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Neonazis in Nahost - »betrogen und reingelegt«

Die Wehrsportgruppe Hoffmann, die trotz Verbot bei nahöstlichen Guerillakämpfern weitermachte, ist zerschlagen. Entmutigte Mitglieder der Neonazi-Vereinigung desertierten und ließen den Chef hochgehen. Die Berichte der Abtrünnigen enthüllen, wie Hitler-Fans den Terror nach außen vorbereiteten und erst einmal in der Gruppe vollzogen.
aus DER SPIEGEL 27/1981

Karl-Heinz Hoffmann konnte sich auf seine Männer verlassen.

Der Gründer und Lenker der neonazistischen »Wehrsportgruppe Hoffmann« war gewohnt, daß »ohne Meckern Vollzug gemeldet« wurde, wenn er seine schwarzuniformierte Privatarmee ausrücken ließ -- zu Kriegsspielen für ausländische Fernsehteams, zum gewalttätigen Saalschutz bei NPD-Versammlungen. Wenn es gegen linke Buchläden oder Studenten ging, prügelte auch der Chef selbst.

Der Treue seiner Gefolgschaft glaubte sich der Gruppenführer auch noch sicher, nachdem Anfang letzten Jahres das Bundesinnenministerium den Nazi-Zirkel wegen seiner verfassungswidrigen Ziele aufgelöst hatte. »Wir werden weiterhin wirksam sein«, drohte Hoffmann im Fernsehen, »wahrscheinlich in einer wesentlich unangenehmeren Weise«, nicht in der Bundesrepublik, sicherlich aber »sonst irgendwo«.

Hoffmanns Arm reichte bis in den Nahen Osten. Im Libanon verkaufte er den Palästinensern von der Bundeswehr ausgemusterte Militärautos, und da brachte er auch einige seiner Getreuen in Ausbildungslagern unter. Regelmäßig kam er eingeflogen, meist über Damaskus, kaum je hatte er Anlaß zur Klage.

Das alles änderte sich am Montag vorletzter Woche. Aus Beirut kam die ungewohnte Kunde, daß mehrere Hoffmann-Anhänger die Truppe verlassen und teils bei der Deutschen Botschaft, teils bei arabischen Beschützern Deckung gesucht hatten -- Meuterei. Hoffmanns Eilflug an den Krisenherd endete vorzeitig, Polizisten nahmen den Reisenden auf dem Frankfurter Flughafen fest.

Drei der Deserteure waren bereits wieder in Deutschland und hatten den Chef hochgehen lassen. Für zwei von ihnen, Odfried Hepp, 23, und Peter Hamberger, 17, war es schon der zweite Fluchtversuch.

Hoffmann wird nun beschuldigt, eine terroristische Vereinigung betrieben zu haben. Das Ziel, »Amerikaner und Russen und das Bonner System aus Deutschland zu vertreiben, notfalls mit Gewalt«, verrieten seine einstigen Jünger den Vernehmern, wurde im libanesischen Camp nicht aus den Augen gelassen, der Gruppen-Zusammenhalt gewahrt, manchmal mit Gewalt.

So kam es letzte Woche für den Wehrsportführer Schlag auf Schlag. Ein Spezialisten-Trupp des bayrischen Landeskriminalamts durchkämmte Hoffmanns Stammsitz, das altertümliche Schloß Ermreuth bei Nürnberg, und die umliegenden Waldregionen, wo Hoffmanns Männer ihre kriegerischen Geländespiele abzuhalten pflegten.

Mit Preßlufthämmern, Pickeln und Schaufeln durchlöcherten die Beamten das hinfällige Hoffmann-Anwesen auf der Suche nach Beweismaterial. Mit Schaufelbaggern und Magnetsonden suchten Spürtrupps fränkische Höhlen ab. Die mehrtägige Aktion auf hermetisch abgeriegeltem Gelände brachte auch jede Menge falsche Dollar und zwei Kilo Sprengstoff der Sorte TNT zutage.

Mit der Aufdeckung des arabischen Unterschlupfes endet nun erst einmal die abenteuerlichste Episode der neudeutschen Hitler-Bewegung. Allerdings war Hoffmanns Organisation nur das jüngste Beispiel für das gefährliche Anwachsen von Kämpfergruppen am rechten Rand der Bundesgesellschaft.

Denn schon seit Ende der sechziger Jahre sind die neonazistischen Klüngel, S.30 die sich einst auf Hakenkreuznostalgie, eifernde KZ-Verleugnung und Politarbeit in diversen Splitterparteien zu beschränken schienen, zur Aktion übergegangen.

Den Anschlägen auf Friedhöfe, Ehrenmale und Sendemasten ist längst die Gewalt gegen Personen gefolgt --Brandsätze gegen Ausländerunterkünfte, das Münchner Bombenmassaker vom letzten Oktoberfest, Grenzer-Mord, Feme-Mord.

Die Ermittlungen danach bewegen sich meist im Kreis der stets gleichen Namen und Organisationen, und die Szene, ein eng verknüpfter brauner Teppich, ragt vielfältig ins Ausland. Untergrundgruppierungen verschiedenster Couleur gewähren Hilfe, teils offen, teils verstohlen, wie etwa im Libanon.

Dort haben Hoffmanns Deserteure jetzt zwischen den einzelnen Bürgerkriegsgruppen eine Propaganda-Schlacht ausgelöst, die mit viel Pressearbeit, Desinformation und wechselseitigen Beschuldigungen betrieben wird: Keine Seite will die Neonazis beherbergt haben. Die jedoch bekundeten jetzt an verschiedenen Orten und in vielfach voneinander abweichenden Darstellungen in einem Punkt alle das eine: Sie seien bei der (überwiegend links orientierten) PLO gewesen.

Rund anderthalb Dutzend Wehrsportkämpfer hat Hoffmann danach im Lager Bir Hassan, einem Camp der El-Fatah im Süden Beiruts, konzentriert: Drei von Hoffmann ernannte Aufseher kujonierten den Rest auf sadistische Weise, und die Palästinenser ließen es zu.

Angeworben wurden sie, so klagten die Flüchtlinge, für den Transport von Militärfahrzeugen nach Nahost mit anschließendem Kampftraining im Kameradenkreis und gelegentlichen Wartungsarbeiten im Wagenpark. Auch an Hoffmann-Versprechen von Gewinnbeteiligung und Sold erinnern sie sich.

Doch alles kam ganz anders. Der Drill erwies sich als »mörderisch«, es gab eine »idiotische Militärausbildung an Kalaschnikow und Splitterhandgranaten« (Hepp). Der Trupp wurde in grüne Sonderuniformen gesteckt und mußte statt der geruhsamen Kfz-Schlosserei oft strapaziöse Ausschachtungen und Bauarbeiten ausführen.

Den Lagerinsassen kam allmählich der Verdacht, daß Karl-Heinz Hoffmann seinen palästinensischen Kunden zusammen mit Autos aus Deutschland auch Dienstleistungen aller Art verhökert hatte. Sie fühlten sich von ihrem einstigen Idol, dem es auf einmal »nur um seinen Geldbeutel« zu gehen schien, »betrogen und reingelegt«.

Bei den Leuten vom Fußvolk wurden nun, wie sie ihren deutschen Vernehmern sagten, »die Messer gegen Hoffmann gewetzt«. Doch der hatte vorgebaut. Die Gruppenleitung behielt alle Reisepässe ein und drohte manchem, der in Deutschland Straftaten begangen hatte, mit Denunziation.

Überhaupt war der alte Wehrsportgeist im Libanon bald verpufft. Die deutschen Aufseher führten ein Terrorregime mit Prügelstrafe und Bunker. Wer rauchte, mußte »Nikotin-Tee« trinken und, wenn er sich dann übergab, das Erbrochene essen. Wer noch mal rauchte oder andere Verstöße beging, kam gefesselt an die Heizung. Auch Wasserentzug wurde verhängt.

Im Camp saßen einige Jungbraune, die den deutschen Strafverfolgern gut bekannt sind, darunter etwa der 23jährige Arndt Marx, Hoffmanns Platzhalter in Frankfurt, der sich kurz vor dem Münchner Attentat absetzte und seither von Gesinnungsfreunden als »Freiheitskämpfer im Exil« gefeiert wird.

In Bir Hassan war auch jenes Quartett einquartiert, das letztes Jahr durch einen spektakulären Ausbruchversuch von sich reden machte (SPIEGEL 4/1981); neben Odfried Hepp und Peter Hamberger noch Kay Uwe Bergmann und Steffen Dupper.

Die vier waren letzten Herbst aus dem Palästinenserlager zunächst auf die andere Seite der Front, zu den rechten Falangisten, geflohen. Dann hatten sie sich von der Deutschen Botschaft in Beirut Ersatzpässe und Flugtickets erschwindelt, waren jedoch auf dem Weg zum Flughafen, der im palästinensisch kontrollierten Westbeirut liegt, abgefangen worden. Danach blieben sie verschwunden. Beide Bürgerkriegsparteien beschuldigten seither einander, die vier in ihre Gewalt gebracht zu haben.

Zurück im Lager, wurden die Flüchtlinge erst einmal eingesperrt, dann zu Strafarbeit am Bau verdonnert. Erst nach Monaten betrauten die Oberen sie wieder mit Wartungsarbeiten.

Ex-Maschinenbaustudent Hepp durfte sogar zu gelegentlichen Ersatzteilkäufen in die Stadt. Einen dieser Gänge nutzte er zusammen mit Hamberger und dem Hamberger-Freund Hans-Peter Fraas zur erneuten Flucht in die Deutsche Botschaft. Dort gaben sie ausgiebig ihre Vorwürfe zu Protokoll und ließen sich schließlich, Montagabend vorletzter Woche, im gepanzerten Mercedes zum Flughafen bringen.

Dupper blieb im Lager zurück, Bergmann ist wieder verschollen. Der gebürtige Hamburger war schon vor seiner Flucht letzten Herbst wiederholt bei den Bewachern angeeckt und einmal krankenhausreif geprügelt worden. Nach dem Fluchtversuch verloren die Kameraden ihn aus dem Blick. Im Lager herrscht die Überzeugung, daß Bergmann tot ist.

Hoffmanns jetzt wohl zerschlagene Organisation war eine der wichtigsten Nahtstellen rechtsaußen: Im Beziehungsgeflecht zwischen den verschiedenen Taten und Tätern des braunen Untergrunds tauchte früher oder später meist die Wehrsportgruppe auf, Garant dafür, daß die Nationalen »jederzeit koordiniert zuschlagen können«, wie der Hamburger Neonazi Michael Kühnen ("Aktionsfront Nationaler Sozialisten") tönte.

Koordination ist unbestreitbar immer wieder da. Beispiele: Der frühere Rechtsanwalt Manfred Roeder ("Roeder-Bande"), dessen Gruppe mörderische Anschläge auf Unterkünfte von Asylbewerbern (zwei Tote) angelastet werden, hatte öfters den Karl-Heinz Hoffmann zu Gast, etwa auf einem bizarren »Reichstag zu Regensburg«, 1977.

Hoffmann referierte vor norddeutschen Nazi-Spitzen in Hamburg zum Thema »Warum Wehrsport?«, Roeder war auch dabei. Den Saalschutz machten Gefolgsleute von Michael Kühnen. Einige von denen sitzen inzwischen ein, unter anderem wegen Bankraubs und Waffendiebstahls. Andere begingen unlängst einen Feme-Mord in den eigenen Reihen (SPIEGEL 24/1981).

Frank Schubert, Mörder zweier Schweizer Grenzbeamter Ende letzten Jahres, hatte in Mainz beim rechtsradikalen Gärtnereiunternehmer Kurt Müller ("NS-Gruppe Müller") gemeinsames Domizil mit dem Hoffmann-Flüchtling Odfried Hepp.

Hepp wiederum unterhielt, bevor er nach Nahost abtauchte, im Badischen die nach einem NS-Märtyrer benannte »Wehrsportgruppe Schlageter Ortenau«, die Nazi-Sticker ("Junge komm bald wieder! Alles Gute zum 90. Geburtstag") bunkerte und Anschläge plante. Hepp hatte auch persönliche Beziehungen zum mutmaßlichen Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler.

Beiden gemeinsam: die Kontakte zum Wehrsport-Hoffmann. S.31

»Wir sind im rechten Lager gar nicht so zersplittert, wie es scheint«, sagt Michael Kühnen, derzeit Hochsicherheitstrakt im Gefängnis Celle.

Es hat lange gedauert, ehe deutsche Strafverfolgungsstellen begannen, Leute wie Kühnen ernst zu nehmen und am Ende auch hinter Schloß und Riegel zu bringen. Einschlägige Strafbestimmungen gegen Uniformtragen, NS-Symbolik, Volksverhetzung wurden oft nur schleppend angewendet. Unbehelligt von allzu viel behördlicher Aufmerksamkeit, konnten die Hitler-Adepten sich jahrelang Waffenlager und konspirative Verbindungen zulegen.

Diese amtliche Milde nach rechts schlägt noch bis heute durch -- wenn etwa der Neonazi Klaus Ludwig Uhl, obwohl rechtskräftig zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt, seinen Paß behält und sich nach Frankreich absetzen kann; wenn Michael Kühnen in der Isolierhaft militante Gesinnungsgenossen und Fememord-Planer empfangen darf; wenn das Oberlandesgericht Stuttgart die von der Gruppe Hepp verabredeten Pläne (zum Beispiel Geiselnahme zur Befreiung von Rudolf Heß, Anschlag auf die Mauer in Berlin) für »allgemeine Schwätzereien« hält, obwohl eingehende Planungsunterlagen beschlagnahmt worden sind.

Nutznießer der Verharmlosung durch zuständige Stellen war stets auch Karl-Heinz Hoffmann, äußerlich Politclown, ein Neonazi wie gemalt. Der Nietzsche-bärtige Graphiker und Schildermaler mit der Vorliebe für Ordnungsvorstellungen und Symbole der Hitler-Zeit pflegte sein exzentrisches Bild immer sehr sorgfältig. Mit Maskeraden und bornierten Reden machte Hoffmann sich in Nürnberger Wirtshäusern bekannt, seine Spaziergänge mit zwei angeleinten Geparden imponierten in der örtlichen Schickeria.

Hoffmann führte zeitweise in Nürnberg die populäre Bierkneipe »Rotes Roß«. Sein Ruf als Schläger ("Der Fight fängt für mich erst an, wenn der andere am Boden liegt") nahm auch die örtliche Zuhälterwelt für den Kneipier ein, von dessen direkter Art mancher Gast zu berichten hatte. Einer, der sich über den Service beschwerte, bekam vom »Roß«-Wirt einfach Bratfett ins Gesicht.

Ende der siebziger Jahre war Hoffmanns Wehrsport-Schloß zur Drehscheibe faschistischer Kampfbündler des In- und Auslands, das hier gepflegte Gewaltpotential offenkundig geworden. Doch selbst da wollten die Innenministerien in Bonn und München immer noch »sorgfältig prüfen«, »in geeigneter Weise überwachen«, was im und ums Schloß geschah.

Bayerns Verfassungsschützer signalisierten bereits wachsende Gewaltbereitschaft und Konspiration, da sah Ministerpräsident Strauß »ie Lage immer noch so: Mein Gott, wenn ein Mensch sich vergnügen« » will, indem er am Sonntag auf dem Land mit einem Rucksack und » » mit einem mit Koppel geschlossenen »Battle Dress« » » spazierengeht, dann soll man ihn in Ruhe lassen. »

Spät erst ist auch für die Bonner konkret ans Licht gekommen, daß sich eine braune Internationale formiert hat, bei der deutsches Wesen mit den Ton angibt. In einem neueren Papier des »nnenministeriums heißt es: In- und ausländische Neonazis verfüge« » über Waffen, Sprengstoff und militärische » » Ausrüstungsgegenstände. Die Hinweise, daß in die gemeinsame » » Planung europäischer Neonazis auch die Beschaffung von Waffen » » und Sprengstoff einbezogen wird, haben sich verstärkt. »

Daß in die Infrastruktur zunehmend auch der Nahe Osten mit einbezogen wird, hat seine guten Gründe. Nirgends können sich polizeilich gesuchte Polittäter leichter verbergen als in der arabischen Krisenzone am östlichen Mittelmeerrand. Dort, vier Flugstunden entfernt, verwischen sich schon gleich nach der Landung die Spuren zwischen den diversen Bürgerkriegsfronten und Spannungsherden.

Ein heißes Pflaster ist dies Gebiet zuerst einmal für die Verfolger. Ermittler aus Europa sind ungern gelitten. »Wenn wir da eine Quelle hinschicken«, erklärt ein Verfassungsschützer die immer noch dürftige Erkenntnislage, »können wir dem doch gleich das Testament mitgeben.«

Seit Anerkennung der Palästinenser durch die internationale Diplomatie mögen sich nur mehr Untergruppen der PLO zur Beherbergung westlicher Terroristen bekennen. Die marxistische Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) etwa, im PLO-Verbund nur als radikaler Außenseiter geduldet, gibt nach wie vor Kost, Logis und Waffentraining, schickt aber nach eigenem Bekunden keine Ausländer mehr ins Gefecht. »Man lernt aus seinen Fehlern«, sagt Politbüromitglied Taissir Kubaah.

Daß gesuchte Leute bei rivalisierenden Grüppchen abtauchen, erschwert europäischen Strafverfolgern den Durchblick noch weiter. Da es zu den Routinegeschäften von Propagandisten im Bürgerkrieg gehört, die jeweils andere Seite der Beschäftigung ausländischer Legionäre zu zeihen, verlieren sich die Hinweise meist schon in dem Wirrwarr aus Gerüchten und Desinformation.

Dorthinein könnte passen, daß Anfang letzter Woche auch Hoffmanns Lebensgefährtin Franziska Birkmann, 34, in Haft kam. Sie ist Eignerin des Ermreuther Grundstücks und womöglich auch anderweitig in Hoffmanns Aktionskreise verstrickt. Denn zu Franziska Birkmann führt eine Spur im Fall Shlomo Levin, eine Mordsache mit mysteriösen Nahostbezügen.

Der 69jährige Ortsvorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit war Ende letzten Jahres gemeinsam mit seiner Freundin in deren Erlanger Haus erschossen aufgefunden worden. Neben ihm lag eine Brille, die Frau Birkmann einmal gekauft und später, wie sie dann den Ermittlern sagte, verloren hatte.

Der Ermordete, in Palästina geboren, in Deutschland aufgewachsen, war Vertreter der jüdischen Befreiungsbewegung. In seinem ehrenamtlichen Tätigkeitsbereich führte Levin nach Polizeiangaben eine ausgiebige Personenkartei; wahrscheinlich unterhielt er noch ungeklärte Beziehungen zu israelischen Dienststellen.

Während Levin auch israelische Feinde hatte -- Jerusalemer Blätter druckten unfreundliche Nachrufe --, haben die Ermittler unter seinen weiteren möglichen Gegnern auch die Terror-Organisation des in Syrien residierenden S.32 ehemaligen Palästinenserführers Abu Nidal ausgemacht.

Abu Nidal ist ein PLO-Abtrünniger. Er bekämpft im Dienste unbekannter Auftraggeber »Feinde der palästinensischen Sache« auf beiden Seiten der Front. Der Mann in Damaskus gilt als Organisator des Mordes am österreichischen SPÖ-Politiker Heinz Nittel, der unter auffallend ähnlichen Umständen starb wie frühere Nidal-Opfer -- aber auch wie Shlomo Levin.

Sprecher der in Beirut ansässigen PLO versuchten letzte Woche die Linie Levin--Hoffmann nachzuziehen: Sie verbreiteten die Version, die Wehrsportler seien im Nahen Osten bei Mitstreitern von Abu Nidal untergekommen.

Eurofaschisten Quartier zu geben gilt bei den Kombattanten im Libanon als besonders ehrenrührig. Sogar die rechtsextreme Falangebewegung, vom Hitler-Freund Pierre Gemayel gegründet und regiert von dessen Sohn Beschir, einem Starken Mann mit diktatorischen Methoden, distanziert sich von Neonazis. »Denn wenn da was Braunes in den Ventilator kommt, kriegen alle was ab«, wertet ein deutscher Fahnder die libanesischen Beteuerungen.

Trotzdem: Der neobraune Zuzug in den Nahen Osten hat längst Tradition. Latente Zuneigung zu Hitlers Erben, Beschwörung angestammt guter deutsch-arabischer Beziehungen, Israel-Feindschaft, hier und da auch Geschäftsinteressen mögen dazu beigetragen haben, das Empfangsklima zu pflegen.

Die rechten deutschen Besucher kommen selten mit leeren Händen. Bei seinem Lkw-Handel unter Gleichgesinnten ist Wehrsport-Hoffmann nur Epigone. Er übernahm die Geschäftsstränge, die ein anderer Deutscher aus dem rechten Spektrum jahrelang gezogen hat: Udo Albrecht, 40, eine besonders schillernde Figur im rechten Nahost-Busineß.

Schon seit Mitte der sechziger Jahre macht Albrecht sich auf seine Weise um die deutsch-arabische Freundschaft verdient. Für ägyptische Verbindungsleute warb er in Deutschland ein »Hilfscorps Arabien« an -- vorzugsweise beim rechtsextremen »Bund Heimattreuer Jugend«.

Unter den vier jungen Deutschen, die 1975 im Albrecht-Auftrag ausgediente Militärautos nach Nahost überführen sollten und in Jugoslawien gestoppt wurden, war auch Ekkehard Weil, damals 21, der 1970 den ersten neonazistischen Mordanschlag verübt hatte, auf den Militärposten am West-Berliner Sowjet-Ehrenmal.

Systematisch zog Albrecht, so wissen deutsche Ermittler, die ihn in der Kategorie »Rechtsextremismus« führen, seine Nahostgeschäfte mit Hilfe von »heruntergekommenen Rechten« auf. Zugleich aber ist er auch bei linken Palästinensern ein gern gesehener Geschäftspartner, der »Fahrzeuge und anderes« stets zur Zufriedenheit lieferte. Das bestätigte letzte Woche ein Sicherheitsmann der PLO ausdrücklich.

Bei der PLO, die sich als revolutionäre Befreiungsbewegung versteht, ist der rechtslastige Albrecht angesehen, weil er im »Schwarzen September« 1970 zusammen mit den palästinensischen Freischärlern in Jordanien gegen König Husseins Armee kämpfte.

Als die Jordanier schließlich nach blutigen Kämpfen die Fedajin aus ihrem Land vertrieben hatten, geriet Albrecht in Amman in Haft. Erst mit westdeutscher Regierungshilfe kam er frei. Bei seinen Papieren hat er seither einen Ausweis der PLO, die des Freundes Nazi-Neigungen auszuklammern weiß. »Wir sind nicht für seine Gedanken verantwortlich«, heißt es im Büro des El-Fatah-Führers Abu Ijad.

Derzeit sitzt der rechte PLO-Vertraute wieder einmal -- nun im westfälischen Brackwede und unter Bankraub-Beschuldigung. Anfang letzten Jahres noch war er zuletzt geschäftlich bei seinen PLO-Freunden und kam mit Karl-Heinz Hoffmann ins Gespräch. Der sondierte dort zu jener Zeit, just nach Verbot seiner Wehrsportgruppe, den Markt für gebrauchte Bundeswehrlaster. Nach dem Kontakt mit Albrecht ist Hoffmann, so erfuhren Verfassungsschützer, »dann gleich dicke eingestiegen«. Als Albrecht verhaftet wurde, machten einige von dessen Leuten bei Hoffmann weiter, der nun das Geschäft allein führte.

Daß die Wehrsportgruppe zur Exporttruppe verkommen ist, beklagten letzte Woche auf einer Ostbeiruter Pressekonferenz zwei zu den Falangisten desertierte ehemalige Hoffmann-Anhänger, Uwe Johann Mainka, 24, und Walter Ulrich Behle, 22. Auch ihnen hatte der Boß, wie sie sagten, Guerilla-Training und Sold versprochen, statt dessen aber nur Autopflegearbeiten und gelegentlich ein Taschengeld geboten -- zehn Pfund, nicht mal genug fürs Kino.

Die beiden Kronzeugen sagten, sie hätten jener Hoffmann-Gruppe angehört, die kurz nach dem Oktoberfest-Attentat mit Militärwagen in den Libanon wollte und an der österreichischdeutschen Grenze festgehalten wurde.

Im zweiten Anlauf, mit dem Flugzeug über Zürich nach Damaskus, hatten sie dann doch wenig später ihr Ziel erreicht. Nach acht Monaten Frustration im Hoffmann-Lager nahmen sie am 14. Juni drei Handgranaten, holten 200 Mark aus einem Versteck und schlugen sich über die Beiruter Demarkationslinie zu den Falangisten durch.

Den Triumph, den die Falange mit den öffentlichen Erzählungen über Hoffmann und die PLO verbuchen konnte, konterten die Beschuldigten in der ortsüblichen Weise. Noch am gleichen Nachmittag stellte die PLO den Pressevertretern in Westbeirut zwei andere deutsche Neonazis vor.

Die erzählten, sie seien von Falangewerbern als Kämpfer ins Land geholt wurden und nach acht Monaten auf seiten der Gemayel-Milizen eines Tages der PLO in die Hände gefallen. Im PLO-Gefängnis dann seien sie über den wahren Charakter der Falange informiert worden. Seither beschäftigten sie sich auf palästinensischer Seite im »humanitären Bereich«.

Doch der Coup mit den Deutschen war wohl nur ein Türke. In der Befragung verhaspelten sich die beiden angeblichen Ex-Falangisten aus Germany peinlich. Schließlich gebeten, das Falangeemblem zu beschreiben, fiel ihnen das im falangistischen Libanon allgegenwärtige Wahrzeichen nicht ein, die Zeder im Kreis.

S.31

Mein Gott, wenn ein Mensch sich vergnügen will, indem er am Sonntag

auf dem Land mit einem Rucksack und mit einem mit Koppel

geschlossenen »Battle Dress« spazierengeht, dann soll man ihn in

Ruhe lassen.

*

In- und ausländische Neonazis verfügen über Waffen, Sprengstoff und

militärische Ausrüstungsgegenstände. Die Hinweise, daß in die

gemeinsame Planung europäischer Neonazis auch die Beschaffung von

Waffen und Sprengstoff einbezogen wird, haben sich verstärkt.

*

S.29Bei einer »Wehrsport«-Übung 1976.*S.32Mit einem Falange-Sprecher (r.) letzte Woche in Beirut.*

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