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BUNDESWEHR Neonazi eingeladen

Von Alexander Szandar
aus DER SPIEGEL 50/1997

Warum eine Symbolfigur der Neonazis an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr auftreten durfte, wird derzeit vom Bundesverteidigungsministerium geprüft. Der als Terrorist verurteilte und regelmäßig in Verfassungsschutzberichten erwähnte frühere Anwalt Manfred Roeder, 68, war 1995 vom damaligen Chef des Stabes der Akademie als Referent zu einer »Offizierweiterbildung« eingeladen worden. Die Gastgeber wußten angeblich nichts von den Aktivitäten des prominenten Neonazis. Roeders Vortrag galt der »Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum Königsberg«. Vertrauensleute der Unteroffiziere und Mannschaften haben unterdessen beim Deutschen Bundeswehr-Verband angeregt, Traditionsräume und Kasernenflure zu »entrümpeln«. Falsch verstandene Pflege von Wehrmachtstraditionen sei nach Meinung vieler junger Soldaten der Nährboden für die rechtsradikalen Umtriebe in der Bundeswehr. Tatsächlich finden sich in vielen Kasernen oft unkommentierte Darstellungen und Fotos, etwa von siegreich geschlagenen Schlachten aus dem Zweiten Weltkrieg, und Vitrinen voller Erinnerungsstücke - von Flaggen bis zu Orden mit Nazi-Symbolen. Daß etwa bei einer Fallschirmtruppe Dokumente der Wehrmacht aushingen, in denen sich »ein vom nationalsozialistischen Geist mitgeprägtes soldatisches Verständnis und sinnloser Durchhaltewillen« ausdrücke, hatte bereits 1995 der damalige Wehrbeauftragte Alfred Biehle gerügt - ohne sonderliches Echo. Auch in dem langen Maßnahmenkatalog einer »Arbeitsgruppe Rechtsextremismus«, die Generalinspekteur Hartmut Bagger nach den jüngsten Vorfällen eingesetzt hatte, ist eine entsprechende Überprüfung der Kasernen nicht vorgesehen. Eine Änderung der veralteten Richtlinien zur Traditionspflege aus dem Jahr 1982, die in der Truppe kaum bekannt sind, ist ebensowenig geplant.

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