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Briefe

NEUE WELT
aus DER SPIEGEL 47/1965

NEUE WELT

Ich teile nicht alle Europa-Ideen General de Gaulles, so wenig wie die Bundeskanzler Erhards. Aber ich bewundere General de Gaulle als einen der größten Europäer des Jahrhunderts. Und ich bin ihm dafür dankbar, daß er, gemeinsam mit Adenauer, der 1100jährigen Erbfeindschaft zwischen den beiden Kernvölkern Europas ein Ende gesetzt hat.

Der Gegensatz zwischen der 1922 von mir gegründeten Paneuropa-Union und der 1948 gegründeten Europa-Bewegung besteht in ihrer Stellung zur Fünften Republik. Die Paneuropa-Union arbeitet heute ebenso loyal mit der Fünften Republik zusammen wie früher mit der Dritten und Vierten, mit Aristide Briand und Robert Schuman. In der Überzeugung, daß die Einigung Europas nur durch dessen Regierungen verwirklicht werden kann.

Die Europa-Union, deren internationale Führung in den Händen von Veteranen der Vierten Republik liegt, ist zur Internationale des Antigaullismus geworden.

Die überparteiliche Paneuropa-Union Deutschlands, deren erster Präsident Reichstagspräsident Paul Löbe war, hat sich kürzlich zu einer Volksbewegung organisiert, mit dem Sitz in Frankfurt: zur Rettung der deutsch-französischen

Freundschaft. Ihre drei Vizepräsidenten sind: Werner Bockelmann, Heinrich Hellwege und Christian Krull.

Die Paneuropa-Union Deutschlands bekämpft den deutschen Antigaullismus, um zu verhindern, daß ein Scheitern der deutsch-französischen Freundschaft im Geiste Adenauer-de Gaulle zu einer politischen Neuorientierung führt, die für Europa sowie für Deutschland verhängnisvolle Folgen hätte.

Der unmittelbare Anlaß zu meinem Bruch mit der Europa-Bewegung war ihr internationaler Kongreß in Cannes Anfang Oktober, der dem Präsidentschaftskandidaten der französischen Kommunisten zur Plattform seines Wahlkampfes gegen de Gaulle gedient hat.

Gerne will ich Ihnen verraten, wie ich mir die Schaffung Paneuropas mit de Gaulle denke: durch die sofortige Errichtung eines Europäischen Staatenbundes - als ersten Schritt zu den kommenden Vereinigten Staaten von Europa.

München RICHARD COUDENHOVE-KALERGI

Präsident der Paneuropa-Union

Bei aller Anerkennung der vor Jahrzehnten begonnenen Bemühungen Graf Coudenhove-Kalergis um die Einheit Europas darf man nicht vergessen, daß sie die jüngste Entwicklung in Europa nicht mehr berücksichtigen.

Köln RUDOLF RÖMER

In bezug auf Ihren Bericht über den Gründer der Paneuropa-Union scheinen mir drei Feststellungen notwendig:

Graf Coudenhove-Kalergi hat sich seit Gründung der Europäischen Bewegung im Jahre 1948 bedauerlicherweise nie zu einer konstruktiven Mitarbeit im Dachverband der meisten europäischen Verbände bereit erklärt, offensichtlich nicht zuletzt deshalb, weil eine andere, neue Generation die Führung übernommen hatte, die mit der Welt, aus der der Gründer der Paneuropa-Union stammt, nichts gemein hat.

Mit seinem Verzicht auf die Ehrenpräsidentschaft ist Graf Coudenhove -Kalergi lediglich einem Beschluß der Europäischen Bewegung, ihm die Würde eines Ehrenpräsidenten abzuerkennen, zuvorgekommen. Auf dem außerordentlichen Kongreß der Europäischen Bewegung Anfang Oktober in Cannes hatten zahlreiche Delegierte durch eine Unterschriftensammlung unter Hinweis auf die einseitige Stellungnahme des Grafen für die Europa-Politik des französischen Staatspräsidenten, die mit den Grundsätzen der Europäischen Bewegung unvereinbar ist, diesen Beschluß gefordert. Aus Gründen des menschlichen und politischen Taktes hat der Präsident der Europäischen Bewegung, Maurice Faure, eine offene Abstimmung im Kongreß verhindert.

Unbeschadet dieser Vorgänge wird die Europäische Bewegung auch künftig die Verdienste von Graf Coudenhove -Kalergi für die Popularisierung des europäischen Gedankens würdigen. Sie bedauert zutiefst, daß dieser Mann heute einer Politik Vorschub leistet, die an den Grundfesten der Europäischen Gemeinschaften, der bisher einzigen konkreten europäischen Gemeinschaftsleistung, rüttelt.

Bonn KARLHEINZ KOPPE*

* Generalsekretär des »Deutschen Rats der Europäischen Bewegung«.

Coudenhove-Kalergi

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