Philipp Wittrock

Die Lage am Morgen Nehmen die Deutschen das Virus zu locker?

Philipp Wittrock
Von Philipp Wittrock, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute beschäftigen wie uns mit den weiteren Lockerungen der Corona-Beschränkungen in Deutschland, mit dem Ende der Ausgangssperre in Italien und einer Sammelaktion für die Impfstoff-Forschung.

Sachsen-Anhalt prescht vor

Haben Sie auch ein bisschen Wildwuchs auf dem Kopf? Von heute an dürfen wieder Profis an Ihre Haare, natürlich nur unter strengen Auflagen. Kunden und Friseure müssen Masken tragen, und: "Gesichtsnahe Dienstleistungen wie Augenbrauen- und Wimpernfärben, Rasieren und Bartpflege dürfen derzeit nicht ausgeführt werden", so steht es im Schutzstandard. Und wenn Sie nicht schon in den vergangenen Tagen oder Wochen vorsorglich einen Termin bei Ihrem Stammcoiffeur gemacht haben, müssen Sie womöglich noch eine Weile durchhalten. Sie sind nämlich nicht der Einzige, der seine Haarpracht schnell bändigen lassen will.

Auch sonst werden die Corona-Regeln an diesem Montag wieder ein Stückchen gelockert. Hunderttausende Kinder und Jugendliche dürfen erstmals wieder in ihre Schulen zurück, in vielen Ländern öffnen die Spielplätze wieder, Museen oder Zoos sind wieder zugänglich.

Ein Bundesland geht noch einen Schritt weiter und hebt die Kontaktverbote ein Stück weit auf, die doch eigentlich zumindest noch bis nächstes Wochenende aufrechterhalten werden sollten: In Sachsen-Anhalt dürfen von nun an wieder fünf Personen aus verschiedenen Haushalten zusammenkommen.

Das sorgt für Ärger in anderen Ländern. Zwar kann CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff darauf verweisen, dass sein Land bisher glimpflich davongekommen ist. Dennoch ist schwer nachvollziehbar, warum die schwarz-rot-grüne Landesregierung in den wenigen Tagen zwischen zwei Schaltkonferenzen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten vorpreschen muss. Zumal davon bei der Videorunde vergangenen Donnerstag keine Rede war.

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Das Lockerungssolo wird die Debatte über das Tempo beim Neustart nach dem Lockdown weiter befeuern. Wann öffnen Restaurants und Kneipen wieder? Was wird aus dem Sommerurlaub?

Laut Umfragen befürworten die meisten Menschen zwar weiterhin die Maßnahmen zur Viruseindämmung. Das heißt nicht, dass sie auch ernst genommen werden. Die Stimmen derer, die ihre Freiheiten trotz aller Gesundheitsrisiken lieber heute als morgen vollständig zurück hätten, werden zudem immer lauter, die Diskussionen mit den Mahnern und Warnern immer schärfer.

Nimmt Deutschland die Corona-Pandemie inzwischen zu locker? Wir werden es wohl erst in einigen Wochen wirklich wissen.

Italien darf wieder raus

Auch viele andere Staaten in Europa nehmen heute einen Teil ihrer Anti-Corona-Maßnahmen zurück, Belgien etwa, Portugal, Griechenland oder das besonders hart von der Pandemie getroffene Italien.

Der Besuch beim Friseur wird für die Italiener zwar erst im Juni wieder erlaubt sein. Dennoch werden die meisten am Montag aufatmen: "Fase due" startet, die seit 10. März geltende, ziemlich strikte Ausgangssperre endet. Die Menschen können wieder spazieren gehen, Sport treiben und Verwandte besuchen, Millionen Menschen dürfen wieder zur Arbeit, manche Läden öffnen wieder, Restaurants können Essen liefern oder abholen lassen.

Aber wie Deutschland hat auch Italien seine Lockerungsdebatte, und auch in Italien ist es mit der politischen Harmonie der Krisenzeit vorbei - was damit zu tun hat, dass der Süden viel weniger vom Virus heimgesucht wurde als der Norden. Darum möchte sich der Mezzogiorno noch eine Weile vom Norden abschotten, andererseits aber gern größere Schritte zurück in den Alltag machen. Premier Giuseppe Conte muss sich plötzlich wieder mit scharfer Kritik von allen Seiten auseinandersetzen.

Das aber kann man ja gerade in Italien auch als gutes Zeichen werten: als Zeichen der Normalisierung.

EU-Kommissionschefin von der Leyen sammelt Geld

Diese Onlinerunde wird für Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Emmanuel Macron wohl leichter als jeder EU-Gipfel zuletzt. Auf Einladung der Kommissionschefin sollen am Montag bei einer großen digitalen Geberkonferenz mindestens acht Milliarden Dollar für die Arbeit an Medikamenten, Tests und vor allem Impfstoffen gegen die Lungenkrankheit Covid-19 eingesammelt werden. Dass das Startkapital von Staaten, Stiftungen und internationalen Organisationen zusammenkommt, gilt als wahrscheinlich, die Zusagen sind vielversprechend.

Am Ende sollen es allerdings 40 Milliarden Dollar sein, das ist noch mal eine andere Hausnummer. Und: Geld macht die Forschung an einem Impfstoff einfacher, garantiert aber nicht seine schnelle Entwicklung. Ein wichtiges Land mag bisher übrigens bei der Aktion nicht mitmachen: die USA. Donald Trump will das Virus ja bekanntlich lieber im Alleingang besiegen.

Verlierer des Tages…

…sind Boris Palmer und die Grünen. Seit Jahren ärgert sich die Partei über provokante Wortmeldungen des Tübinger Oberbürgermeisters, der mal ihr Hoffnungsträger war. Jetzt soll mal wieder der Punkt erreicht sein, an dem die "Geduld am Ende ist" (Robert Habeck). Es geht um Palmers Einschätzung zur Coronakrise: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Sorry, sagt Palmer jetzt, er wollte niemanden verletzen. Aber dass er recht hat, findet er natürlich schon. Grünenmitglieder fordern Palmers Parteiausschluss. Die letzten, die das erst im vergangenen Jahr verlangt hatten, beschimpfte Palmer als "Meinungstyrannen". Prognose: Die nächste Palmer-Provokation kommt bestimmt. Und er wird dann immer noch bei den Grünen sein.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Corona-Streit bei "Anne Will": Die Runde war mit Söder, Scholz und Habeck top besetzt. Und lieferte mit den Themen Sozialpolitik versus Automobilindustrie das perfekte Match: Die größte Kluft der Corona-Situation steht fest

  • Trump bestreitet frühzeitige Warnung durch Geheimdienste: Wann wusste der US-Präsident vom Risiko einer Corona-Pandemie? Schon Anfang des Jahres, sagt die "Washington Post". Das weist Donald Trump nun vehement zurück

  • Ohne Airbag in den Crash: Im Vertrauen auf Jobs und Wachstum haben sich viele Amerikaner hoch verschuldet. Nun können viele ihre Autoraten und Kreditkartenrechnungen nicht mehr bezahlen. Die Blase droht zu platzen

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