsergebnissen und dem Spionagefall Tiedge, der in Kieler Regierungskreisen vermutet wurde, ist für leitende Beamte im Innenministerium »nicht erkennbar und nicht nachvollziehbar«, schon der »zeitliche Zusammenhang« passe nicht. Erklärung der Kieler Ministerialen für die Schlamperei an der Förde: »Ein persönlicher Racheakt« auf Beamtenebene.