Zur Ausgabe
Artikel 21 / 85

HEIM-SAUNA Neben der Bar

aus DER SPIEGEL 47/1965

Auf einer Villenbaustelle in Hamburg-Wandsbek erlebten Maler und Bauarbeiter unverhofft einen Striptease: Photomodell Jessica Labusch, 23 und durch Pressebilder im Oben-ohne -Kleid bekannt, posierte im Keller des Neubaus für Werbephotos der Firma Hansestädtische Import GmbH. Die Werbung galt der Heimsauna Marke »Finnjark«, deren eine im Wandsbeker Keller gerade eingebaut worden war.

Nordische Schwitzkabinen im eigenen Heim sind des gehobenen Wohlständlers jüngstes Hobby. Den Born unverwüstlicher finnischer Gesundheit leisteten sich während der letzten zwei Jahre unter anderen Bundeskanzler Erhard, Krupps Generalbevollmächtigter Berthold Beitz und Berlins Star-Regisseur Boleslaw Barlog. Rund 750 private Heißluftkammern werden in diesem Jahr in Westdeutschland installiert; vor zwei Jahren waren es erst 250.

Die Heimsauna ist nicht auf Mieter des sozialen Wohnungsbaus zugeschnitten: Sie kostet in der Standardausführung zwischen 4000 und 5000 Mark und nimmt einen Raum von zwei mal zwei Meter Grundfläche in Anspruch.

Der Käufer erhält einen Haufen zugeschnittener, echt finnischer Bretter (Finnjark-Werbung: »Weitgehend ast - und harzfreie Fichte"), aus denen die Wandverkleidung montiert wird. Außerdem gibt es hölzerne Liegepritschen sowie den elektrischen Sauna-Ofen samt original-finnischen Ofensteinen und einer ebenfalls finnischen Schöpfkelle (auf den heißen Steinen wird von Zeit zu Zeit Wasser verdampft, weil sonst die Luft zu trocken würde). Auch Thermometer und Thermostat sowie hölzerne Wasserkübel gehören zur Grundausstattung.

Größtes Hindernis beim Sauna-Verkauf sind Westdeutschlands Ärzte mit ihrer Sorge um den Kreislauf der Patienten. Klagt Finnjark-Chef Harry Jark, gelernter Ölkaufmann und früher bei Veedol beschäftigt: »Die verwechseln die finnische Trockensauna mit der russischen Dampfsauna, die sie im Krieg kennengelernt haben.«

Die Importeure führen an, daß in Finnland fast jeder der 4,5 Millionen Einwohner regelmäßiger Saunagänger sei. In allen Kulturen des europäischen Altertums seien derartige Badebräuche nachgewiesen. Ein Reisebericht aus dem Jahr 1752 beschreibt sogar bei den mittelamerikanischen Indianern ein »Schweißhaus« nach Sauna-Art.

Vor allem bemühen sich die Lieferanten um möglichst eindrucksvolle Referenzlisten. Die Vertriebsgemeinschaft der Firmen Klafs, Schwäbisch Hall und Noggerath, Hamburg - sie hatten mit rund 450 Einheiten im letzten Jahr den größten Umsatz -, kann als zufriedene Kunden Radio-Unternehmer Max Grundig, Fliegerin Hanna Reitsch, NRW -Justizminister Sträter, das Dominikaner-Kloster St. Albert bei Bonn, die Fußballklubs HSV und Werder Bremen sowie das Jagdgeschwader 71 »Richthofen« vorweisen.

Die Hamburger Konkurrenz Finnjark verbuchte den Sektfabrikanten Otto Henkell, den Kölner Verleger Neven DuMont und das Jagdbombergeschwader 33.

Immer mehr zahlungskräftige Geschäftsleute, Ärzte, Rechtsanwälte und höhere Beamte folgen den illustren Vorbildern. Selbst in Mietwohnungen und Junggesellen-Appartements fanden die finnischen Schwitzkästen bereits Eingang.

Die meisten Kunden jedoch lassen sich ihre Sauna im Keller einbauen, wobei nicht selten der Wunsch nach einer neuen Form zwangloser Geselligkeit eine Rolle spielt: Am häufigsten wird der Sauna-Standort gleich neben der Keller-Bar gewählt.

Finanzstarke Käufer fordern oft auch Spezialanfertigungen bis zu vier mal vier Meter Größe, in denen mehr als ein Dutzend Badefreunde auf einmal Platz haben. Ein Lebenskünstler aus Köln -Junkersdorf bestellte ein Spezial-Sauna -Blockhaus samt einem hohen Palisadenzaun als Sichtblende für ungestörte Bade-Partys.

Solchen gesellschaftlichen Vorzügen der Sauna steht allerdings ein Nachteil gegenüber. Noggerath-Verkaufsleiter Hans-Jürgen von Melville: »Einen Swimming-pool im Garten sieht man besser als die Sauna im Keller.«

Sauna-Besitzer Erhard, Grundig, Hanna Reitsch, Barlog, Henkell: Astreine Finnlandfichte ...

Sauna-Werberin Jessica Labusch

... für Gesundheit und Geselligkeit

Zur Ausgabe
Artikel 21 / 85
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren